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Pflaster drauf reicht nicht

Offene Wunden durch Wundliegen und Lymphödeme sind immer wieder in der Diskussion, besonders in der Kranken- und Altenpflege. Viele Ärzte und Therapeuten sind ratlos und beklagen, dass Wunden häufig nicht angemessen versorgt werden können - auch dem Zeitmangel geschuldet.

Von Jan Knierim |
    Vieles muss in der Wundversorgung verbessert werden, sagt vom Deutschen Netzwerk Lymphologie Dr. Karin Peter:

    "Konkret soll verbessert werden einmal die Versorgung der Patienten. Und die Therapie wird ein bisschen stiefkindlich behandelt. Es ist zum Teil gar nicht Teil der ärztlichen Ausbildung. Es herrscht auch auf vielen Sektoren entlang der Versorgungskette wenig Kommunikation untereinander. Es ist ganz wichtig, dass dort alle, die an der Behandlung beteiligt sind, gemeinsam miteinander arbeiten und miteinander verzahnt sind."

    Der interdisziplinäre Ansatz ist in der Therapie von Lympherkrankungen und offenen Wunden ein Novum in Deutschland. Anders dagegen in der Schweiz. Hier arbeiten in der Pflege schon länger speziell ausgebildete Wundschwestern und Wundmanager. Leider würden hierzulande viele Wunden nicht angemessen versorgt, so der Chefarzt der Chirurgie an der Carl von Basedow-Klinik in Querfurt, Professor Doktor Gerd Meissner:

    "Eine Wunde kann ja nur heilen, wenn sie in Ruhe gelassen wird, und wenn nicht alle zwei oder drei Stunden der Verband runtergerissen wird, dann die Wunde auskühlt, die Heilungsphase gestoppt wird und wieder ein neuer Verband aufgelegt wird."

    "Eine Wunde braucht eine gewisse Temperatur und ein feuchtes Wundmilieu. Dieses feuchte Wundmilieu kann ich unter einem modernen Wundverband erzielen, egal ob das ein sogenannter Hydrocolloid-Verband ist oder auch ein Vakuumverband. Das heißt, die Wunde kann sich durch ihre eigene Sekretion reinigen."

    Mit jeder Wunde werden nicht nur Blutgefäße verletzt, zugleich auch Lymphgefäße. Die Folge: Es bildet sich eine Gewebeschwellung, das Lymphödem. Dieses muss zusammen mit der Wunde behandelt werden, damit sie optimal heilen kann. Soweit die medizinischen Notwendigkeiten.

    In der Pflege jedoch an der Tagesordnung ist Wundversorgung im Schnelldurchlauf, berichtet ein leitender Wundmanager vom Diakoniepflegeverbund Berlin, Rajko Pschicholz:

    "Ich kann mich nicht um eine Wunde kümmern und die Haut vernachlässigen. Dann müssen Gespräche stattfinden, wir müssen die Klienten beraten. Und wir haben ein Zeitfenster von der Krankenkasse - man muss ja auch ein bisschen wirtschaftlich rechnen - von, ich glaube, cirka 12 Minuten. Für eine Behandlung. Das ist Unsinn."

    Und darunter leiden letztlich Patienten und Pflegekräfte. Optimale Wundversorgung in der Pflege hieße vor allem mehr Zeit für den bestehenden medizinischen Standard und für mehr Menschlichkeit.

    "Die Wunde verbindet" - das geflügelte Wort ist nach dem Kasseler Kongress eine Einladung zur Zusammenarbeit im Sinne aller. Für Patienten und Angehörige, für die Kostenträger - für Ärzte, Pfleger und Therapeuten. Bleibt nur zu hoffen, dass Leitlinien und Qualitätsstandards auch von allen Vertragspartnern unterschrieben werden. Andernfalls blieben Lymphtherapie und Wundversorgung in der Pflege weiterhin die Stiefkinder von heute.