
Vor allem drei Medikamente lassen sich nach Angaben der Produzenten nicht mehr wirtschaftlich produzieren, wenn die EU-Regeln greifen: das Antibiotikum Amoxicillin, der zur Behandlung von Diabetes eingesetzte Wirkstoff Metformin und das Brustkrebsmedikament Tamoxifen. Im Falle von Metformin hat der Hersteller nach Angaben des Verbands Pro Generika bereits angekündigt, er werde das patentfreie Produkt früher oder später vom Markt nehmen, wenn KARL in der bisherigen Form in nationales Recht umgesetzt werde - für diese Umsetzung haben die EU-Staaten 30 Monate Zeit.
"Lieferengpässe bei Arzneimitteln gibt es seit Jahren, die haben vielfältige Gründe", erläutert Deutschlandfunk-Redakteurin Birgid Becker. Wenn nun gerade wichtige Arzneimittel ins Feld geführt würden gegen die Kostenübernahme für eine zusätzliche Reinigung des Wassers, so stehe "natürlich auch ein lobbyistisches Interesse" dahinter.
Vierte Abwasserreinigungsstufe
Im Zentrum der KARL steht eine vierte Abwasserreinigungsstufe. Ziel ist es, Abwässer auch von Mikroschadstoffen zu befreien, die unter anderem aus Medikamenten stammen. Nach dem Verursacherprinzip sollen für die dadurch anfallenden Kosten - etwa zur Umrüstung von Klärwerken - zu mindestens 80 Prozent die Pharma- und Kosmetikhersteller aufkommen. Hiergegen wehrt sich die Branche vor Gericht.
BDEW: Betriebe hatten "Lizenz zur Verschmutzung"
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sieht indes die Pharma- und Kosmetikhersteller in der Pflicht. Martin Weyand, Mitglied der BDEW-Hauptgeschäftsführung, sagte im Deutschlandfunk, die Industrie müsse sich am Ausbau der Kläranlagen beteiligen. Die Betriebe hätten "eine Lizenz zur Verschmutzung", ohne sich bisher an den Umweltkosten zu beteiligen. Bliebe es dabei, müssten die Bürger das Geld aufbringen. Zudem hätten die Hersteller keinen Anreiz, ihre Verfahren unter ökologischen Gesichtspunkten zu optimieren.
Wie hoch die Summe ist, die infolge der KARL zusätzlich anfällt, ist ebenfalls umstritten. Für den Zeitraum bis 2045 rechnet die Wasserwirtschaft mit neun Milliarden Euro, während die Pharma- und Kosmetikbranche mit 60 Milliarden Euro kalkuliert. Sechzehn Arzneimittelhersteller und -verbände haben mittlerweile vor dem Gericht der Europäischen Union Klage gegen die Richtlinie erhoben. Der BDEW und der Verband kommunaler Unternehmer haben wiederum beantragt, dort als sogenannte Streithelfer zugelassen zu werden: Sie wollen das Europäische Parlament und den Rat der EU unterstützen und sich für die KARL starkmachen.
Diese Nachricht wurde am 15.07.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.