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Pilotprojekt an der Uni Potsdam
Geflüchtete Lehrer sollen wieder Lehrer werden

Unter den Flüchtlingen in Deutschland sind auch viele Lehrer, die in ihrer Heimat schon unterrichtet haben - und in vielen Regionen in Deutschland gibt es Lehrermangel. Die Universität Potsdam bietet jetzt Kurse an, damit die geflüchteten Lehrer bald den Schulunterricht leiten können.

Von Amelie Ernst | 12.09.2016
    Leiterin des ersten Intensivsprachkurses, Claudia Hubatsch, steht in einem Hörsaal der Uni Potsdam vor einer Tafel vor Schülern und hält ein Blatt Papier in der Hand.
    Qualifizierungsprogramm für geflüchtete Lehrer: Claudia Hubatsch ist Leiterin eines Intensivsprachkurses an der Uni Potsdam (dpa/picture alliance/Klaus-Dietmar Gabbert)
    Noch vier Tage bis zur Prüfung - Alaa, Abdulkader und die anderen im Deutschkurs von Claudia Hubatsch möchten noch möglichst viele Aufgaben lösen, damit auch ja nichts schiefgeht. Nervös?
    "Ja, weil es gibt viel Grammatik zu lernen, viel Unterricht - viel Lesen und Schreiben, viele neue Worte jeden Tag. Wir haben viel Angst."
    Dabei gehören Allaa Kassabi und Abdulkader Ajam zu den besten im Kurs - die B1-Prüfung scheint für sie durchaus machbar zu sein. Beide sind Anfang 20, beide kommen aus Aleppo und haben dort schon als Grundschullehrer gearbeitet beziehungsweise studiert. In Potsdam lernen sie nun seit einem halben Jahr intensiv Deutsch - auch nach dem Unterricht.
    "Ich versuche jeden Tag wenn ich Zeit habe, mit deutschen Leuten spazieren zu gehen oder mich zu treffen, versuche zu sprechen. Weil die Grammatik lernen wir theoretisch, aber wir brauchen Praxis. Praxis ist wichtig."
    Trotz der hohen Motivation: Eigentlich sollte Kursleiterin Claudia Hubatsch mit ihren zwanzig Schülern jetzt schon beim Level B2 angekommen sein. Doch das sei nicht zu machen.
    "Das war zu ambitioniert gedacht. Also in sechs Monaten eine Sprache zu lernen, das schafft halt keiner. Man muss das alles, was man gelernt hat, auch verarbeiten, in dieser kurzen Zeit."
    Kein Lehrer-Schnellkurs
    Sechs geflüchtete Lehrer haben den Kurs in den vergangenen Monaten wieder verlassen - auch wegen des hohen Lerntempos. Die anderen sollen in wenigen Wochen parallel zum Deutschkurs bereits ins Lehrerseminar wechseln, gemeinsam mit deutschen Studenten Pädagogikkurse besuchen und im November die ersten Praktika absolvieren. Trotzdem sei das alles kein Lehrer-Schnellkurs, sagt Andreas Musil, der Vizepräsident der Uni Potsdam:
    "Wir können nicht erwarten, dass wir in zwei, drei Semestern Leuten gleich so eine Lehramtsbefähigung vermitteln, für die andere Leute fünf Jahre brauchen. Das würde wahrscheinlich auch bei deutschen Studierenden, aber auch bei Eltern bestimmte Sorgen und auch Ärger auslösen. Deswegen wollen wir ganz klar sagen: Wir wollen die an der richtigen Stelle in die Schulen bringen, da wo sie am meisten ihren Kindern auch helfen können. Aber grundsätzlich bleibt es dabei, dass jeder, der bei uns Lehrer werden will, die üblichen Wege einhalten muss."
    Kein kurzfristiges Mittel gegen Lehrermangel
    Und dazu gehört in Deutschland nun mal - anders als in Syrien - ein zweites Fach, das man als Lehrer studiert haben muss. Das erste Fach wird zwar bei entsprechenden Nachweisen angerechnet, aber auch die pädagogischen Ansätze seien in Syrien andere als in Deutschland. Heißt: Zunächst werden die geflüchteten Lehrer wohl als Assistenzlehrer oder als Unterstützung in Klassen mit besonders vielen Flüchtlingskindern eingesetzt - wenn sie denn bleiben.
    "Wenn ich eine gute Arbeit habe, dann bleibe ich vielleicht hier in Deutschland. Aber wenn Syrien mich braucht, dann gehe ich sicher zurück nach Syrien."
    Ein kurzfristiges Mittel gegen den Lehrermangel ist die Lehrer-Fortbildung an der Uni Potsdam also eher nicht. Langfristig allerdings können sich zumindest einige Schulen auf Unterstützung im Fachunterricht oder in den Willkommensklassen freuen.