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Philosophie im Kino

Wenn es ein Philosoph ins Kino schaffen will, dann muss er Charisma haben und beeindruckend nicht nur im Denken sein. Slavoj Zizek hat das, ist das, und ihn als Älteren Wilden seines Faches zu bezeichnen wäre auch nicht wirklich falsch. Er vermag es, die philosophische Welle zu reiten. Ein Dokumentarfilm der jungen kanadischen Regisseurin Asta Taylor heißt "Zizek!", er kommt jetzt in die Kinos.

Von Rüdiger Suchsland |
    Slavoj Zizek ist einer der schillerndsten Denker der Gegenwart. Ein akademischer Rock-Star. Für manche gar "der Elvis Presley der zeitgenössischen Kulturtheorie."

    Der 1949 geborene slowenische Philosoph schreibt - meistens für den Frankfurter Suhrkamp Verlag - Bücher mit so griffig-poetischen Titeln wie "Metastasen des Genießens", "Grimassen des Realen" oder "Die Tücke des Subjekts"; sie handeln von so verschiedenen Dingen, wie dem Christentum und der Oper, der Psychoanalyse und von der Liebe. Nicht selten ist auch das Kino sein Gegenstand. So schrieb Zizek Bücher über den polnischen Autorenfilmer Krysztof Kieslowski und über Alfred Hitchcock.

    Es muss Slavoj Zizek eine mehr als klammheimliche Freude sein, dass nun - ganz seiner Theorie gemäß der paradoxen Struktur des Lebens - das Kino zurückschlägt.

    "Zizek!", mit Ausrufezeichen, heißt der Dokumentarfilm der jungen Kanadierin Asta Taylor, der heute in den deutschen Kinos anläuft - ein Indiz auch für die derzeitige Bedeutung Zizek, denn nur den wenigsten zeitgenössischen Philosophen wird ein eigener Dokumentarfilm gewidmet.
    In Taylors Film sieht und hört man Zizek beim Denken zu, und erlebt einen atemlosen Kulturkritiker auf der Überholspur:

    "Ist Liebe nicht eine Art kosmisches Ungleichgewicht? Ich war immer angewidert von Sätzen wie 'Ich liebe die Welt'. Ich liebe die Welt nicht. ...
    Die ganze Realität da draußen ist blöde, sie kümmert mich gar nicht. Liebe ist für mich etwas extrem Gewalttätiges. Liebebedeutet nicht 'Ich liebe Dich einfach so', nein: sie bedeutet, dass ich etwas herausgreife und sage: 'Ich liebe Dich mehr als alles mögliche andere'. Liebe stellt ein Ungleichgewicht her. In diesem ganz formalen Sinn ist Liebe böse."

    Zizek sieht keineswegs aus, wie ein braver deutscher Professor, und er ist - allerdings nur auf den ersten Blick - auch ein außerordentlich untypischer Filmstar: Ohne Brille, nie im Anzug, dafür mit ungepflegt wucherndem Vollbart, ungebügeltem Hemd, ständig schwitzend, leicht unkoordiniert und übererregt mit den Händen fuchtelnd entfaltet er aber schnell ein erstaunliches Charisma. Und es ist dieser sinnliche Eindruck dieses Denkens, der auch im Film Eindruck macht. Zizek wirkt wie ein genialer Autist, dabei ist er sich ständig seiner Wirkung bewusst:

    "Das Schlimmste ist, wenn Intellektuelle anfangen dieses Gutmenschen-Spiel zu spielen. 'ich bin zwar der kühle Denker, aber tief im Herzen bin ich eigentlich wie ihr.' Nein, ich bin nicht human. Ich bin ein Monster."

    Taylors Film zeigt Zizek privat wie öffentlich, als Vortragsredner und Vater seines Sohnes, vor allem als um die Welt reisenden "Jetset-Philosophen". Man begegnet dem Menschen Zizek, aber auch dem skeptischen, antiautoritären Denker, der sich oft lustig macht über seine Philosophenkollegen, indem er deren Ideen zu absurden Konsequenzen treibt:

    "Judith Butlar würde nie einfach sagen: Das ist ein Glas Tee. Sondern sie würde sagen: wenn wir die Vermutung akzeptieren würden, dass Worte Objekte klar definieren können, dann könnten wir die Hypothese wagen, dass man unter den Bedingungen unseres Sprachspiels unter Umständen formulieren könnte: Das ist ein Glas Tee."

    Taylors Film ist ein sehr unterhaltsames und intellektuell anregendes Unternehmen - Weil Zizek unaufhörlich redet, bekommt man auch einen guten Eindruck über den Alltag und die Atmosphäre dieses Denkens.

    "Wir sind heute besessen von kosmischen Katastrophen, von einer Pandemie oder von Asteroiden-Einschlägen. Paradoxerweise ist es viel einfacher, sich das Ende allen Lebens vorzustellen, als die letztlich viel bescheidenere Idee einer radikalen Veränderung des Kapitalismus. Das heißt nichts anderes, als dass die Zeit reif ist für eine neue Utopie."