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Philosophie und Kabarett
"Vertrauen ist die Basis des Zusammenlebens"

Mit dem Vertrauen in Institutionen ist es nicht weit her in unserer Gesellschaft. Dazu kommt die Angst vor Terrorismus und Einwanderung. Doch Vertrauen ist ein wichtiger Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Kabarettist Bruno Jonas und Philosophie-Professor Josef Früchtl suchten jüngst in der Katholischen Akademie Bayern nach dem verloren gegangenen Vertrauen.

Von Burkhard Schäfers | 14.06.2016
    Der Kabarettist Bruno Jonas posiert vor der Aufzeichnung der Satiresendung "Die Klugscheißer" am 22.05.2013 in einem Studio des Bayerischen Rundfunks (BR) in Unterföhring bei München (Bayern). Die Sendung wird am 23.05.2013 um 22:45 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
    Der Kabarettist Bruno Jonas (dpa/ Lukas Barth)
    Bruno Jonas: "Ich glaub ich bin ein großer Skeptiker. Ich wart' eher ab und bin eher misstrauisch. Ich glaub auch das Misstrauen ist - zumindest wenn man es auf die Politik bezieht - zunächst die bessere Basis als Vertrauen."
    Der Kabarettist Bruno Jonas arbeitet sich gern an hintersinnigen Themen ab. So auch an dem Umstand, dass es einem überall entgegen tönt: 'Vertrau uns, wir haben die Lösung, wir wissen was gut und richtig ist.'
    "Ob's jetzt die Politiker sind, die ständig Vertrauen einfordern für ihre Politik. Ob's Europa als Idee ist, der wir vertrauen sollen. Ob's der große Gedanke der Solidarität ist, gerade im Hinblick auf die Flüchtlinge. Und Frau Merkel sagt: 'Wir schaffen das'. Auch das ist ein Satz, der nichts anderes einfordert wie Vertrauen in die Politik und in uns, die wir dann dieses 'Wir schaffen das schon' zu leisten haben."
    Vertrauen wird verlangt im Großen und beginnt im Kleinen, in der Begegnung zweier Menschen. Über das Wechselspiel von Vertrauen und Liebe sprach Bruno Jonas jüngst in der Katholischen Akademie Bayern mit dem Philosophen Josef Früchtl.
    Jonas: "Ich muss mich notfalls, wenn ich verliebt bin, blind einlassen auf den anderen. Wenn ich's nicht tue, bleibe ich noch weiter draußen, als ich's ohnehin schon bin."
    Früchtl: "Ja."
    Jonas: "Ich muss mich in dieses Gefühl vertrauensvoll begeben, um überhaupt das erleben zu können."
    Früchtl: "Vertrauensvoll heißt aber immer, du wirst nie den Zweifel los, dass du dich irren könntest, dass du enttäuscht werden könntest."
    Manche der Enttäuschten wenden sich nach innen, werden chronisch misstrauisch. Gleich ob ihre Erfahrungen aus einer intimen Zweierbeziehung herrühren - oder aus größeren Kontexten wie Politik und Wirtschaft. In einer zunehmend unübersichtlichen Welt vertrauen sie nur noch sich selbst. Dieser Maxime allerdings widersprechen etliche Philosophen der vergangenen 200 Jahre - Denker wie Kant, Wittgenstein oder Heidegger, sagt Josef Früchtl. Ihr Modell ist vielmehr ein Verhältnis zum Anderen, das den Blick nach innen und nach außen richtet, erläutert der Professor für Philosophie der Kunst und Kultur an der Universität Amsterdam:
    "Das ganze 20. Jahrhundert ist ein einziges Plädoyer für eine geteilte Perspektive auf die Welt. Die Ich-Perspektive auf die Welt war über einige Jahrhunderte recht fruchtbar. Aber sie führt dann doch letztlich in eine Sackgasse."
    Es sei unmöglich, in einer Gesellschaft zu leben, die prinzipiell auf Misstrauen setzt.
    "Diese Gruppe würde zerfallen in einen atomistischen Haufen von egozentrischen, sich selbst verteidigende, also andere tötende Personen. Zusammenleben heißt Regeln zu finden, die uns dieses Zusammenleben organisieren lassen. Und die Basisregel dieses Zusammenlebens heißt Vertrauen."
    Worauf aber lässt sich Vertrauen aufbauen? Erstens mit Hilfe von Gesetzen, die der Staat durchsetzt. Zweitens durch alltägliches Handeln und Interagieren, sagt Josef Früchtl. Ein wichtiges Fundament sei die Erziehung, die Prägung von frühester Kindheit an.
    "Wir kommen auf die Welt und sind vollkommen hilflose, kleine Lebewesen. Jetzt werden wir hineingeschleust in diesen Kontext, in dem wir Regeln erlernen, in dem wir mündige Personen werden sollen. Und wie werden wir das? Indem wir Vertrauen aufbauen in die uns umgebenden Personen, und später höherstufig in die Institutionen, mit denen wir zu tun haben. In die Lebensform, in die wir eingebettet sind."
    Je größer und heterogener der Kontext, je unbekannter das Terrain, desto schwieriger tun sich viele damit zu vertrauen - und zwar auf unterschiedlichen Feldern: So entstammt die Kritik an der Globalisierung häufig einer diffusen Unsicherheit. Andere wollen nicht mit Fremden konfrontiert werden oder lehnen Formen des Zusammenlebens ab, die von der verbreiteten Norm abweichen.
    Hilft es also, Grenzen zu ziehen und sich ins vermeintlich sichere Umfeld zurückzuziehen?
    Nein, sagt der Philosoph, das sei ein Trugschluss. Vertrauensmissbrauch gibt es sowohl unter Fremden als auch unter Bekannten. Josef Früchtl:
    "Wenn wieder einmal ein schauerliches Verbrechen passiert, dann hat man die berühmte Situation, dass die Reporter die Nachbarn fragen, die erstaunt sind und sagen: 'Er war doch immer so ein netter Mann, er hat uns immer gegrüßt, und jetzt hat er zehn Menschen umgebracht, das ist doch unfassbar.' Vertrauen ist ebenso fundamental wie unsicher. Das gilt für die eigene Gruppe genauso wie für eine Gruppe von Menschen, die ich nicht kenne."
    Vertrauen als Kitt für die Gesellschaft - bei aller Ernsthaftigkeit der philosophisch-kabarettistischen Debatte: Bruno Jonas spielt durchaus mit dem Vertrauen seines Publikums. Als versierter Gesellschaftskritiker genießt er einen Vertrauensvorschuss. Den der Kabarettist, wie es sich gehört, vergnüglich ausnutzt:
    "Das Publikum kann sich bei mir immer drauf verlassen, dass ich manches sage, was ich anders meine. Politiker sagen oft was und sagen hinterher, ich hab's anders gemeint. Ich sag vorher: 'Leute, ich meins anders.'"