Archiv


Pflüger: UNO sollte schnell in den Irak zurückkehren

Stephan Detjen: "Deutschland kann nicht neutral sein" beim militärischen Einsatz der USA im Irak. "Es muss an der Seite der USA" stehen. Herr Dr. Pflüger, diese Sätze stammen aus einem Argumentationspapier, das Sie im März vergangenen Jahres für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verfasst haben. Wie dicht steht denn die CDU - ein gutes Jahr später - am Ende dieser Woche, an der wir über Folter der USA im Irak gesprochen und gelesen haben, wie dicht steht die CDU heute noch an der Seite der USA?

    Friedbert Pflüger: Na ja, ich hoffe, dass in der Auseinandersetzung zwischen Amerika und einer breiten Koalition aus europäischen Staaten - die im Irak jetzt ist - und Saddam Hussein, keine Neutralität ist. CDU und CSU sind zu keinem Zeitpunkt für einen Krieg gewesen. Wir haben den Ausbruch des Krieges bedauert. Ich habe noch auf der Reise mit Frau Merkel in die USA, alles getan. Wir haben alles getan, um mit den Amerikanern zu sprechen. Wie können wir noch ein weiteres Ultimatum bekommen? Wie können wir vielleicht eine Asyllösung für Saddam hinbekommen? Es gab damals einen kanadischen Vorschlag im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, eine neue Kompromissformel, die noch mal den Inspektoren eine Chance gab. Aber es kann doch nicht im Ernst ein Zweifel sein - und ich nehme an, dass der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister das genauso sieht - dass in dem Moment, in dem der Krieg ausbrach, wir auf Seiten Amerikas waren. Wir können doch auch jetzt kein Interesse daran haben, dass Amerika dort, bei all den Schwierigkeiten, den Problemen, auch den hässlichen Bildern die wir jetzt gesehen haben, dass Amerika dort als Verlierer herausgeht zusammen mit den Polen und den Italienern und all den anderen in der Koalition.

    Detjen: Aber man muss doch im nachhinein sagen, die Skepsis die vor einem Jahr in der Auseinandersetzung die hier geführt wurde, der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister natürlich viel deutlicher, viel expliziterer als die Union, zum Ausdruck gebracht haben, ist gerechtfertigt gewesen.

    Pflüger: Aber ich bitte Sie. Nur wenn man wirklich glaubt, was Herr Schröder und Herr Fischer uns – jetzt wieder auch im Europawahlkampf – glauben machen wollen, dass die einen für den Frieden und die anderen für den Krieg gewesen seien. Das ist ja einfach nicht die Wahrheit. Es wird immer wieder behauptet. Aber unser Vorwurf ist doch nicht, dass Schröder für den Frieden war. Für den waren wir hoffentlich alle. Unser Vorwurf ist gewesen und ist es noch, dass Herr Schröder mit seiner Vorfestlegung im Wahlkamp 2002 - ganz egal was der Weltsicherheitsrat, ganz egal was die NATO und die EU macht, wir Deutschen nicht - einen Sonderweg beschritten hat, Deutschland gespalten hat und eine gemeinsame europäische Position gegenüber den Amerikanern, gegenüber dem Weltsicherheitsrat, damit verhindert hat. Er hat damit nicht nur das transatlantische Verhältnis beschädigt, sondern er hat vor allen Dingen Europa gespalten und das ist unser Vorwurf. Uns ging es um eine gemeinsame Druck- und Drohkulisse gegenüber Saddam und aus der sind die Deutschen und die Franzosen frühzeitig ausgebrochen. Zusammen mit den Russen haben sie eine Achse gebildet und das hat nicht zur Stärkung beigetragen. Es hat im Übrigen den Krieg nicht verhindert.

    Detjen: Aber wenn wir jetzt rückblicken, noch mal alles was auch im Zusammenhang mit damaligen Wahlkämpfen an Polemik in dieser Auseinandersetzung vorhanden war, abziehen: Da ging es doch auch um die Frage, wie viel Vertrauen wir in die Weltmacht USA setzen, wie viel Hoffnung wir damit verbinden. Hoffnung, die ja auch Sie in dem bereits erwähnten Papier ausgedrückt haben. Die Hoffnung, es könne zu einer Demokratisierung, zu einer dauerhaften Stabilisierung des Iraks und nicht nur des Iraks, sondern darüber hinaus des gesamten Nahen Ostens kommen.

    Pflüger: Nun, diese Hoffnung habe ich immer noch und ich hoffe, dass wir sie alle haben. Wir können ja doch kein Interesse daran haben, dass sich dort wieder diktatorische Verhältnisse bilden, sondern ich glaube, da ziehen wir auch an einem Strang, auch mit der Bundesregierung. Wir alle wollen den Amerikanern helfen, jetzt den Irak in der sehr, sehr schwierigen Situation doch noch zu einem Erfolg zu machen und von daher, hat sich an der Grundposition, das ist ein Teil des westlichen Bündnisses, Amerika bleibt unser Partner. Die haben große Fehler gemacht. Das ist übrigens nichts neues. Angela Merkel hat das in dieser Woche noch mal in der "Zeit" gesagt, dass die Amerikaner Fehler gemacht haben und dann gab es einen großen Aufschrei überall: "Jetzt endlich hat die Union sich auch mal distanziert". Wir haben immer auf unsere amerikanischen Partner kritisch …

    Detjen: Aber von der Kritik, die Angela Merkel jetzt ausgedrückt hat, war doch vorher nichts zu hören. Am Mittwoch hat der Amerikanische Präsident Fehler eingestanden, einen Tag später ist auch die CDU Vorsitzende soweit, Kritik erstmals öffentlich an den USA in dieser Form zu äußern …

    Pflüger: Aber darf ich mal sagen, das ist wirklich dann ein Wahrnehmungsproblem. Tut mir furchtbar leid, Herr Detjen, von Ihnen. Ich habe für meine Fraktion zusammen mit meinem Kollegen Ruck aus Bayern - einen Tag vor Ende des eigentlichen Krieges – gesagt: "Die Amerikaner wären klug beraten, wenn sie das Model Afghanistan auch im Irak anwenden würden, also ein UN-Dach", der Aufbau unter einem UN-Dach mit einer internationalen Schutztruppe. Wir haben auch vorgeschlagen, dann als Fraktion - das ist ein Antrag unserer Fraktion gewesen -, dass man auch versucht, arabische Staaten dafür zu gewinnen. Wir haben ein grundsätzlich anderen Ansatz für den Nachkriegsirak gehabt als die Amerikaner und wenn Sie jetzt entdecken, dass das Frau Merkel jetzt kritisiert, dann ist das wirklich - tut mir furchtbar leid - Ihr Problem.

    Detjen: Das ist nicht nur von mir so wahrgenommen worden …
    Pflüger: Es ist der Eindruck vermittelt worden …

    Detjen: Vielleicht hat die Union nicht genügend getan, um ihre Skepsis zum Ausdruck zu bringen!

    Pflüger: Nein, nein, es ist der Versuch gemacht worden, jetzt im dritten Wahlkampf, als seien die einen Deutschen mehr für den Frieden als die anderen und das finde ich perfide. Das hat glücklicherweise schon im hessischen und niedersächsischen Wahlkampf nicht gezogen, dieses Konzept. Es wird auch jetzt nicht ziehen. Es geht um den besseren Weg zum Frieden und ich glaube nach wie vor, dass Frau Merkel Recht hatte mit ihrer Bemerkung - damals im Deutschen Bundestag - damit, dass man ausgeschert ist von Anfang an aus der gemeinsamen westlichen Druck- und Drohkulisse und der Krieg damit eher wahrscheinlicher geworden ist als unwahrscheinlicher. Es nutzt nichts in der Politik schöne Worte zu finden. Es kommt darauf an – ein Politiker wird daran gemessen –, was er nachher erreicht und bewirkt und die sogenannte Friedensachse Schröder, Chirac, Putin hat nichts bewirkt. Sie hat den Frieden nicht gesichert. Wir haben als Opposition damals nicht regiert und wenn wir regiert hätten, gäbe es heute keine deutschen Soldaten im Irak. Aber ich glaube wir hätten eine kleine Chance gehabt, wenn wir gemeinsam als Europäer nach Amerika gegangen wären und gesagt hätten: "Komm mach das alles mit den Vereinten Nationen, gib noch mal drei Monate Zeit, lasst uns gucken, ob wir mit der arabischen Liga eine Asyllösung für Saddam hinbekommen". Vielleicht hätte es eine kleine Chance gegeben, Saddam in die Knie zu zwingen ohne einen Krieg und diese Chance die hat nicht Frau Merkel vergeigt, die hat nämlich nicht regiert, sondern der Bundeskanzler. Er ist Bundeskanzler gewesen während dieses Krieges. Es ist im Übrigen nicht der erste sondern der zweite. Wir haben auch einen Kosovo-Krieg gehabt, in den Deutschland verwickelt worden ist, im Übrigen ohne UN-Mandat. Von daher hat Herr Schröder überhaupt keinen Grund, sich jetzt auf irgendwie der Seite des besser Wissenden zu begeben. Im Übrigen ist es sowieso Unsinn. Wir sollten mit dieser Rechthaberei, mit diesen Blicken nach hinten, aufhören. Es geht jetzt nicht um Häme und Schadenfreude, sondern es geht in unser aller Interesse darum, nicht jetzt zu zeigen, dass wir Recht gehabt haben und uns darüber zu freuen. Es geht darum, diesen Irak jetzt zu einem Erfolg …

    Detjen: Aber es geht um kritische Selbstreflektion. Es geht um die Frage, war die Skepsis, die öffentlich zum Ausdruck gebracht worden ist, berechtigt? Und deshalb noch mal die Frage: Hat Ihr Vertrauen in die Führungsmacht USA in diesem Jahr, in der letzten Woche, ganz konkret gelitten?

    Pflüger: Na ja, ich meine, wen die Bilder, die wir gesehen haben gleichgültig lässt, dem ist nicht mehr zu helfen. Ich glaube es gehören immer zwei Dinge zusammen in der Außenpolitik. Das eine ist, dass man die Werte, für die man in seinem Land steht, die Verfassung, die Menschenrechte, an sie glaubt und sie deutlich werden. Und das Zweite ist, dass man auch bereit ist, diese Werte zu verteidigen und notfalls auch durchzusetzen und was wir erlebt haben in der letzten Woche ist, dass hinter der Machtausübung – Macht ist glaube ich notwendig in der Politik, auch in der Außenpolitik – die Werte für die Amerika steht, manchmal schwer erkennbar werden und das müssen wir ändern und das müssen wir alle zusammen. Das ist nicht nur ein Problem der Amerikaner und da können wir uns jetzt nicht zurücklegen und sagen: "Also bitte nun, Ihr habt versagt", sondern das ist ein Problem von uns allen, das ist ein Problem der ganzen westlichen Wertegemeinschaft.

    Detjen: Sehen die Amerikaner das so? Der Präsident Bush hat die Vorgänge, hat die Folterbilder aus dem Gefängnis Abu Ghraib, als "unamerikanisch" bezeichnet. Hat er das damit richtig charakterisiert?

    Pflüger: Na ja gut, er hat sich entschuldigt dafür und er hat gesagt, dass was hier passiert ist, hat nichts mit dem zu tun, wofür mein Land und die Gründerväter stehen und das ist auch der entscheidende Unterschied zu der Folter unter Saddam. Die war staatlich angeordnet, die war großflächig, die ist über jahrzehnte ausgeübt worden. Da haben wir keine Fotos von. Aber sie war grauenerregend. Das wir jetzt solche schlimmen Bildern haben, dass diskreditiert erst einmal auch das amerikanische Engagement, auch in den Augen der Araber. Ist gar keine Frage, dass das ein schwer wiegender Vorgang ist. Aber noch einmal. Es ist doch nicht unser Interesse, da mit Häme heran zu gehen, sondern wir müssen jetzt einen Weg finden, den Irak zu stabilisieren und dazu gibt es jetzt eine große Chance und wir sollten auch mal ein bisschen über diese Chance reden und nicht nur …

    Detjen: Das werden wir tun. Aber ich will trotzdem noch mal auf diesen Begriff "unamerikanisch" zurückkommen und fragen, ob er nicht auf einen Kern des Problems, auch auf einen problematischen Kern des amerikanischen Selbstverständnisses in der ganzen Auseinandersetzung, hinführt: Das was man dort gesehen hat ist ja - deutlich gesagt - nicht "unamerikanisch". Es ist völkerrechtswidrig und diese Ausklammerung des Völkerrechts ist ja etwas, was sich wie ein roter Faden durch die ganze Entwicklung zieht: vom UN-Sicherheitsrat über Guantanamo bis jetzt in das Gefängnis von Abu Ghraib.

    Pflüger: Also über die Frage, ob der Krieg völkerrechtswidrig ist, da werden Völkerrechtler und Politiker wahrscheinlich noch in 20 Jahren drüber streiten. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung selbst nicht davon ausgeht, dass dieser Krieg völkerrechtswidrig war. Man kann dazu stehen wie er will, aber die Bundesregierung hat Überflugrechte ermöglicht. Sie hat den Amerikanern Basen gegeben. Bundeswehrsoldaten haben amerikanische Einrichtungen während des Krieges geschützt, d.h., wenn der Krieg wirklich völkerrechtswidrig wäre, hätte die Bundesregierung all das nicht machen dürfen. Man kann darüber streiten, ob es richtig war oder nicht und das werden …

    Detjen: Es gibt ja auch keine Instanz, die das klären kann.

    Pflüger: Genau und das werden Historiker alle noch lange tun. Warum richten wir soviel über die Vergangenheit? Geht es den Leuten mehr darum Recht zu haben, oder sollte es uns jetzt nicht allen darum gehen zu sehen, wie kriegen wir den Irak hin. Denn noch mal …

    Detjen: Es geht ja darum, aus einer Analyse von Fehlern in der Vergangenheit und auch aus einer Bewertung von handelnden Personen Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen.

    Pflüger: Und da finde ich, in der Tat, ist der entscheidende Fehler der gemacht worden ist, die Position des Wahlkampfes 2002, die nicht wieder aufgegeben worden ist, mit der sich Deutschland außerhalb der Vereinten Nationen gestellt hat, in dem Herr Schröder gesagt hat: "Ganz egal was die UNO macht, wir sind nicht dabei". Dieser Sonderweg hat zur Spaltung und zur Schwächung Europas geführt und dazu geführt, dass dann kein europäisches Gewicht in Amerika mehr zu spüren gewesen ist. Das ist der Geburtsfehler der ganzen Sache. Aber bitte, ich will jetzt hier nicht rumrechnen. Das sind Sie, der immer diese Fragen stellt. Lassen Sie uns doch einmal ein bisschen über die Zukunft …

    Detjen: Diese Fragen stelle ich nicht nur persönlich. Ich glaube, das sind Fragen, die sich wirklich sehr, sehr viele - auch von unseren Hörern - in diesen Tagen gestellt haben. Auch Fragen die sich, glaube ich mit Recht, an die Union richten.

    Pflüger: Sie sehen ja, ich weiche diesen Fragen überhaupt nicht aus. Ich finde nur, wir sollten jetzt wirklich alle mal überlegen, was können wir denn jetzt tun. Das interessiert die Leute auch, Herr Detjen und ich glaube, wenn wir jetzt uns ansehen, was wir machen, dann haben wir ja mit der Machtübergabe an den Irak am 30.06. noch mal eine Chance. Ich hoffe, dass die Amerikaner sie ergreifen. Ich hoffe sehr, dass sie mehr als in der Vergangenheit bereit sind, mit den Nachbarländern des Irak zu reden. Das ist übrigens eine Kritik, die ich auch seit langem erhebe, auch öffentlich erhebe, dass die Amerikaner es vermieden haben, mit der Türkei, mit Saudi Arabien, mit Jordanien, Kuwait aber auch mit dem Iran, zu sprechen. Alle unmittelbaren Nachbarn haben nämlich Interessen im Irak und wir werden keinen Frieden, keine Stabilität bekommen, wenn nicht diese Nachbarn sich wiederfinden in einer Nachkriegsordnung. Deswegen war es wahrscheinlich, da hat Frau Merkel in dieser Woche mit ihrem "Zeit-Interview" - glaube ich - völlig Recht gehabt. Es gab auf amerikanischer Seite zu viel Optimismus, dass man den Krieg führt und dann gleich danach als Befreier gefeiert wird und dann …

    Detjen: Den Optimismus haben auch Sie vertreten!

    Pflüger: Nein, den haben wir nicht verteidigt. Ich kann Ihnen mehrere Redner aus dem Bundestag sagen, wo wir gesagt haben: "Vorsicht überlegt es gut, es ist sehr schwer, eine Nachkriegsordnung zu bauen". Da muss man Schiiten, Sunniten, Kurden zusammen bringen. Die wurden durch die eiserne Faust Saddams zusammengehalten. Wir haben immer wieder gesagt, es ist viel leichter, einen Krieg zu gewinnen als hinterher den Frieden zu gewinnen. Ich darf noch mal sagen, es tut mir leid, wenn Sie es nicht wahrnehmen wollten, aber dann sind Sie Opfer von Parteipropaganda. Ich kann es Ihnen sagen, im Deutschen Bundestag am 07.11.2002, habe ich auf die großen Schwierigkeiten einer Nachkriegsordnung hingewiesen. Aber ich darf es noch mal sagen, ich …

    Detjen: Aber wenn ich noch einmal zitieren darf. Sie haben in diesem Papier vor einem Jahr geschrieben, wenn ich das vorlesen darf: "Es besteht die Chance, eine pluralistische, auf rechtsstaatliche Prinzipien ruhende Ordnung im Irak zu schaffen sowie eine Befriedung der Region den Weg zu bereiten". Worauf gründen Sie das Fortbestehen dieser Hoffnung im Augenblick in dieser schwierigen Situation? Wenn Sie sagen, Sie …

    Pflüger: Ich kann nur sagen, dass die Hoffnung und die Chance bestand und hoffentlich auch noch besteht – daran glaube ich immer noch –, aber man hätte es eben anders machen müssen.

    Detjen: Noch einmal die Frage: Worauf gründen Sie die Hoffnung im Augenblick?

    Pflüger: Man hätte damals schon die UNO reinbringen müssen …

    Detjen: Das ist Vergangenheit, Sie wollten in die Zukunft blicken ...

    Pflüger: Und jetzt müssen wir auch die UNO reinbringen. Jetzt brauchen wir am 30.06. gemäß der Empfehlungen von Herrn Brahimi, dem zuständigen UN-Beauftragten für den Irak, sollten wir eine Regierung aus Irakern bilden. Und diese Regierung sollte nicht von den Amerikanern ernannt, sondern von den Vereinten Nationen ernannt werden. Dann sollten wir ein neues UN-Mandat haben und dann sollte der Wiederaufbau des Irak unter UN-Dach erfolgen, was nach unserem Vorschlag schon ein Jahr vorher hätte geschehen sollen und dann muss man die Nachbarn einbinden. Und wenn man dies beides macht, dann hat mein eine Chance, aus dieser äußerst schwierigen Situation herauszukommen und daran sollten wir jetzt gemeinsam arbeiten und nicht uns...... Wir können stundenlang darüber reden, was richtig war und ich habe …

    Detjen: Lassen Sie uns darüber reden. Welchen Beitrag kann Deutschland im Rahmen einer solchen UN-Mission leisten?

    Pflüger: Ich bin gerade in fünf arabischen Ländern gewesen und in einem, in Abu Dabi, habe ich ein Projekt besucht, das die Bundesregierung zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten betreibt, nämlich die Ausbildung von irakischen Polizisten. Das finde ich ein sehr gutes Projekt, das wir da machen. In dem wir nämlich Polizei ausbilden - ist in diesem Fall Kriminalpolizei - die dann zurück geht und dann im Irak wirklich eine richtige Kriminalpolizei aufbaut, dass Menschen nicht mehr nur, wie das unter Saddam der Fall war, willkürlich hinter Gitter geschlossen worden sind und getötet worden sind, sondern dass man richtig Beweisverfahren macht. Aufbau des Justizsystems. Da haben wir als Deutsche große Kenntnisse und Fähigkeiten und auf diesem Gebiet uns einzubringen - das glaube ich -, wäre ein ganz konkreter deutscher Beitrag.

    Detjen: Würden Sie es unterstützen in der augenblicklichen Situation - und da rede ich jetzt gar nicht von Soldaten, von Streitkräften - auch deutsches Personal etwa im Rahmen einer UN-Verwaltung in den Irak zu entsenden?

    Pflüger: Also ich würde sagen, wenn die Vereinten Nationen dort so zu sagen die Führung bekommen und wir ein UN-Dach mit einem UN-Mandat haben, dann sollte sich Deutschland nicht verweigern, dann sollte auch unsere Wirtschaft dort wieder Fuß fassen, dann sollten zivile Aufbauhelfer, Entwicklungshilfeorganisationen kommen. Wir müssen doch den Menschen im Irak die Chance geben, nach vorne zu gucken und ich glaube, sobald das unter UN-Dach statt findet und nicht mehr der Eindruck der Besatzung herrscht, werden wir auch sehr bald Fortschritte sehen, denn es ist ein kluges und gebildetes Volk die Iraker und es ist darüber hinaus noch ein potentiell reiches Volk durch natürlich die Bodenschätze, vor allen Dingen natürlich das Öl und von daher glaube ich zutiefst an die Chance des Irak und ich glaube wir werden in 10 Jahren ein besseres Leben im Irak erleben, als es unter Saddam Hussein der Fall war. Von daher ist meine Hoffnung nach wie vor nicht ganz zerstört. Aber wir haben schwere Rückschläge erlebt, wir haben Fehler erlebt, die Frau Merkel oder ich oder andere in meiner Partei, deutlich angesprochen haben und aus diesen Fehlern, in der Tat, müssen wir lernen. Aber jetzt die Flinte ins Korn zu werfen und uns zu sagen: "Also jetzt wollen wir damit überhaupt nichts mehr zu tun haben", das wäre die falsche Strategie. Wir Europäer müssen mithelfen.

    Detjen: Flinte ins Korn - das ist noch mal das Stichwort zur Frage die natürlich kommen muss. Welchen militärischen Beitrag könnte, kann Deutschland leisten, bevor es soweit ist, dass das Land soweit befriedet ist? Darum geht es ja im Augenblick, bevor zivile Kräfte wirklich massiv dort rein können.

    Pflüger: Keinen und auch das gehört zu den Propagandalügen. Es ist weder vor dem Krieg noch nach dem Krieg, je um einen deutschen militärischen Beitrag gebeten worden und es gibt keinen Unionspolitiker der gesagt hat: "Wir wollen da jetzt unbedingt hin". Die Bundeswehr ist sehr stark in Afghanistan, was ich richtig finde. Sie ist sehr stark auf dem Balkan tätig. Wir können es gar nicht schaffen, selbst wenn uns jemand fragen würde. Ich stimmte völlig dem Bundeskanzler zu und darf das auch für meine Fraktion sagen, es wird keine deutschen Kampftruppen im Irak geben und das ist eine gemeinsame Position. Von daher wird der Versuch fehlleiten, jetzt wieder den Eindruck zu vermitteln, als gäbe es Leute, die sich so zu sagen, danach drängten, im Irak möglichst schnell Bundeswehrsoldaten hinzuschicken. Das ist einfach nicht wahr und wir sollten nicht weiter mit solchen Propagandalügen, die in Wahrheit nur eine völlig aussichtslose Innenpolitische Situation der Rot/Grünen Regierung überdecken sollen, Glauben schenken.

    Detjen: Es gibt ja in der Tat - und das soll natürlich auch in diesem Gespräch überhaupt nicht verdrängt werden - es gibt auch positive Entwicklungen, auch im Nahen Osten. Etwa die Abkehr des libyschen Diktators Ghaddafi von Terror und Massenvernichtungswaffen. Wie setzen Sie das ins Verhältnis zur Entwicklung im Irak, zu den Problemen vor denen wir dort stehen?

    Pflüger: Jetzt kommen wir natürlich zu einem ganz wichtigen Punkt. Wir werden nämlich auf den drei großen Gipfeln im Juni – NATO-Gipfel, EU/USA-Gipfel und G8-Gipfel – über etwas sprechen, was man die Initiative für den größeren mittleren Osten und Nordafrika nennt. Wir, als Fraktion, bringen dazu in der nächsten Woche einen umfangreichen Antrag ein. Das ist das was man "Softpower" nennt. Also nicht nur mit Militär, sondern vor allen Dingen durch eine breite Palette von Entwicklungshilfe, Demokratieförderung, Kulturdialog müssen wir versuchen, dass der Nährboden für den Terror beseitigt wird und da finde, ist jetzt etwas in Bewegung geraten. Im ganzen Nahen Osten gilt nicht mehr das Status quo, sondern überall, in jedem der Länder in denen ich jetzt gewesen bin, Ägypten und dann am Golf, spüren sie, dass dort Zivilgesellschaften sich bilden, dass dort Demokratieforderungen kommen. Wir werden eine Periode großen Wandels vor uns haben im mittleren und Nahen Osten. Das ist jedenfalls sehr wahrscheinlich und diesen Wandel mit zu gestalten, nicht in dem wir von oben herab unsere Werte aufoktroyieren, sondern in dem wir ein Angebot zur Partnerschaft und zum Dialog machen. Das sollte das Ziel dieser drei Gipfel sein und ich könnte mir sehr gut vorstellen - ich bin da übrigens auch mit dem Außenminister überhaupt nicht weit unterschiedlicher Auffassung -, dass das auch eine Chance bietet, dass Europäer und Amerikaner wieder gemeinsam in dieser Region auch positiv wirken und das, das was wir vorhin besprochen haben, dass auch die Werte für die wir stehen im Westen, Menschenrechte und Grundfreiheiten, dass die deutlicher werden gegenüber der arabischen Welt. Sie sind im Moment, in der Tat, oft schwer erkennbar.

    Detjen: Ihr Unmut über kritische und skeptische Nachfragen die ich eben gestellt habe, ist ja in unserem Gespräch deutlich geworden. Sehen Sie das als ein grundsätzliches Problem einer demokratischen Gesellschaft, einer Mediengesellschaft, dass sie möglicherweise den Mut zu schnell sinken lässt?

    Pflüger: Ich habe überhaupt keinen Unmut, nur wenn Sie kritische Fragen stellen, müssen Sie sich auch gefallen lassen, dass ich entsprechend antworte. Unmut habe ich überhaupt nicht. Ich glaube, dass wir den Mut manchmal nicht genügend haben und dass wir nicht genügend Kraft entfalten. Vor allen Dingen dürfen wir uns nicht spalten lassen, nicht. Wir haben Unterschiede mit Amerika, wir haben Unterschiede auch zwischen uns Europäern. Aber letztlich sind wir eine große Wertegemeinschaft und man muss diese Unterschiede austragen, ohne so zu sagen dem Osama Bin Laden oder dem Saddam Hussein das Gefühl zu geben, er kann einen Keil zwischen uns treiben und wir müssen diese große Herausforderung mit Terror, der ja auch bis nach Madrid inzwischen gereicht ist, den müssen wir gemeinsam angehen.

    Detjen: Die Frage eben bezog sich auf ein Buch, das Sie gerade veröffentlicht haben. Im Titel stellen Sie die Frage nach einem neuen Weltkrieg. Eine zentrale These von Ihnen ist, dass Europa dekadent und orientierungslos geworden sei. Europa so schreiben Sie, müsse wieder moralische Kraft entwickeln. Brauchen wir eine "geistig moralische Wende", um der islamitischen Herausforderung begegnen zu können?

    Pflüger: Also, ich sage Ihnen nur ein Beispiel. Ich habe in Kairo gezapt im Hotel, durch die Fernsehsender die aus Europa und auch aus Amerika kommen und die gleichen Fernsehsender haben die Leute in den Slums von Kairo auch. Die haben auch ihre Satellitenschüsseln und was dort kommt aus Europa, ist nicht gerade sehr überzeugend. Also wenn ich konservativer muslimischer Familienvater wäre, möchte ich nicht, dass meine Kinder das alles sehen und ich glaube eben, dass wir in Europa und Amerika wieder mehr dafür stehen müssen, dass es demokratische Werte und Freiheiten gibt und die sind durch die Ereignisse der letzten Wochen leider ziemlich verdeckt worden. Die müssen wir wieder stärker zum strahlen bringen und dann darf man sich nicht wegducken, sondern muss sich dieser Herausforderung stellen und die Herausforderung durch den global agierenden Al-Kaida Terrorismus ist immens. Der hat jetzt gerade ein Kopfgeld für den Tod von Kofi Annan ausgesetzt, Osama Bin Laden. Er hat der ganzen Zivilisation, westlichen Zivilisation, den Krieg erklärt und da müssen wir - finde ich - zusammen stehen und dazu brauchen wir auch, bei aller Kritik, unsere amerikanischen Freunde.

    Detjen: Herr Dr. Pflüger vielen Dank für dieses Gespräch