Pieksen ist unangenehm, aber nach Operationen oder bei längerem Liegen unumgänglich – will man einer lebensbedrohlichen Thrombose vorbeugen.
Doch ließe sich nicht auch mit einer Tablette in die Blutgerinnung eingreifen: einfach zu handhaben und mit sofortiger Wirkung? Das fragte sich das Wuppertaler Forschungsteam von Bayer Schering um die Jahrtausendwende. Die Medizinerin Dagmar Kubitza:
"Ja, die Idee war: es hat in den letzten zig Jahren keine Neuigkeiten auf dem Gebiet gegeben und dann schaut man sich die Gerinnungskaskade mal an und überlegt sich, was könnte denn ein sinnvoller Ansatzpunkt für eine solche Entwicklung sein und da fiel natürlich der Faktor X ins Auge, weil er an dem Zusammenschluss von zwei gerinnungsaktivierenden Wegen liegt."
Faktor X ist ein Schlüsselenzym für die Blutgerinnung. Sobald er aktiviert ist, läuft die Maschinerie erst richtig an. Im Turbotempo löst das aktivierte Xa die verschiedenen Stufen der Gerinnselbildung aus. Im Umkehrschluss hieß das für die Wuppertaler Forscher:
"Wenn wir die Bildung von einem Faktor Xa verhindern, dann verhindern wir, dass nachfolgend 1000 Moleküle des nächsten Faktors Thrombin gebildet werden."
Damit war das Ziel klar, aber: wie lässt sich verhindern, dass Faktor X aktiviert wird? Das wurde vor neun Jahren zur zentrale Fragen im medizinisch-chemischen Labor von Dr. Alexander Straub.
"Damals haben wir 200.000 Verbindungen gehabt, die wurden in einem Hochdurchsatzscreening im einzelnen untersucht."
Relativ zügig schien auch eine vielversprechende chemische Substanz entdeckt – doch die erwies sich schnell als unbrauchbar.
"Unsere Enttäuschung war am Anfang sehr groß, als wir uns in einer Sackgasse befanden und eine Substanz gefunden hatten, die sehr gut war im Reagenzglas, aber für Patienten nie in Frage kam, dass er sie als Pille schlucken konnte. Dann mussten wir wirklich zurück auf Null und von neuem anfangen."
Also ging man noch einmal die Listen aus dem Screening durch und suchte nach Substanzen, die ebenfalls Wirkung gezeigt hatten, wenn auch eine schwächere, dafür aber die Chance bargen vom Magen-Darmtrakt gut aufgenommen zu werden.
"Da gehört natürlich viel Optimismus dazu, dann zu erwarten, dass man da besser werden könnte."
Doch den Chemikern um Alexander Straub gelang das schon nach kurzer Zeit. Durch chemische Veränderungen wurde der Wirkstoff potenter und funktionierte auch als Tablette. Rivaroxaban heißt der Wirkstoff - anderthalb Jahre nach der Idee war er fertig. Umfangreiche klinische Studien mit 12.000 Patienten folgten und seit einem Jahr ist das Medikament nun weltweit zugelassen: zunächst, um nach Operationen an Knie und Hüfte einer drohenden Venenthrombose vorzubeugen.
"Die Dosierung – das ist auch das Besondere an unserer Tablette – ist bei Männern, Frauen, schweren, leichten Menschen die gleiche."
Dadurch, dass diese Thromboseprophylaxe also nicht individuell dosiert werden muss, tauchen bei Patienten kaum Schwierigkeiten während der Behandlung auf. Das genau war beziehungsweise ist das Problem bei anderen Tabletten – die es ja auch schon seit Jahrzehnten zur Vorbeugung von Blutgerinnseln gibt. Sie aber werden vergleichsweise selten eingesetzt vor allem auch, weil es gut eine Woche dauert, bis sie zu wirken beginnen. Die Medizinerin Dagmar Kubitza vergleicht:
"Bei den alten Tabletten wird die komplette Fertigstellung und damit Funktionsfähigkeit von bestimmten Gerinnungsfaktoren in der Leber verhindert, so dass diese Gerinnungsfaktoren dann nicht effektiv sind. Und wir gehen nicht in den Bildungsprozess, sondern verhindern die Aktivierung des bereits gebildeten Enzyms."
Des Enzyms Faktor X eben. Das bietet den Vorteil, dass mit dem Wirkstoff Rivaroxaban die Blutgerinnung nur abgebremst aber nicht komplett verhindert wird.
"Wir haben eine Substanz gefunden, die damit überschießende Reaktionen in der Blutgerinnung verhindert, aber zum Beispiel nach Operationen eine normale Blutgerinnung noch erlaubt und das war uns wichtig."
Das Präparat ist für Patienten gut verträglich und zeigt selten Nebenwirkungen.
"Klar, bei einer Substanz, die in das Gerinnungssystem eingreift, muss man immer mit Blutungen rechnen, glücklicherweise haben wir da keine großen Sachen gesehen."
Wenn das Projekt der Wuppertaler Wissenschaftler jetzt für den Deutschen Zukunftspreis nominiert ist, so sicherlich auch deshalb, weil noch viel Musik für die Zukunft drin ist. Momentan werden an 65.000 Patienten weitere Anwendungsgebiete für die Tablette getestet: sie soll Schlaganfälle und Herzinfarkte bei Risikopatienten verhindern helfen und womöglich auch zur Behandlung einer akuten Thrombose eingesetzt werden.
Doch ließe sich nicht auch mit einer Tablette in die Blutgerinnung eingreifen: einfach zu handhaben und mit sofortiger Wirkung? Das fragte sich das Wuppertaler Forschungsteam von Bayer Schering um die Jahrtausendwende. Die Medizinerin Dagmar Kubitza:
"Ja, die Idee war: es hat in den letzten zig Jahren keine Neuigkeiten auf dem Gebiet gegeben und dann schaut man sich die Gerinnungskaskade mal an und überlegt sich, was könnte denn ein sinnvoller Ansatzpunkt für eine solche Entwicklung sein und da fiel natürlich der Faktor X ins Auge, weil er an dem Zusammenschluss von zwei gerinnungsaktivierenden Wegen liegt."
Faktor X ist ein Schlüsselenzym für die Blutgerinnung. Sobald er aktiviert ist, läuft die Maschinerie erst richtig an. Im Turbotempo löst das aktivierte Xa die verschiedenen Stufen der Gerinnselbildung aus. Im Umkehrschluss hieß das für die Wuppertaler Forscher:
"Wenn wir die Bildung von einem Faktor Xa verhindern, dann verhindern wir, dass nachfolgend 1000 Moleküle des nächsten Faktors Thrombin gebildet werden."
Damit war das Ziel klar, aber: wie lässt sich verhindern, dass Faktor X aktiviert wird? Das wurde vor neun Jahren zur zentrale Fragen im medizinisch-chemischen Labor von Dr. Alexander Straub.
"Damals haben wir 200.000 Verbindungen gehabt, die wurden in einem Hochdurchsatzscreening im einzelnen untersucht."
Relativ zügig schien auch eine vielversprechende chemische Substanz entdeckt – doch die erwies sich schnell als unbrauchbar.
"Unsere Enttäuschung war am Anfang sehr groß, als wir uns in einer Sackgasse befanden und eine Substanz gefunden hatten, die sehr gut war im Reagenzglas, aber für Patienten nie in Frage kam, dass er sie als Pille schlucken konnte. Dann mussten wir wirklich zurück auf Null und von neuem anfangen."
Also ging man noch einmal die Listen aus dem Screening durch und suchte nach Substanzen, die ebenfalls Wirkung gezeigt hatten, wenn auch eine schwächere, dafür aber die Chance bargen vom Magen-Darmtrakt gut aufgenommen zu werden.
"Da gehört natürlich viel Optimismus dazu, dann zu erwarten, dass man da besser werden könnte."
Doch den Chemikern um Alexander Straub gelang das schon nach kurzer Zeit. Durch chemische Veränderungen wurde der Wirkstoff potenter und funktionierte auch als Tablette. Rivaroxaban heißt der Wirkstoff - anderthalb Jahre nach der Idee war er fertig. Umfangreiche klinische Studien mit 12.000 Patienten folgten und seit einem Jahr ist das Medikament nun weltweit zugelassen: zunächst, um nach Operationen an Knie und Hüfte einer drohenden Venenthrombose vorzubeugen.
"Die Dosierung – das ist auch das Besondere an unserer Tablette – ist bei Männern, Frauen, schweren, leichten Menschen die gleiche."
Dadurch, dass diese Thromboseprophylaxe also nicht individuell dosiert werden muss, tauchen bei Patienten kaum Schwierigkeiten während der Behandlung auf. Das genau war beziehungsweise ist das Problem bei anderen Tabletten – die es ja auch schon seit Jahrzehnten zur Vorbeugung von Blutgerinnseln gibt. Sie aber werden vergleichsweise selten eingesetzt vor allem auch, weil es gut eine Woche dauert, bis sie zu wirken beginnen. Die Medizinerin Dagmar Kubitza vergleicht:
"Bei den alten Tabletten wird die komplette Fertigstellung und damit Funktionsfähigkeit von bestimmten Gerinnungsfaktoren in der Leber verhindert, so dass diese Gerinnungsfaktoren dann nicht effektiv sind. Und wir gehen nicht in den Bildungsprozess, sondern verhindern die Aktivierung des bereits gebildeten Enzyms."
Des Enzyms Faktor X eben. Das bietet den Vorteil, dass mit dem Wirkstoff Rivaroxaban die Blutgerinnung nur abgebremst aber nicht komplett verhindert wird.
"Wir haben eine Substanz gefunden, die damit überschießende Reaktionen in der Blutgerinnung verhindert, aber zum Beispiel nach Operationen eine normale Blutgerinnung noch erlaubt und das war uns wichtig."
Das Präparat ist für Patienten gut verträglich und zeigt selten Nebenwirkungen.
"Klar, bei einer Substanz, die in das Gerinnungssystem eingreift, muss man immer mit Blutungen rechnen, glücklicherweise haben wir da keine großen Sachen gesehen."
Wenn das Projekt der Wuppertaler Wissenschaftler jetzt für den Deutschen Zukunftspreis nominiert ist, so sicherlich auch deshalb, weil noch viel Musik für die Zukunft drin ist. Momentan werden an 65.000 Patienten weitere Anwendungsgebiete für die Tablette getestet: sie soll Schlaganfälle und Herzinfarkte bei Risikopatienten verhindern helfen und womöglich auch zur Behandlung einer akuten Thrombose eingesetzt werden.