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Pille gegen Grippe

Medizin. - In jedem Herbst und Frühjahr füllen sich die Wartezimmer aufs Neue und der Taschentuch- und Medikamentenkonsum schnellt in die Höhe - eine neue Grippewelle zieht durch das Land. Doch das Virus ist nicht zu unterschätzen: So forderte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts eine Grippeepidemie weltweit Millionen Opfer. Weil das Virus seine äußere Gestalt schnell ändert, muss für jeden neuen Typus ein neuer Impfstoff erzeugt werden. Jetzt entdeckten deutsche Forscher eine neue Waffe im Kampf gegen den listigen Erreger.

    "Noch immer wird die Grippe als Erkrankung unterschätzt, doch jedes Jahr sterben Tausende an den Folgen der Virusinfektion", konstatiert Stephan Ludwig, Molekularbiologe an der Universität Würzburg. "Das Grippe-Virus ist so tückisch, weil es sich besonders schnell verändert. So schützt eine Impfung stets nur gegen einen bestimmten Virus-Subtyp, doch schon die nächste Virus-Mutante kann von den Antikörpern nicht mehr erkannt und bekämpft werden", erläutert der Wissenschaftler. Möglicherweise entdeckten Forscher der Universität Würzburg zusammen mit Kollegen aus Gießen, Tübingen und Berlin jetzt einen Weg, das Influenza-Virus schachmatt zu setzen, berichtet das Fachblatt "Nature Cell Biology".

    Das Forscherteam fand eine Möglichkeit, dem Erreger quasi das Wasser abzugraben, indem seine Vervielfältigung in den Zellen unterbunden wird. "Dazu suchten wir nach stets gleichen zellulären Strukturen, die das Virus verwendet, um sich zu vermehren", so Ludwig. Dabei stießen die Wissenschaftler auf einen Signalmechanismus der Zelle, den das Virus zu eigenen Transportzwecken missbraucht. Dabei werden Informationen zum Bau von Virusbausteinen aus dem Zellkern ausgeschleust. "Wenn wir diesen Transportweg abschneiden, können neue Viren nicht mehr von der Zelle produziert werden." Der Clou der Methode: Die Blockade beeinträchtigt nicht das normale "Tagesgeschäft" der Zellen.

    Noch handele es sich um rein akademische Grundlagen und man sei noch weit davon entfernt, konkrete Substanzen für die Blockade der zellinternen Virus-Logistik einzusetzen. Allerdings stehe mit diesem Ansatz erstmals ein Angriffspunkt zu Verfügung, der alle verschiedenen Grippe-Virus-Typen gleichzeitig erfasse. Jetzt obliege es der pharmazeutischen Industrie, spezifische Blocker-Substanzen zu entwickeln und zu erproben. Doch nach wie vor, so betont Ludwig, sei der Impfschutz gegen die Grippe eine effiziente und wichtige Vorbeugungsmaßnahme, denn sie verhindere schließlich, dass ein Virus überhaupt erst in Zellen hineingelange und dort seine Vermehrung einleite. Doch sei dies bereits geschehen, könnte die "Anti-Grippe-Pille" die Heftigkeit der Erkrankung vermutlich deutlich reduzieren.

    [Quellen: Judith Hartl]