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Piotr Beczala
In der Tradition der französischen Opern

Für ihre neue CD "French collection" haben das Orchestre de l'Opéra national de Lyon und der Tenor Piotr Beczala eine interessante Mischung von Opernarien des französischen Repertoires zusammengestellt. Beczala hat dazu intensive Studien betrieben, um so weit wie möglich an die Tradition großer Interpreten der französischen Oper heranzukommen.

Von Klaus Gehrke | 15.03.2015
    Der polnische Tenor Piotr Beczala in Madrid
    Der polnische Tenor Piotr Beczala in Madrid (picture alliance / dpa - Javier Del Real)
    Im Oktober 2014 wurde der polnische Tenor Piotr Beczala als ‚Bester Sänger des Jahres' mit dem Echo Klassikpreis ausgezeichnet; nun ist seine neue CD "French Collection" mit Arien aus französischen Opern beim Label Deutsche Grammophon erschienen.
    Berlioz, Arie Take 4
    "French Connections", also Beziehungen zu Frankreich, gibt es von polnischen Künstlern einige. Der Bekannteste ist sicherlich Frederic Chopin, der Paris zu seiner Exilheimat erkor und dort zu einem der wichtigsten romantischen Klavierkomponisten wurde. Andere, wie beispielsweise der Tenor Jean de Reszke, setzten mit ihren Interpretationen Maßstäbe im italienischen und französischen Opernfach der Romantik. Piotr Beczala orientiert sich bei seiner "French Collection" sowohl an seinem polnischen Landsmann als auch an französischen Sängern.
    "Die Aussprache muss klar, sauber, distinkt und exakt sein. Das besagt, dass sie dem Ohr in keinem Augenblick irgendeine Ungewissheit betreff des ausgesprochenen Wortes bereitet. Was Klarheit, Sauberkeit, Exaktheit angeht, so ist Aussprache gleichzusetzen mit Artikulation. Sie ist es, die das Wort mit Gedanken füllt, mit Sentiment, mit Passion. Artikulation sichert Sauberkeit, Aussprache schafft Eloquenz."
    Als Charles Gounod diese Maxime an den Gesang formulierte, feierte die französische romantische Oper internationale Erfolge. Das Opernhaus in Paris galt ohnehin seit Jahrzehnten als die renommierteste Spielstätte Europas. Allerdings waren die französischen Komponisten zu ihrem spezifischen Sound nicht ganz ohne Hilfe ihrer italienischen Kollegen gekommen: Gioacchino Rossini, der beispielsweise 1824 die Leitung des Théàtre Italien in Paris übernahm, sowie Vincenzo Bellini oder Gaetano Donizetti setzten mit ihren Belcanto-Opern wichtige musikalische Akzente. Dass deren Werke für Paris in französischer Sprache geschrieben wurden, versteht sich dabei von selbst.
    Donizetti, Arie aus "La Favorite"
    Das war die Kavatine des Fernand aus dem 4. Akt der Oper "La Favorite" von Gaetano Donizetti; Piotr Beczala wurde begleitet vom Orchestre de l'Opéra national de Lyon unter der Leitung von Alain Altinoglu. Tenor und Dirigent haben für ihre "French collection" eine interessante und bunte Mischung von Opernarien des französischen Repertoires zusammengestellt. Auch regelrechte Schlager sind darunter wie die berühmte Blumenarie des Don José aus Georges Bizets "Carmen".
    Bizet, Blumenarie aus "Carmen"
    Piotr Beczala, dessen internationale Karriere 1997 nach seinem Debüt bei den Salzburger Festspielen als Tamino in Mozarts "Zauberflöte" begann, konzentrierte sich danach vor allem auf das lyrische Fach. Unter anderem sang er den Herzog in Giuseppe Verdis "Rigoletto" oder wurde an der Seite von Anna Netrebko als Rodolfo in Giacomo Puccinis "La Bohéme" gefeiert. Allerdings hat der Tenor nicht sofort alle möglichen großen Partien des Repertoires übernommen, sondern eher zögerlich, dafür aber mit größter Sorgfalt, einige davon einstudiert.
    Das gilt auch für seine neue CD, für die Beczala intensive Studien betrieben hat. Ihm war es wichtig, so weit wie möglich an die Tradition großer Interpreten der französischen Oper heranzukommen. Dafür setzte er sich laut Booklet intensiv mit historischen Aufnahmen seines polnischen Landsmannes Jean de Reszke auseinander und studierte kritische Quellen über Aussprache und Artikulation. Zugleich verfolgt Beczala, der sich gut im italienischen Belcanto-Fach auskennt, keine Interpretation in dessen Sinne mit zur Schau gestellten kräftig lauten Spitzentönen; diese kommen bei ihm eher lyrisch daher - und erinnern damit an ein anderes Vorbild Beczalas: den spanischen Tenor Alfredo Kraus.
    Gounod, Arie aus "Faust"
    "Salut! Demeure chaste et pure", das war die Kavatine des Faust aus dem zweiten Akt von Charles Gounods gleichnamiger Oper; Piotr Beczala wurde begleitet vom Orchestre de l'Opéra national de Lyon. Das spielt unter der Leitung von Alain Altinoglu ungemein geschmeidig, glasklar und offensichtlich auch historisch informiert: Das Vibrato der Streicher etwa klingt schlank und sparsam dosiert.
    Die Kollektion der französischen Arien auf der CD schließt auch Werke ein, die hierzulande kaum noch auf den Opernspielplänen zu finden sind. "La dame blanche", "Die weiße Dame", 1825 von Francois-Adrien Boieldieu für die Pariser Opéra-Comique komponiert, war dort ein großer Erfolg und wurde dort bis 1914 über 1.600 Mal gespielt. In Deutschland kam das Werk zwar auch gut an, konnte sich aber ab dem 20. Jahrhundert in den Spielplänen immer weniger behaupten. Eigentlich schade um die darin beinhalteten Arien - vor allem wenn sie so schön gesungen werden wie von Piotr Beczala.
    Boieldieu, Arie aus "La dame blanche"
    Das war ein Ausschnitt aus der Cavatine des Georges aus dem zweiten Akt der Oper "La dame blanche" von Francois-Adrien Boieldieu mit dem Tenor Piotr Beczala und dem Orchestre de l'Opéra national de Lyon unter Alain Altinoglu. Deren neue CD "French Collection" mit Arien aus französischen Opern ist beim Label Deutsche Grammophon erschienen.
    "French Collection", Opernarien von Bizet, Berlioz, Gounod, Massenet und Verdi mit Piotr Beczala und dem Orchestre de l'Opera national de Lyon, Dirigent: Alain Altinoglu, DGG 028947 941019