Der Repräsentantensaal im Obergeschoss der Neuen Synagoge an der Oranienburger Strasse ist der zentrale Ausstellungsraum. In dem Kuppelförmigen Rundbau saß seinerzeit an einem gewaltigen hufeisenförmigen Tisch immer mal wieder die Gemeindeprominenz zusammen. Nach mehreren Zerstörungsorgien, nach Kristallnacht und Krieg, war dieser Raum praktisch völlig zerstört. Bis auf die Galerie von der Besucher hinunter schauen konnten. Von hier oben, ihr Büro geht von dieser Galerie ab, kann die Ausstellungsmacherin beobachten, was sich in der Ausstellung so tut.
Rundherum sind die verschiedenen Bereiche des Filmschaffens teils symbolisiert, teils mit Ausstellungsleihgaben vertreten: dekorativ herunter hängende Filmstreifen für die Technik, Drehbuchbeispiele, Regisseursportraits, Kinobauten und ein Monitor in dem unablässig die Filmberufe herunterrattern. Ja, sie waren überall und prominent vertreten und es lohnt sich ihr Gedächtnis wieder aufleben zu lassen. Irgendwie sind sie wieder da die mutigen Pioniere der zur Jahrhundertwende absolut neuen Schmuddelkunst.
In der Mitte des Raums gibt es ein kleines Kino – in der ein paar Filme übers Filmemachen vor dem ersten Weltkrieg vorgeführt werden. Eine Satire auf die bigotte Moral der Gegner des verderbten neuen Mediums erwischt den Kinoreformer Moralski beim Schäferstündchen am Strand. Der Kaiser zu Besuch bei Ernst Lubitschs Dreharbeiten und dann ein Großfilm, wie das damals hieß, keine digitalen Effekte aber buchstäblich tausende von Statisten in den Berliner Ateliers für eine der Massenszenen, für die der deutsche Film damals berühmt war. Insgesamt fünf kleine digital gespeiste Kinos sind in die Ausstellung integriert. Man kann sich also hinsetzten und ein bisschen Film anschauen. Als begehbares Filmfestival wollen die Ausstellungsmacher ihre Arbeit verstanden wissen. Es sind aber nur kurze Ausschnitte zu sehen. Am Ende soll man Lust bekommen die ganzen Filme zu sehen.
Ausgesprochen jüdische Sujets wie die Golem-Sage oder der Shylock von Krakau kamen zwar vor, werden in der Ausstellung auch an herausgehobener Stelle gewürdigt, sind aber nicht typisch für das Filmschaffen der Berliner Filmpioniere jüdischer Herkunft. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass das Filmkapital in der Frühzeit des Kinos eher Deutschnational war. Als man General Ludendorff 1917 das erste Jahresprogramm der neugegründeten UFA vorlegte, soll er getobt haben. Die Filme von Lubitsch und Joe May, die das Programm beherrschten, repräsentierten für ihn nicht unbedingt das, was er unter vaterländischem Filmschaffen verstand. Doch das Publikum liebte die subversiven Komödien Lubitschs und die exotischen Kolossalwerke May und ließ die Kasse klingeln. Die Filmleute aber fühlten sich ohnehin wie eine große internationale Familie.
"Im Kino in fünf Kontinenten zugleich ist meine Heimat," schrieb Claire Goll damals. Ihr Epigramm auf einem Kinovorhang ist deshalb zurecht das Motto dieser Ausstellung, die glückliche Kindertage der polyglotten Weltkunst Kino aufleben lässt.
Der Begleitband zur Ausstellung ist im Henschel Verlag erschienen
Irene Stratenwerth / Hermann Simon
Pioniere in celluloid. Juden in der frühen Filmwelt
336 Seiten mit zahlreichen Abbildungen 24, 90 Euro