
Vor 547 Millionen Jahren erstreckte sich im Süden Namibias ein Ozean. In ihm wuchsen große Bakterienriffe, die noch heute als Hügel in der Landschaft erkennbar sind, erzählt Amelie Penny von der University of Edinburgh:
"Diese Riffe stammen aus dem Ediacarium, einer sehr wichtigen Phase in der Evolution. Damals tauchen die ersten größeren Tiere auf, und wir finden auch Spuren von flach grabenden Lebewesen. Es war der Anfang der Ökosysteme, in denen Tiere eine große Rolle spielen."
Tiere üben einen wesentlich größeren Druck auf Ökosysteme aus als Mikroorganismen. Im Meer müssen damals zahllose Veränderungen abgelaufen sein. Zunächst besaßen die Tiere des Ediacariums noch keine harten Außenskelette, die erschienen erst gegen Ende dieser Periode. Und den Anfang machte Cloudina:
"Die Fossilien von Cloudina sind klein, bestehen aus Kalzit. Sie sehen aus, als hätte jemand winzige Eistüten zu mehr oder weniger ordentlichen Stapeln gesteckt. Was ihre Einordnung angeht, könnte sie zu den Nesseltieren gehören, also entfernt verwandt sein mit Korallen oder See-Anemonen. Sicher ist das jedoch nicht. Das Tier selbst war winzig, lebte wahrscheinlich im obersten 'Hörnchen' seines Stapels."
Riff auf mächtigem Bakterienriff
Im vergangenen Dezember haben die Geologen aus Edinburgh auf einem sieben Kilometer langen und etwa 300 Meter mächtigen Bakterienriff kleine, aufgesetzte Riffe gefunden, die Cloudina aufgebaut hatte. Damit verdient sich Cloudina nicht nur den Rang des ersten Tiers mit Außenskelett, sondern sie war auch der tierische Riffbaupionier.
"Wenn Sie dort getaucht wären, hätten sie auf dem von Bakterienmatten aufgebauten Komplex 'Tupfen' von Cloudina-Riffen gesehen. Sie waren klein, vielleicht einen Meter weit und einen halben Meter hoch."
Cloudina nutzte das Bakterienriff als harte Unterlage für den Aufbau ihrer eigenen Struktur:
"Dabei schieden sie das Kalzit nicht nur für den Aufbau ihres Skeletts ab. Vielmehr bauten sie damit auch kleine Brücken, mit denen sie sich zu einer starren Struktur verbanden."
Schichten von damals Cloudina-Fossilien
Rund um die Welt finden sich in den Schichten von damals Cloudina-Fossilien. Dass sie Riffe aufbauten, ist bislang aber nur in Südnamibia gesehen worden. Etwas muss sie zur Verhaltensänderung veranlasst haben:
"Für Tiere bringt der Riffbau wohl drei große Vorteile: Zunächst einmal bietet ein Riff einen gewissen Schutz vor Stürmen oder Räubern. Letzteres wäre ein interessanter Grund, denn es ist nicht viel über räuberisch lebende Tiere im Ediacarium bekannt. Zweitens finden Riffbildner leichter einen guten Siedlungsplatz. Und drittens ist ein durch das Riff erhöhter Platz praktisch für Tiere wie Cloudina, die ihre Nahrung aus dem Wasserstrom filterten. Die Cloudina-Kolonie zeigt eine bevorzugte Wachstumsrichtung. Es könnte durchaus sein, dass das Riff ihnen dabei geholfen hat, sich nach der Strömung auszurichten."
Cloudina hat vor der eigentlichen Entwicklung der komplexen Tierwelt mit dem Riffbau begonnen. Auf welche Faktoren sie in den Meeren des Ediacariums reagiert hat, ist offen. Vielleicht sind auch nicht alle bekannt, erklärt Amelia Penny. Und deshalb suchen die Geologen in der nächsten Grabungssaison nach weiteren Hinweisen.