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Phobie gegen deutsche Professoren

Die Universität Zürich sucht für das Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung einen neuen Professor. In die engere Auswahl nahm die Berufungskommission nur deutsche Bewerber. Das führte zu Protesten und Anfeindungen in den Medien und in Teilen der Öffentlichkeit.

Von Thomas Wagner | 25.03.2013
    "Ich finde das in einer gewissen Weise gerechtfertigt. Denn: Wir sind an einer Schweizer Universität. Und da ist es sehr wichtig, dass sie sehr viel wissen über die Schweizer Verhältnisse in den Medien. Und wenn das Wissen nicht vorhanden ist, könnte es in diesem Fall ein Problem werden."

    Flavia Hug, Wirtschaftsstudentin an der Uni Zürich, spricht einen Fall an, der derzeit für Schlagzeilen sorgt:

    "Die Universität Zürich sistiert ein Berufungsverfahren wegen eines Artikels im Tagesanzeiger. Der hat unter anderem kritisiert, dass es nur deutsche Kandidaten in die engere Auswahl geschafft hätten."

    Was die Moderatorin im Schweizer Radio verkündet, sorgt bei Lehrenden und Studierenden der Universität Zürich für kontroverse Diskussionen: Bei der geplanten Neubesetzung des Lehrstuhls für Publizistik fanden sich in der Endrunde nur deutsche Bewerber wieder. Das aber gehe gar nicht, befand der mächtige "Züricher Anzeiger" in einem Beitrag. Denn bei dem Lehrstuhl soll es um die Erforschung der Schweizer Medienlandschaft gehen. Und dafür sei ein Schweizer Wissenschaftler allemal besser geeignet als ein deutscher.

    Die Uni Zürich hat nach dieser Kritik das Berufungsverfahren gestoppt. Wie es weitergehen soll, ist unklar; die Universitätsleistung hüllt sich mit Verweis auf das laufende Verfahren in Schweigen. Im Raum steht aber die Frage: Lehren tatsächlich zu viele deutsche Professoren an Schweizer Hochschulen? An der Uni Zürich kommt nur noch jeder zweite Professor aus der Schweiz. Immerhin 36 Prozent aller Lehrstühle sind von Deutschen besetzt. Für die Studierenden der Uni Zürich ist das nichts Ungewöhnliches.
    "Es ist schon auffällig, dass es viele deutsche Professoren hat. Aber als Student stört es mich eigentlich nicht."

    "Sie finden einfach keine Schweizer Professoren. Und deswegen nehmen sie einfach die deutschen. Und die sind auch gut qualifiziert."

    Genau das ist das Problem: Woher Schweizer Professoren nehmen, wenn keine da sind?, fragt der Kunsthistoriker Professor Tristan Weddigen von der Uni Zürich:

    "Es gibt eine gewisse Kultur, die so ist, dass bei uns die Wissenschaften nicht den Stand haben wie in Deutschland oder in anderen Ländern. Und die Wirtschaftslage ist so gut, dass man sich nicht selbst an der Uni parkt."

    Viele Schweizer Akademiker, so Weddigen, nehmen lieber gut bezahlte Jobs in der Wirtschaft an, als sich für deutlich niedrigeres Salär an den Schweizer Hochschulen abzumühen. Das bestätigt auch Professor Antonio Loprieno, Rektor der Universität Basel und Vorsitzender der Schweizer Rektorenkonferenz. Er führt aber noch einen weiteren Grund für den hohen deutschen Professorenanteil an den schweizerischen Hochschulen an:

    "Das zweite Problem ist, dass das Forschungssystem der Schweiz, die Forschungsleistung der Schweiz größer ist, als das, was unser Land sich demografisch leisten kann. Das heißt: Wir sind auf den Import qualifizierter Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland angewiesen, um unser eigenes System und dessen Leistung auf Hochtouren zu halten."

    Und das betreffe auch Lehrstühle, die sich mit spezifisch schweizerischen Forschungsthemen auseinandersetzen: Das Schweizer Mediensystem, um das es im aktuellen Fall geht, gehört ebenso dazu wie beispielsweise Schweizer Literatur.

    Antonio Loprieno:

    "Zum einen muss man nicht unbedingt Fisch oder Vogel sein, um Biologie zu studieren und Biologe zu werden, um das einigermaßen von innen zu erleben. Also die Tatsache, dass es Schweizer Themen gibt, impliziert nicht automatisch, dass die Schweizer die Qualifiziertesten sind, um darüber zu befinden."

    So sah das auch die Berufungskommission der Universität Zürich - und entschied sich für ausschließlich deutsche Bewerber in der Endrunde. Doch dafür wurde sie von einigen Medien heftig kritisiert. Manche Kommissionsmitglieder sprechen sogar von Bedrohung. Deshalb, so die Uni Zürich in einer knappen Mitteilung, sei man um einen Verfahrensstopp nicht herumgekommen. Dort lassen die Verantwortlichen auch das Argument nicht gelten, dass deutsche Professoren häufig ihre eigenen wissenschaftlichen Mitarbeiter mitbrächten, wenn sie einem Ruf in die Schweiz folgen. Der wissenschaftliche Nachwuchs aus der Schweiz bleibe dabei auf der Strecke, heißt es da. Tristan Weddigen, Kunsthistoriker an der Uni Zürich, weißt diese Argumentation zurück:

    "Meine Erfahrung ist, dass es schwierig ist, Schweizer Nachwuchs zu finden. Und wir haben auch sehr viele Drittmittel-Projektstellen. Es gibt nicht einen Mangel an Stellen, nein."

    Wie es mit dem Berufungsverfahren am Züricher Institut für Publizistik weitergeht, ob mit oder ohne Schweizer Bewerber, ist derzeit offen. Wer immer auch zum Zuge kommen wird, eine Voraussetzung muss er selbst mitten in der Schweiz ausdrücklich nicht erfüllen: das Beherrschen von Schwyzerdütsch. Salomè Maier, Germanistikstudentin an der Uni Zürich:

    "Wir müssen ja sowieso Schriftdeutsch sprechen im Unterricht. Also das sollte kein Problem sein."