Archiv


"Phantasticus"

Giuseppe Tartini: u.a. "Sonata del Diavolo", "Teufelstriller"-Sonate und Auszüge aus "L'arte del arco" Solist: Andrew Manze picture: dot.gif label: Harmonia Mundi France Labelcode: LC 7045 Bestellnr.: CD HMU 907213

Norbert Hornig |
    Am Mikrophon begrüßt Sie Norbert Hornig. Aus dem Bereich Alte Musik, verehrte Hörerinnen und Hörer, möchte ich Ihnen heute zwei Neuaufnahmen mit dem englischen Barockgeiger Andrew Manze vorstellen: * Musikbeispiel: Pandolfi: Sonata "La Monella Romanesca" op.IV Nr.3 "Der Stylus phantasticus ist die Kompositionsmethode mit der größten Freiheit, schöpferisches Talent zu entfalten, frei von Beschränkungen durch Text oder festgelegte Harmonien. Musikalische Formen dieser Gattung sind Phantasien, Ricercaren, Toccaten und Sonaten." - so schrieb der deutsche Gelehrte Athanasius Kircher in seiner umfassenden Abhandlung über Musik, die im Jahre 1650 in Rom erschien. Das Ensemble "Romanesca" mit Andrew Manze, Violine, Nigel North, Theorbe und John Toll, Cembalo, machte sich Kirchers Musikbegriff zu eigen und ließ sich zu einer CD-Produktion inspirieren, die unter dem Titel "Phantasticus" Violinsonaten von neun weniger bekannten Komponisten des 17. Jahrhunderts zusammenfaßt. Zu Beginn hörten Sie die ersten Takte aus der Sonata "La Monella Romanesca" op.IV Nr.3 von Giovanni Antonio Pandolfi.

    Neben Pandolfi erscheinen Komponisten-Namen wie Giovanni Paolo Cima, Dario Castello, Giovanni Battista Fontana oder Nicol Corradini. Diese bei Harmonia mundi France erschienene CD führt auf eindrucksvolle Weise die Kreativität und stilistische Bandbreite vor Augen, mit der im Italien des 17. Jahrhunderts fürdie Violine komponiert wurde. Von besonderem historischen Interesse sind dabei die Sonaten des Mailänder Komponisten Giovanni Paolo Cima, dem die Musikwissenschaft die ersten Werke aus der Gattung der Violinsonate zuschreibt. * Musikbeispiel: G.P. Cima, Sonata per il Violino "Sonata per il Violino" aus den "Concerti ecclesiastici" von Giovanni Paolo Cima in einer Interpretation mit dem Ensemble Romanesca. Das 1988 vom Lautenisten Nigel North gegründete Ensemble "Romanesca" musiziert auf höchstem Niveau. Über handwerkliche Perfektion verfügen alle drei Interpreten gleichermaßen. Bestechend ist die Klarheit der Artikulation und die Präzision des Zusammenspiels. Manze, North und Toll schöpfen die Ausdruckspalette ihrer Instrumente bis an die Grenze des Machbaren aus. Ihr Musizieren bewegt sich in einer Sphäre gestalterischer Freiheit, die der Improvisation sehr nahe kommt. * Musikbeispiel: D.Castello, Sonata II Die Sonate Nr.2 aus dem zweiten Band der "Sonaten im modernen Stil" von Dario Castello. Es musizierte das Ensemble Romanesca mit Andrew Manze, Violine, Nigel North, Theorbe und John Toll, Cembalo.

    Fast gleichzeitig mit dieser Aufnahme spielte Andrew Manze bei Harmonia mundi France eine CD ein, die ausschließlich Kompositionen von Giuseppe Tartini gewidmet ist. Die Werkzusammenstellung enthält unter anderem die berühmte "Sonata del Diavolo", die sogenannte "Teufelstriller"-Sonate und Auszüge aus "L'arte del arco", einem Variationszyklus über ein Thema von Corelli, in dem Tartini die Essenz seiner Bogentechnik niederlegte.

    Obwohl als Geiger Autodidakt, entwickelte sich Tartini zu einer Schlüsselfigur in der Geschichte des Violinspiels. Veracini und Geminiani waren seine frühen geigerischen Vorbilder. Ihr Spiel beeindruckte den jungen Tartini besonders. Es veranlaßte ihn, sein Instrument noch intensiver zu studieren. Tartini entwickelte eine Violintechnik, die im 18. Jahrhundert neue Maßstäbe setzte. In dieser Hinsicht nimmt die "Teufelstriller"-Sonate eine Sonderstellung ein. Die Betitelung bezieht sich auf den gefürchteten Triller im letzten Satz, der diffizile Fingerstreckungen und Lagenwechsel verlangt. Aber auch der erste und zweite Satz stellen hohe violintechnische Anforderungen. Andrew Manze, der ein wenig klischeehaft des öfteren als "Paganini der Barockvioline" bezeichnet wird, bewältigt diese Schwierigkeiten mit leichter Hand. Manze gehört ohne Zweifel zu den kreativsten und ausdruckstärksten Geigern der Alten Musikszene. Der 1965 in der englischen Grafschaft Kent geborene Künstler studierte Barockvioline an der Royal Academy of Music in London bei Simon Standage, anschließend am Königlichen Konservatorium in Den Haag. Lange war Manze Konzertmeister des Amsterdam Baroque Orchestra unter Ton Koopman. Seit 1996 ist er stellvertretender Leiter und Konzertmeister der Academie of Ancient Music. Als Kammermusiker im Ensemble Romanesca setzt sich der Geiger besonders für die Musik des 17. Jahrhunderts ein. Manzes Spiel zeichnet sich durch ein hohes Maß an Risikobereitschaft aus, die zuweilen auch exzentrische Züge annehmen kann. Bewußt strebt er danach, mehr improvisatorische Elemente in die Aufführungspraxis barocker Musik einzubringen. Manzes Fähigkeit, den Einzelton zu schattieren, sowie der sprechende Gestus und die Lebendigkeit seines Spiels lassen auch seine neue Tartini-Einspielung zum Erlebnis werden.

    Die Entscheidung, Tartinis Werke ohne Begleitung aufzunehmen, legitimiert Manze mit einem Brief des Komponisten von 1750, in dem es heißt: "Meine kleinen Sonaten haben um der Konvention willen eine Baßstimme. Ich selber spiele sie ohne Baß. Das entspricht meiner eigentlichen Absicht". * Musikbeispiel: G.Tartini, "La Sonata del Diavolo" 3.Satz Die Neue Platte. In unserer heutigen Sendung stellten wir Ihnen zwei Neuaufnahmen mit dem Barockgeiger Andrew Manze vor, die auf dem Label Harmonia Mundi France erschienen sind. Zum Schluß hörten Sie den dritten Satz aus "La Sonata del Diavolo", der berühmten Teufelstriller-Sonate von Giuseppe Tartini.

    Noch einen angenehmen Sonntag wünscht Ihnen Norbert Hornig.