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Pflanzenzucht
Streit um den Cibus-Raps

RTDS ist ein neuartiges Verfahren der Pflanzenzucht, das auch zufällig durch Mutation entstanden sein könnte. Anders als bei Sorten, denen ein Gen aus Bakterien übertragen wurde, um sie resistent zu machen, sind beim sogenannten SU-Raps Spuren fremder Gene nicht zu finden. Gegen die Zulassung als konventionell gezüchtete Sorte regt sich dennoch Widerstand.

Von Lucian Haas | 26.06.2016
    Gelb leuchtende Rapsfelder um den Eckweilerer Kirchturm
    Zulassung von SU-Raps als konventionell gezüchtete Sorte - das Gen-Ethische Netzwerk ist dagegen (Anke Petermann)
    Rapid Trait Development System, kurz: RTDS. Was so sperrig klingt, ist ein neuartiges Verfahren der Pflanzenzucht. Man nehme eine Pflanzenzelle und schleuse synthetisch hergestellte DNA-Schnipsel ein. Keine ganzen Gene, nur Bruchstücke davon. Wenn die sich dann an passende Stellen des pflanzeneigenen Erbguts anlagern, versucht die Zelle den Schaden zu beheben. Gelegentlich unterlaufen ihr dabei winzige Fehler. Es kommt zu Punktmutationen, die züchterisch gewollt und natürlich sind, erklärt James Radtke, Forschungsleiter beim kalifornischen Unternehmen Cibus in einem Video des Online-Magazins "Real Agriculture":
    "Wir setzen die Technik so ein, dass es sich nicht um Gentechnik handelt. Wir können auf diese Weise jeder Art von Pflanzen neue gentechnikfreie Zuchteigenschaften geben. Unser SU-Raps ist das erste Produkt dieser Art auf dem Markt."
    (The technology is applied in such a way, that it is a non gm approach. So we have non gm traits in different plants and really any plants, that we have the right targets in. We started with our SU canola which is our first product out.)
    SU steht für Sulfonylharnstoff. Das ist ein weitverbreitetes Unkrautbekämpfungsmittel, dem SU-Raps von Cibus kann es nichts anhaben. Anders als bei Sorten, denen ein Gen aus Bakterien übertragen wurde, um sie gegen den Wirkstoff Glyphosat resistent zu machen, sind beim SU-Raps Spuren fremder Gene nicht zu finden. Die neue Resistenz könnte genauso gut auch zufällig durch Mutation entstanden sein.
    "Keine Gentechnik im Sinne des Gentechnikgesetzes"
    Cibus hat nun in zahlreichen Ländern beantragt, den SU-Raps wie eine konventionell gezüchtete Sorte zuzulassen. In den USA und Kanada ist das bereits geschehen. Und auch in Deutschland entschied im vergangenen Jahr das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Fall Cibus-Raps: "Keine Gentechnik im Sinne des Gentechnikgesetzes". Damit hätte der SU-Raps ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland angebaut werden dürfen. Doch diese Einschätzung blieb nicht unwidersprochen.
    "Die Technik, die angewendet wird, ist zweifelsfrei eine Gentechnik. Da braucht man überhaupt nicht drüber zu diskutieren. Da werden an dem Erbmaterial Veränderungen vorgenommen, die durch synthetisch hergestellte Moleküle angestoßen werden. Und da sehe ich überhaupt nicht das Problem, warum das nicht als Gentechnik bewertet werden sollte."
    Christoph Potthof ist Sprecher des Gen-Ethischen Netzwerks. Dieses hat gemeinsam mit anderen gentechnik-kritischen Organisationen vor dem Verwaltungsgericht in Braunschweig dagegen geklagt, dass der Cibus-Raps auf deutsche Felder kommt. Die Ausnahmeregelung, auf die sich das BVL bezieht, gelte nicht, meint Potthof
    "Da gibt es einen ganz entscheidenden Passus in der europäischen Regulierung, der sagt, dass Mutageneseverfahren dann ausgenommen sind von der Gentechnikregulierung, wenn sie die Geschichte einer langen sicheren Nutzung hinter sich haben. Und das können wir halt bei diesem RTDS-Raps oder vergleichbaren Technologien nicht sagen. Es gibt keine lange, sichere Nutzung. Es gibt keine wirklichen Erfahrungen damit."
    EU-Kommission will selbst über neue Züchtungsmethoden entscheiden
    Ist die Züchtung per RTDS nun Gentechnik – oder dürfen solche Pflanzen unkontrolliert auf den Acker? Die Klage hat erst einmal aufschiebende Wirkung. Deshalb gibt es bisher noch keine Freilandversuche mit dem Cibus-Raps in Deutschland. Hinzu kommt, dass sich auch die EU-Kommission eingeschaltet hat. Sie schrieb im vergangenen Sommer einen offiziellen Brief an das BVL. Darin heißt es:
    "Wir möchten sie bitten, so lange wie möglich die rechtliche Interpretation der Kommission abzuwarten, bevor sie eine gezielte Freisetzung von Organismen erlauben, die auf neuen Techniken der Pflanzenzüchtung basieren." (We would like to ask you to await, as much as possible, the outcome of the Commission legal interpretation before authorising a deliberate release of organisms obtained with new plant breeding techniques.)
    Die EU-Kommission will selbst definieren, ob neue Züchtungsmethoden unter das EU-Gentechnikrecht fallen oder nicht. Die Gemengelage ist komplex, zumal, wie jetzt bekannt wurde, die Frage auch bei TTIP verhandelt wird. Ursprünglich sollte die Grundsatzentscheidung in Brüssel schon Ende 2015 fallen. Doch vorerst wurde sie vertagt.