Schädelknochen, Schenkelknochen oder Gebisse, mehrere tausend oder gar Millionen Jahre alt - die zu analysieren ist das Geschäft der Anthropologie, sagt Professor Reiner Protsch von Zieten. Stolz steht er vor einem Teil der rund 5000 Exponate, einer der größten anthropologischen Sammlungen in Europa. Das meiste selbst gesammelt und bezahlt, sagt der selbstbewusste Professor, zieht hier eine Schublade auf, greift dort ins Regal und hält plötzlich einen der Schädel in der Hand.
Das ist die Kelsterbacher Lady, hier in Kelsterbach gefunden, das Original ist 32.000 Jahre alt, der erste anatomisch moderne Mensch nach dem Neandertaler in Europa. Hier das Original, unwahrscheinlich wertvolle Sachen Zum Beispiel auch die neuesten Abgüsse des Heidelberger Unterkiefers, an dem wir zwei Jahre gearbeitet haben. Wir haben hier ungefähr 40 oder 50 Originale liegen. All diese Sachen bearbeiten und rekonstruieren wir.
Wie sah das Individuum vor Millionen von Jahren aus? Wie hat es gelebt, was hat es gegessen, welche Krankheiten musste es erdulden? Bei Ausgrabungen ist die Arbeit von Anthropologen sehr gefragt. Ein sehr praktischer Arbeitsbereich ist auch die Identifizierung von Personen anhand der Knochen, wenn die Mediziner nicht mehr weiterwissen. Viel zu tun, sagt Protsch von Zieten. Die Studenten rennen ihm die Bude ein, aber nur einen Teil davon kann er in seine Seminare aufnehmen. Nun ist der Lehrbetrieb in Gefahr, sagt er.
Uns wurde angekündigt - wir wurden nicht einmal gefragt und nicht dazugerufen -, dass in fünf Jahren mit meiner Emeritierung diese Professur in eine neue Professur umgewandelt wird. Dieses ganze Fach würde schlagartig nach fünf Jahren zum erliegen kommen.
Und erst kürzlich habe der Finanzausschuss den Etat für studentische Hilfskräfte nochmals stark reduziert, sodass der Lehrbetrieb schon im nächsten gefährdet sei, sagt der Anthropologe, der sich von seinen Kollegen im Fachbereich im Stich gelassen fühlt. Professor Protsch von Zieten habe sich vom Informationsfluss abgekoppelt, aus welchen Gründen auch immer, das sagt hingegen der Dekan des Fachbereichs Biologie und Informatik, Professor Bruno Streit.
Der Institutsetat ist konstant geblieben, genauso wie der der übrigen Institute am Fachbereich. An einer Stelle hat in der Haushaltsitzung, zu der der Kollege Protsch von Zieten als geschäftsführender Direktor eingeladen wurde ist, aber nicht kommen konnte, dort ist ins seinem Fall eine leichte Reduktion eingetreten für Hiwi-Mittel.
Der Anthropologe käme zu keiner Fachbereichsitzung mehr, sagt der Dekan Protsch von Zieten wiederum sagt, dort habe er sowieso keine Lobby und deshalb auch nichts mehr zu erwarten - Kleinkrieg. Auch diese internen Kommunikationsprobleme im Fachbereich, so scheint es, haben dazu geführt, dass man die Professur umwidmen will und stattdessen eine andere ausbauen möchte: eine paläontologische und anthropologische Gemeinschaftsprofessur mit dem Frankfurter Senckenbergmuseum, die schon jetzt besteht. Die Anthropologiestudenten sehen die ganze Sache etwas entspannter.
Ich sehe auch ein, dass die Mittel begrenzt sind, und da bleiben im Prinzip keine anderen Mittel als die Gelder zu streichen.
Gut, es läuft an der ganzen Uni schlecht. Gerade in dem Institut, wo es eine der größten Fragmentsammlungen überhaupt gibt, finde ich es schon wert, sie zu erhalten.
Melanie Lepschy ist wissenschaftliche Hilfskraft am Institut und will das langsame Ausbluten ihres Faches nicht hinnehmen:
Wie es aussieht, wird hier die Lehre existentiell gefährdet, wenn der Lehrbetrieb nicht aufrechterhalten werden kann, was jetzt schon nur mit Überstunden, die nicht bezahlt werden, gelingt. Wenn das noch weiter verschlimmert wird, dann geht das nicht weiter. Wir wollen das nicht kampflos hinnehmen.
Die Uni will umsteuern. Eine der letzten deutschen Professuren für physische Anthropologie könnte damit verloren gehen.
Autor: Riccardo Mastrocola
Das ist die Kelsterbacher Lady, hier in Kelsterbach gefunden, das Original ist 32.000 Jahre alt, der erste anatomisch moderne Mensch nach dem Neandertaler in Europa. Hier das Original, unwahrscheinlich wertvolle Sachen Zum Beispiel auch die neuesten Abgüsse des Heidelberger Unterkiefers, an dem wir zwei Jahre gearbeitet haben. Wir haben hier ungefähr 40 oder 50 Originale liegen. All diese Sachen bearbeiten und rekonstruieren wir.
Wie sah das Individuum vor Millionen von Jahren aus? Wie hat es gelebt, was hat es gegessen, welche Krankheiten musste es erdulden? Bei Ausgrabungen ist die Arbeit von Anthropologen sehr gefragt. Ein sehr praktischer Arbeitsbereich ist auch die Identifizierung von Personen anhand der Knochen, wenn die Mediziner nicht mehr weiterwissen. Viel zu tun, sagt Protsch von Zieten. Die Studenten rennen ihm die Bude ein, aber nur einen Teil davon kann er in seine Seminare aufnehmen. Nun ist der Lehrbetrieb in Gefahr, sagt er.
Uns wurde angekündigt - wir wurden nicht einmal gefragt und nicht dazugerufen -, dass in fünf Jahren mit meiner Emeritierung diese Professur in eine neue Professur umgewandelt wird. Dieses ganze Fach würde schlagartig nach fünf Jahren zum erliegen kommen.
Und erst kürzlich habe der Finanzausschuss den Etat für studentische Hilfskräfte nochmals stark reduziert, sodass der Lehrbetrieb schon im nächsten gefährdet sei, sagt der Anthropologe, der sich von seinen Kollegen im Fachbereich im Stich gelassen fühlt. Professor Protsch von Zieten habe sich vom Informationsfluss abgekoppelt, aus welchen Gründen auch immer, das sagt hingegen der Dekan des Fachbereichs Biologie und Informatik, Professor Bruno Streit.
Der Institutsetat ist konstant geblieben, genauso wie der der übrigen Institute am Fachbereich. An einer Stelle hat in der Haushaltsitzung, zu der der Kollege Protsch von Zieten als geschäftsführender Direktor eingeladen wurde ist, aber nicht kommen konnte, dort ist ins seinem Fall eine leichte Reduktion eingetreten für Hiwi-Mittel.
Der Anthropologe käme zu keiner Fachbereichsitzung mehr, sagt der Dekan Protsch von Zieten wiederum sagt, dort habe er sowieso keine Lobby und deshalb auch nichts mehr zu erwarten - Kleinkrieg. Auch diese internen Kommunikationsprobleme im Fachbereich, so scheint es, haben dazu geführt, dass man die Professur umwidmen will und stattdessen eine andere ausbauen möchte: eine paläontologische und anthropologische Gemeinschaftsprofessur mit dem Frankfurter Senckenbergmuseum, die schon jetzt besteht. Die Anthropologiestudenten sehen die ganze Sache etwas entspannter.
Ich sehe auch ein, dass die Mittel begrenzt sind, und da bleiben im Prinzip keine anderen Mittel als die Gelder zu streichen.
Gut, es läuft an der ganzen Uni schlecht. Gerade in dem Institut, wo es eine der größten Fragmentsammlungen überhaupt gibt, finde ich es schon wert, sie zu erhalten.
Melanie Lepschy ist wissenschaftliche Hilfskraft am Institut und will das langsame Ausbluten ihres Faches nicht hinnehmen:
Wie es aussieht, wird hier die Lehre existentiell gefährdet, wenn der Lehrbetrieb nicht aufrechterhalten werden kann, was jetzt schon nur mit Überstunden, die nicht bezahlt werden, gelingt. Wenn das noch weiter verschlimmert wird, dann geht das nicht weiter. Wir wollen das nicht kampflos hinnehmen.
Die Uni will umsteuern. Eine der letzten deutschen Professuren für physische Anthropologie könnte damit verloren gehen.
Autor: Riccardo Mastrocola