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Phänomen Stau

Die staufreie Verkehrsführung ist immer noch Zukunftsmusik. Computer, Satellitentechnik und hochtechnischer Netzwerke zum Trotz scheinen die Erfolge der Telematik sehr begrenzt.

Von Mirko Smiljanic |
    Immer staut sich der Verkehr auf der A1 an einem ganz normalen Freitagnachmittag, und so sollte es im Idealfall sein: ziemlich voll, aber doch flüssig. Für Hinrich Weiss von der Landesinitiative Telematik in Niedersachsen steht dieser Zustand unmittelbar bevor:

    "Begründete Vermutungen sprechen schon dafür, dass man mit intelligenten Verkehrsmanagementsystemen, die heute in der Telematik aufgrund der technischen Innovationen möglich sind, Verkehr intelligenter lenken kann, wodurch bestimmte Fahrten flüssiger funktionieren können und dadurch natürlich Staus umgangen werden können. Und das spricht zweifellos dafür, dass hier ein ökologischer Mehrwert gewonnen wird."

    Zu den "begründeten Vermutungen" zählt er eine leistungsfähige Technik, die mittlerweile so preiswert ist, dass sie in fast jedes Auto eingebaut werden kann. Verkehrs- und Straßenzustandsberichte lassen sich binnen weniger Sekunden per Satellit auf jedem Navigationssystem sichtbar machen inklusive der empfohlenen Umleitungen. Das schafft flüssigen Verkehr, der letztlich zu mehr befahrbarer Straße führt. Vorsicht, werfen hier Kritiker ein: Mehr Straße schafft mehr Verkehr.

    "Das ist schon richtig, die Gefahr besteht natürlich zweifellos. Wir denken aber, dass ein gewisser Sättigungsgrad beim Individualverkehr erreicht ist und durch die demografische Entwicklung zukünftig auch nicht zunehmen wird."

    Die Bevölkerungszahlen sinken, während gleichzeitig das Durchschnittsalter steigt. Folge: Die Zahl privater Pkw nimmt ab. Moderne Navigationssysteme könnten in diesem stagnierenden Markt tatsächlich eine Entlastung bewirken, wenn es nicht den Lkw-Verkehr gäbe. Der steigt rasant, immer mehr Waren werden über Autobahnen transportiert. Hier hofft Norbert Handke von der Landesinitiative Telematik in Niedersachsen auf technische Lösungen:

    "Das heißt ein Fahrzeug der, ich nenne jetzt mal keine Namen, ein gelbes Fahrzeug, das auf der einen Seite Pakete bringen kann, könnte doch gleich Koffer mit einchecken, wenn einer irgendwo hinfliegen will oder ähnliche Sachen. Da gibt es sehr viele Kombinationsmöglichkeiten, um das effektiver zu tun, und da hängen wir natürlich dran. Die Grenze ist da, wo es um die Politik und um die Wirtschaft geht, das heißt, wie viel Güterverkehr will ich haben in Europa? Das ist eine politische Vorgabe, nach der wir uns natürlich wieder richten müssen."

    Leider nur ist weder die Politik in dieser Frage eindeutig, noch steht ausgereifte Technik zur Verfügung. Eine Verkehrslogistik, die alle Teilnehmer erfasst, nicht nur die einer bestimmten Flotte, gibt es nicht. Ob Telematik die Umwelt entlastet, entscheidet sich aber genau hier. Ein vollbeladener Lkw belastet etwa eine Straße genauso wie 10.000 Pkw. Gelöst werden muss aber noch ein anderes Problem: In den letzten 15 Jahren haben sich mehrere staatliche und private Verkehrsmanagementsysteme entwickelt:

    "Wir müssen jetzt darauf achten, dass es nicht auseinanderläuft, sondern sehen, dass wir ein Systemoptimum erreichen, sonst kommen wir irgendwann dahin, dass Leute an einen Autobahnknotenpunkt stehen und die Tafeln, so intelligent sie sind, sagen rechts, und das Navigationssystem sagt links. Und dann haben ich wirklich ein Problem, denn dann kann ich den Menschen auf der Straße nicht optimal führen, und ich kann das Verkehrssystem nicht optimal führen."

    Das wäre nicht nur schlecht für die Umwelt, das wäre auch schlecht für den Fahrer.