Dienstag, 30. April 2024

Archiv


Pionierin der Öko-Landschaftsarchitektur

Seit fast 60 Jahren gestaltet Cornelia Hahn Oberlander urbane Landschaften. Das Kunstmuseum zur Alten Post in Mülheim an der Ruhr widmet der 91-jährigen Landschaftsarchitektin eine Fotoausstellung. Die Dortmunder Fotografin Etta Gerdes hat sie bei ihrer Arbeit begleitet.

Von Peter Backof | 18.06.2012
    "Stein, Grün, Holz, Mauern, Erde – das sieht genauso aus wie der Norden Kanadas."

    Eine Taigalandschaft - rund um das "Gebäude der gesetzgebenden Versammlung für die Northwest Territories" - in Yellowknife, Kanada. – Etta Gerdes, Dortmunder Fotografin, war fasziniert, von dieser ganz eigenwilligen Zusammenführung von Stadt- und Naturraum. 1995 hat Cornelia Hahn Oberlander die Anlage gestaltet, und als Etta Gerdes zehn Jahre später vor Ort fotografierte, sah das bereits - wie heute - so aus, als hätten sich Espen und Fichten, Stein und Geröll das Gelände rum um das hochoffizielle Gebäude zurückerobert.

    "Das trifft es schon ganz gut. Weil dort natürlich wirklich die First Nations leben, wie in Kanada die Indianer heißen. Sie kommt da hin und möchte möglichst wenig beschädigen, das heißt in ihrem Jargon: Limiting Footsteps – möglichst wenig Fußspuren."

    "Ökologische Fußabdrücke minimieren! Gewässerschutz, den Klimawandel: miteinbeziehen!
    Wenn wir etwas bepflanzen, dann so, dass es auch ins Ökosystem passt!"

    Am 20. Juni wird Cornelia Oberlander 91 Jahre alt, und immer noch: gestaltet sie, forscht sie, prangert sie an. Einige ihrer "Lectures" stehen als Video im Internet.

    "Während unsere Regierungen etwas vom Klimawandel faseln, sind die Möglichkeiten der Landschaftsarchitektur für die Zukunft immens."

    Wieder vor dem hochoffiziellen Gebäude der Northwest Territories. Was und wie ist da gestaltet? Eben nicht: Rabatten mit bunten Blümchen darin – wenn man so will der internationale Standard für die Bepflanzung vor Verwaltungsgebäuden.

    "So hat sie dort von Anfang an mit eingewirkt, wo dieses Gebäude gebaut wird – und hat dann so kleine Holzpfähle in den Boden gerammt, bis dorthin durfte gebaggert werden und darüber hinaus nicht. Und es ist wirklich sehr eng gefasst, das ist vielleicht von dem Gebäude aus ein Meter, anderthalb, wo dann die Baumaschinen rum durften."

    Und das in Kanada - sprichwörtliches "weites Land" - wo aber aktuell quadratkilometerweise Land verseucht wird, wohl für immer, um Erdöl aus Sand herauszuwaschen. Cornelia Oberlanders Gestaltungen sind immer: Kommentar und Alternative. Rückblende. Mitte der 1940er Jahre war die Pionierin mit ihrer Mutter vor den Nazis in die USA geflohen. Und: Cornelia Oberlander war dann überhaupt eine der ersten Frauen, die in Harvard zum Studium zugelassen wurden.

    "Die Möglichkeit, in Harvard bei Walter Gropius zu studieren. Und ihr Mann, Peter Oberlander, war immer auf der verwaltenden Ebene tätig, also der war ja ausgebildeter Architekt und war immer in der Stadtverwaltung – dadurch diese Schnittstelle!"

    Daher die Großaufträge für das Büro der Oberlanders seit Mitte der 1950er Jahre. Auftrag durch das Goethe-Institut vor sieben Jahren auch für die Fotografin Etta Gerdes. Sie sind einige Monate lang zusammen durchs Land gereist und eine Auswahl aus dieser Serie kann man sich derzeit in Mülheim an der Ruhr ansehen. Etta Gerdes wurde von Oberlander bewusst ausgesucht – ähnliches Gespür: für Landschaft, für Architektur.

    "Ich? Arbeite auch an einem ökologischen Thema, arbeite gerade im Wattenmeer, beschäftige mich mit der Zukunft des Wattenmeers, wo es ja mit der Energiewende gerade ein Gezerre gibt, dass dort Offshore Windparks errichtet werden sollen, das ist gerade mein Thema."

    Etta Gerdes und Cornelia Oberländer verbindet – motivisch – eine Vorliebe für das Karge, das Ursprüngliche, "das Nordische" – auch: mitten in der Stadt.

    "Hochhäuser, die Familien immer noch Platz lassen, zum Leben! – wir haben es ja international mit unvorhersehbaren urbanen Auswüchsen zu tun."

    Wenn Cornelia Oberlander einen Park gestaltet, ist das keine Oase mit exotischer Begrünung, sondern da sind sehr wohl auch Beton und Glas verbaut, die Stilmittel einer "City" heute. Das Markenzeichen: Dachgärten.

    "Ja, das ist ein Park und ein Dach – der Gerichtshof auf dem Robson Square."

    In Oberlanders Heimatstadt seit Jahrzehnten, Vancouver.

    "Der Park erstreckt sich über vier Ebenen über das Dach. Es ist Downtown, durch die Wasserfälle hört man den Verkehrslärm nicht. Wieder arbeitet sie mit Stein, in Form von Beton, Wasser und Holz."

    Große Bäume sollen auf Dächern wurzeln – trägt das, ist das nachhaltig? Sprich: wird das – über die Jahre - nicht ein bisschen schwer?

    "Deswegen hat sie ja Erde entwickelt, die viel leichter ist, sehr nahrhaft, da forscht sie dann, bis sie genau das richtige Material hat. Vancouver hat ein Klima wie hier bei uns in Deutschland und dennoch hat jedes Gebäude eine Klimaanlage, weil das eben in Nordamerika so ist - - bräuchte man nicht! Sie setzt darauf, dass sie ein Mikroklima schafft, was die Gebäude besser isoliert, kühlt, mit Frischluft versorgt. Und so ist das was sehr Innovatives."