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Pilz oder Bakterie?

Biotechnologie. - Biosprit ist etwas in Zwielicht geraten, weil er in Konkurrenz zu Nahrungspflanzen getreten ist. Nicht nutzbare Biomasse, Stroh etwa, schnellwachsende Bäume oder verschiedene Gräser könnten eine Alternative sein, wenn man ihre Zellulose aufbrechen kann. In der aktuellen "Science" berichten US-Forscher über viel versprechende Wege, diese wirklich harte Nuss zu knacken.

Von Michael Lange | 23.11.2012
    Für Pflanzen ist Zellulose der beste Baustoff überhaupt. Die langen Zuckerketten sind stabil und biologisch nur schwer zu knacken. Wie es dennoch gelingen kann, Zellulose abzubauen, erforscht Shi-You Ding vom staatlichen Labor für erneuerbare Energien in Golden, Colorado.

    "Die Zellulose in Pflanzen sieht chemisch immer gleich aus. Aber unter dem Mikroskop erkennen wir unterschiedliche, feine Strukturen. Dafür sorgen die eingelagerten Stoffe: Hemizellulosen und Lignin."

    Um pflanzliche Zellulose in Biokraftstoffe zu verwandeln, müssen Biotechnologen die Verbindungen zwischen den Zuckermolekülen knacken. Dabei setzen sie auf Ideen aus der Natur. Denn Pilze und Bakterien kennen die besten Tricks, wie sich Zellulose, Hemizellulosen und Lignin schnell abbauen lassen. Wie effektiv die Mikroorganismen sind, zeigt die Tatsache, dass in einem Wald das Laub ebenso schnell von Pilzen und Bakterien beseitigt wird, wie die Bäume neues Laub nachliefern. Die Pilze haben dabei ein besonders effektives Konzept entwickelt, wie Shi-You Ding mit verschiedenen mikroskopischen Verfahren zeigen konnte.

    "Die Pilze bilden einzelne Enzyme, von denen jedes für sich arbeitet. Die richtige Mischung sorgt dafür, dass alle enzymatischen Schritte im Innern der Zellwand ablaufen, jeweils passend für die jeweilige chemische Verbindung."

    Die Pilzenzyme sind klein genug, um durch die Poren und Kanäle in die Struktur der Zellwände einzudringen. Ding:

    "Jedes Pilz-Enzym ist fünf bis zehn Nanometer groß. Klein genug, um durch die komplexen Zellwandstrukturen zu gelangen. Die Bakterien benutzen hingegen große Enzym-Komplexe für den Zellulose-Abbau. Sie sind zu sperrig und müssen an der Oberfläche der pflanzlichen Zellwand bleiben."

    Um Zellwände schnell und effektiv abzubauen, scheinen die Pilze das bessere Konzept zu haben. Pilze übertrumpfen Bakterien, so fasst denn auch die Wissenschaftszeitschrift "Science" die neuen Ergebnisse zusammen. Aber Shi-You Ding schränkt ein. Wer im Bioreaktor aus Zellulose Biokraftstoffe herstellen will, könnte die Zellwände zunächst vorbehandeln. Dann sieht die Zellwand anders aus.

    "Wenn man Lignin und Hemizellulosen aus der Zellwand entfernt, dann bricht die Struktur zusammen. Die feinen Öffnungen und Poren verschwinden, und die Pilzenzyme können nicht mehr eindringen. Dann sind die Enzym-Komplexe der Bakterien den Pilzenzymen überlegen."

    Die Bakterien können dann ihre Vorteile ausspielen. In ihren Enzym-Komplexen folgen die einzelnen Schritte schnell aufeinander, ohne lange Wartezeiten. Wo und wann welche Enzyme am effektivsten sind, hängt also vom vorhandenen Pflanzenmaterial ab. Shi-You Ding will und kann den Herstellern von Biokraftstoffen die Entscheidung nicht abnehmen. Mit Enzymen in der Natur ist es wie in einem Werkzeugkasten: je mehr verschiedene Werkzeuge zur Verfügung stehen, umso besser.