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Photoapparat für DNS-Bilder

Technik. - Der genetische Fingerabdruck ist inzwischen aus der Polizeiermittlung nicht mehr wegzudenken. Dennoch hat die Methode einen entscheidenden Nachteil ? sie erbringt nur dann Resultate, wenn auch genetische Proben von möglichen Verdächtigen existieren, die mit der Täter-DNS verglichen werden können. Weil aber in den Erbsträngen natürlich auch Informationen über das Aussehen eines Menschen vorliegen, kamen britische und US-amerikanische Forscher auf den Gedanken, dass sich daraus auch Phantombilder erstellen ließen.

    In den Genen und Chromosomen eines Menschen liegt auch sein Aussehen kodiert vor - und das könnte ja vielleicht auch ausgelesen und dargestellt werden. Die größten Fortschritte auf diesem Gebiet machten bislang die Mitarbeiter des britischen Forensic Science Service. So können die Forscher in den FSS-Labors in Birmingham anhand der DNS bereits Angaben zu Haar- und Hautfarbe einer Person machen. Den Anfang machte dabei die Haarfarbe rot, die aus einem defekten Gen mit hoher Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann. Dasselbe Gen ist unter anderem verknüpft mit Hautkrebs und wird daher in aller Welt intensiv erforscht. "Weil wir erkannten, dass das Gen möglicherweise auch die Hautfarbe bestimmt, untersuchten wir DNS-Proben von Testpersonen und stellten fest, dass es in zweifacher Ausfertigung vorhanden ist", berichtet Penny Noake, Leiterin einer Forschungsgruppe beim FSS. Aus diesen Ergebnissen habe man einen Standard-Test ableiten können, der die Haarfarbe rot relativ einfach bestimme.

    In der praktischen Ermittlung hilft schon ein solches Detail, um den Kreis der Verdächtigen einzuengen. Allerdings konnten die Forensik-Experten des FSS bislang noch keinen Nachweis für die Haarfarben blond oder schwarz entwickeln, da dafür gleich mehrere Gene kodieren. Genau dies ist das Hauptproblem der Wissenschaftler, denn eine Vielzahl von Faktoren auch des Aussehens wird durch Kombinationen verschiedener Gene bestimmt, die wiederum in unzähligen Variationen vorliegen können. Die Haarfarbe schwarz etwa kann nicht so leicht aus dem Erbgut ermittelt werden. Zwar ist die Haarfarbe rot auch nicht mit absoluter Sicherheit, wohl aber mit einer 84prozentigen Sicherheit bestimmbar. Ähnlich steht es bei der Identifizierung der Hautfarbe und der ethnischen Zugehörigkeit. So verwaltet der Forensic Science Service seit Mitte der 90er Jahre die britische Gendatenbank, in der DNS-Informationen von Tätern und Verdächtigen festgehalten werden. Dabei wird zu jeder Probe auch die ethnische Zugehörigkeit erhoben.

    "Wir unterteilten bei diesem Test die Datenbank in fünf verschiedene ethnische Gruppen ? von weiss/kaukasisch bis afro/karibisch. Anschließend untersuchten wir, wie oft sich bestimmte DNS-Strukturen bei diesen Gruppen wiederholen. Das hat sich als ziemlich sicheres Merkmal entpuppt", resümiert Andy Urquardt vom FSS. Erhalte man jetzt von der Polizei eine DNS-Probe, so könne daraus eine in Wahrscheinlichkeiten abgestufte Liste zu der möglichen ethnischen Zugehörigkeit eines Täters erstellt werden. Allerdings betreten die Wissenschaftler mit der Bestimmung der Hautfarbe ein heikles Terrain, das verdeutlicht, welches unberechenbare Potenzial die Genetik besitzt. Dennoch sehe man keine Gefahr eines Missbrauchs, meint Urquardt: "Diese Techniken lassen sich mit den Aussagen eines Augenzeugen vergleichen. So sagt vielleicht ein Zeuge, der Täter war ein Weißer, und wir sagen der Polizei, der Mann am Tatort war mit soundso hoher Wahrscheinlichkeit ein Weißer. Da ist kein Unterschied." Ob es aber jemals wirklich ein umfassendes und verlässliches Phantombild aus dem DNS-Strang geben wird, ist unklar, denn auch das Verhalten und die Umwelt eines Menschen prägt das Aussehen stark mit.

    [Quelle: Tobias Armbrüster]