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Pflege vom Roboter

In der Industrie sind Roboter schon längst nicht mehr wegzudenken. Jetzt stehen so genannte "Serviceroboter" vor der Tür: Als "Care-Roboter" sollen sie zum Beispiel Parkhäuser überwachen, als "Pflege-Roboter" die Betreuung behinderter Menschen übernehmen. So zeigte die Universität Bremen auf der Hannover Messe in der letzten Woche den Prototypen eines Pflegeroboters.

Von Michael Engel | 19.04.2005
    Erste Überraschung: Der Pflegeroboter steht gar nicht auf zwei Beinen, und das Wort "Pflege" muss auch nicht auf die Goldwaage gelegt werden. "Wir befinden uns erst am Anfang einer digitalen Service-Revolution", sagt Entwicklungsingenieur Oliver Prenzel von der Uni Bremen fast entschuldigend. Der Roboter besteht aus einem metallischen Arm und einer elektrischen Handprothese, das Ganze montiert an einem Rollstuhl. Das eingebaute Spracherkennungssystem reagiert auf Befehle:

    " Getränk einschenken "

    Jetzt greift die Hand zu einer Flasche, die auf dem Rollstuhl deponiert ist, gießt Wasser in ein bereit stehendes Glas und führt es zum Mund des Patienten. Hier – auf der Hannover Messe - eine Schaufensterpuppe. Noch schaffen es die elektronischen Systeme aber nicht, den Patienten am Glas nippen zu lassen, wie es eine menschliche Pflegekraft tun könnte.

    " Es wäre dann sehr praktisch, wenn zuvor ein Strohhalm in den Becher von dem Roboter reinsetzen zu lassen, dann kann der Behinderte dann mit Hilfe dieses Strohhalmes trinken, wenn der Becher vom Roboter in Mundnähe angereicht wurde. "

    Auch wenn der in Hannover vorgestellte "Pflegeroboter" nur wenige Handgriffe schafft, so ist dennoch bereits abzusehen, dass die Maschinen eine Zukunft haben. Sie sollen Mahlzeiten bereiten, Bücher vorlegen, Schubladen ziehen. Der Bedarf nach digital gesteuerter Unterstützung ist groß, urteilt Oliver Prenzel vom Institut für Automatisierung und beruft sich dabei auf Umfragen bei Behinderten. Patienten erleben mehr Autonomie, mehr Selbstständigkeit, und das wiederum – so die Hoffnung - macht sie zufriedener.

    " Die Rehabilitationsroboter werden einen gewissen Grad an Autonomie, an Unabhängigkeit erzeugen, und den Menschen sozusagen dann die Lebensqualität erhöhen, aber sie werden nie vollkommen das Pflegepersonal ersetzen können, jedenfalls nicht in näherer Zukunft, das ist absolut unmöglich. Es ist nur eine Ergänzung und ein Schritt zu mehr Autonomie. "

    Pflegekräfte müssen - zumindest heute – noch nicht um ihren Job bangen. Der "Pflegeroboter" steckt nämlich noch in der Grundlagenforschung. Und außerdem – so Andreas Hahne vom Pflegeheim "Haus der Ruhe" in Meyenfeld – stoßen die cleveren Maschinen an natürliche Grenzen.

    " Überall dort, wo der Mensch das Mitgefühl des Helfenden braucht, da kann ich mir schwerlich vorstellen, dass da eine Maschine helfen kann. "

    Der Pflegedienstleiter ist kritisch, sieht aber auch die Vorteile einer maschinellen Unterstützung. Ein Beispiel ist "Prophylax" – ein elektronisch gesteuertes Pflegebett, dessen Programm dafür sorgt, dass die alten Menschen in definierten Abständen umgebettet werden.

    Sanft hebt eine Hydraulik die rechte oder linke Seite des Bettrahmens an. Patienten werden so verlagert, viel schonender, als menschliche Pflegekräfte dies tun können, sagt Andreas Hahne zu diesem Prototypen, der zur Zeit versuchsweise im Pflegeheim erprobt wird.

    " Der Vorteil liegt auch bei der Pflegekraft. Sie kann sich in Ruhe an den Patienten wenden, kann mit ihm sprechen, kann ihn direkt anschauen, weil sie sich nicht rüberbeugen muss, kann ihn noch genauer beobachten. Durch eine Dokumentation der Lagerungsintervalle kann man auch einen sehr genauen Nachweis erbringen, wann gelagert wurde, wie lange gelagert wurde und welche Schräglagerung bzw. Lagerungstechnik angewandt wurde. Das ist alles möglich, wenn ein wenig Computertechnik dabei ist. "

    Das Bett, das mit rund 3500 Euro doppelt so teuer sein wird wie ein herkömmliches Pflegebett, könnte sogar via Internet von einer Zentrale aus ferngesteuert werden. Keine Frage: High-Tech-Systeme werden auch die Pflege über kurz oder lang erobern. Oliver Prenzel ist heute 26 Jahre alt. Möchte er im Alter von einem vielleicht sogar selbst entwickelten Pflegeroboter versorgt werden?

    " Also, so wie ich das geschildert habe, dass man das als Zusatz hat, im normalen Alltagsablauf gewisse Handlungen durch einen Roboter ausgeführt bekommt, kann ich mir durchaus vorstellen, und ich hoffe ja noch, dass wir bis dahin noch ein Stückchen weiter sind in der Forschung und sich diese Zukunftsvisionen sich dann in die Realität hin verschoben haben und das alles noch viel zufriedenstellender und viel runder wird als es momentan wirklich ist, weil wir noch am Anfang stehen. "

    Bleibt zu hoffen, dass die menschliche Seite bei dieser Entwicklung nicht zu kurz kommt.