Montag, 29. April 2024

Archiv


Pilotprojekt für Karstgebiete

Zwischen Ingolstadt und Nürnberg liegt der Naturpark Altmühltal, die Autobahn A 9 schlängelt sich durch die pittoreske Landschaft mit Kletterfelsen und Kanustrecken. Hier befindet sich eines der bayrischen Karstgebiete, ein löchriger Untergrund, in dem Bäche spurlos versickern können. Für die Gemeinden rund ums Altmühltal ist das ein Problem, denn eine Wasser reinigende Wirkung des Bodens wie anderswo gibt es hier nicht. Also auch nicht für das Brauch- oder Schmutzwasser sowie die Haushaltsabwässer der Bewohner. In Monheim wurde deshalb vor einem Jahr mit dem Bau einer Pilotkläranlage begonnen, bei der dünne Membranen das Wasser filtern sollen. Heute ist die offizielle Einweihung mit Politikern aus der Landeshauptstadt München.

Von Susanne Lettenbauer | 25.06.2004
    Man sieht hier, wie viel Schmutz das Wasser hat, wie schnell es kommt. Es ist mit Regenwasser vermischt, deswegen sieht man jetzt nicht so die Schmutzteilchen, das Grobe.

    Wolfgang Wild kann stundenlang erzählen: Von dem dreckigen Wasser, das tagtäglich aus den gut 7000 Haushalten in seine Kläranlage fließt, von den computergesteuerten Messanlagen, die in allen drei Einlaufrohren ständig die Wasserqualität messen und von dem zügigen Bau der Anlage, während die alten Maschinen noch liefen. In einiger Entfernung graben Bagger großflächige Löcher in ein ehemaliges Feld - mithilfe von Kies und Wasserpflanzen sollen dort parallel laufende naturnahe Bodenfiltrationsflächen für Regenwasser entstehen.

    Das Membran-System, das in Kanada schon seit 1998 die Abwässer reinigt, soll in Zukunft auch in Bayern in Karstgebieten zum Standard gehören. Auch wenn die Bau- und Betriebskosten ein Drittel über denen herkömmlicher Kläranlagen liegen. Albert Göttle, Präsident des Münchner Landesamts für Wasserwirtschaft, ist diese Anlage ohne Diskussion seine 7,5 Millionen Euro wert. Zwar werden derzeit südlich von München auch Kläranlagen getestet, die das Abwasser mit UV-Licht bestrahlen, die Membrantechnologie ist aber nicht nur effizienter, sondern kann kompakter gebaut werden:

    Die Beseitigung von Abwässer in Karstgebieten ist zweifellos ein Schwerpunkt im Hinblick auf den Grundwasserschutz, aber auch für den Gewässerschutz im Oberflächenbereich, d.h. wenn weitere Anlagen folgen, werden die sicherlich auch gefördert, es wird sich dann aber nicht mehr um Pilotanlagen handeln, es werden dann die generellen Förderbedingungen gelten, die sicherlich deutlich unter dem liegen, was in Monheim gewährt werden konnte.

    Wolfgang Wild beschreibt, wie die Anlage funktioniert:

    Das Wasser wird nur einmal gehoben, das Schmutzwasser. Einmal heben wir das hoch und dann fließt das durch die gesamte Anlage im Freilauf durch...

    Im Rechengebäude werden die groben Schmutzstoffe in Säcken gesammelt. Wild ist allein zuständig fürs wirtschaftliche Arbeiten, er entscheidet, ob die Feststoffe zur Verbrennungsanlage oder zur Kompostieranlage kommen. An ihm wird es liegen, wenn der Abwasserpreis von derzeit 2,58/qm gesenkt werden könnte. Er bringt den Klärschlamm zu den Bauern, die pro Tonne noch 10 Euro dazu bekommen. Denn die Hemmschwelle, Klärschlamm auf die Felder zu bringen, ist hoch, die örtliche BayWa zahlt weniger für das Korn und die Milchviehbauern rümpfen auch die Nase:

    Ein Teil der Bevölkerung ist skeptisch, ein Teil glaubt daran, ein Teil schimpft darüber. Aber in letzter Zeit haben wir Führungen gehabt für die Bevölkerung von Monheim und alle, die bis jetzt da waren, haben danach ein ganz anderes Bild, weil sie sehen, was die Anlage leisten kann und was das in Zukunft eigentlich für sie für Vorteile bringt.

    Wolfgang Wild und seine zwei Mitarbeiter bekommen jetzt nicht mehr so oft Besuch von Forschern und Biologen wie in den ersten Tagen der Anlage. Die Laborarbeiten kann der Abwassermeister und Nebenerwerbslandwirt mittlerweile selbst. Einmal im Monat schauen die Mitarbeiter vom Münchner Wasserwirtschaftsamt vorbei, kontrollieren die Wasserproben und bringen manchmal Kollegen aus der Schweiz mit, die sich sehr für das Pilotprojekt interessieren: Wie die spaghettiähnlichen 2 Meter langen Röhrchen durch ihre gerade mal ein Zehntausendstel Millimeter großen Poren nur die winzigen Wassermoleküle, aber keine Bakterien, Schwebstoffe oder anorganisches Material hindurchlassen. Und wie ein spezielles Verfahren verhindert, dass die Poren verstopfen. Wie die dreifache Konzentration von Bakterienstämmen im Belebungsbecken funktioniert und ob die chemischen Zusätze die Phosphor-, Nitrat- oder Arzneimittelrückstände vollständig binden können:

    Am Anfang habe ich ein wenig Angst gehabt. Dass die ganze Anlage, gerade wegen der vielen Messtechnik und den SBS-Anlagen und -technik, die drin ist, dass das ziemlich anfällig ist, aber es ist nicht so. Wir hatten gute Handwerker hier, es läuft alles ziemlich reibungslos. Es sind schon ab und an kleine Störungen da, aber es ist bis jetzt nicht aufgetreten, was wir nicht hätten alleine bewältigen können.

    Falls wirklich einmal eine der Pumpen ausfällt, setzt sich Abwassermeister Wild zu Hause an den Laptop. Wo immer eine Internetverbindung vorhanden ist, kann er sich in das Kläranlagensystem einloggen und Störungen beheben. Dass auch die Energie- und Wärmeversorgung umweltfreundlich, d.h. mit Wärmepumpen funktionieren und das Wasser für die Sanitäranlagen natürlich vom eigenen gereinigten Abwasser stammt, ist Wild fast keine Rede mehr wert.

    Auch wenn er den Stolz auf seine Anlage nur schwer verbergen kann, mit dem gefüllten Glas steht Abwassermeister Wolfgang Wild vor dem Auslaufkanal und kommt zu dem Schluss:

    Also wenn man jetzt Trinkwasser hernimmt – Trinkwasser hat fast mehr Feststoffanteile wie das Wasser hier, denn Trinkwasser wird ja nicht gefiltert, es können also ohne weiteres ein paar Partikel dabei sein. Also, es ist wirklich – sauber.