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Pipeline-Projekt
Nord Stream 2 politisiert europäischen Profi-Handball

Die "Nord Stream 2"-Gaspipeline gilt in Polen als eine Art energiepolitisches Sicherheitsrisiko. Nun ist der Konflikt in der Handball-Champions-League angekommen - auch wegen der Interessen staatlicher polnischer Energiekonzerne.

Von Jan Pallokat | 06.10.2018
    Champions-League Spiel: PGE Vive Kielce gegen die Rhein Neckar Löwen
    Seit Beginn der diesjährigen Champions League treten die Handballer der polnischen Vertreter Kielce und Plock mit auf den Trikots überklebten Bannern eines der neuen Hauptsponsoren an. (imago )
    "Nord Stream 2" ist ein Reizwort in Polen: Das Pipeline-Projekt in der Ostsee, das noch mehr russisches Gas direkt nach Deutschland pumpen soll als bisher, wird an der Weichsel über Parteigrenzen hinweg als eine Art energiepolitisches Sicherheitsrisiko dargestellt, und zwar über Parteigrenzen hinweg. Deutschland hingegen sieht in dem Projekt jedenfalls offiziell ein rein wirtschaftliches, das in Polen vor allem auch deswegen bekämpft werde, weil das Land gern selbst Drehscheibe für angelandetes Flüssiggas werden würde.
    Trikots mit überklebten Bannern
    Seit einigen Wochen wird der Streit darüber auch im europäischen Profi-Handball ausgetragen. Seit Beginn der diesjährigen Champions League nämlich treten die Handballer der polnischen Vertreter Kielce und Plock mit auf den Trikots überklebten Bannern eines der neuen Hauptsponsoren an – nämlich ohne Nordstream – einer der neuen Hauptsponsoren. Offenbar auf Druck eigener Sponsoren, denn polnische Energiekonzerne wie PGE oder der Tankstellenbetreiber Orlen sind Hauptgeldgeber im polnischen Profihandball. Jan Korczak-Mleczko vom nationalen Handballverband:
    "Wir bitten um Verständnis, dass staatliche Gesellschaften in Polen sehr bedeutend sind und die wichtigsten Sponsoren unserer zwei besten Vereine, nämlich Orlen Wisla Plock und PGE Vive Kielce, die unser Land seit Jahren in Europa repräsentieren. Und wir dürfen auch PGNiG nicht vergessen, seit 2010 strategischer Sponsor des polnischen Handballs und mehrerer Damen- und Herrenligen bei uns."
    Was ist Nord Stream 2?
    Die Nord Stream AG betreibt seit Ende 2011 bereits eine Erdgaspipeline von Russland nach Deutschland. Weitgehend parallel dazu soll Nord Stream 2 verlaufen. Durch diese Pipeline sollen jährlich weitere bis zu 55 Milliarden Kubikmeter nordsibirisches Erdgas von Russland durch die Ostsee nach Mecklenburg-Vorpommern fließen - und von da aus in die europäischen Gasnetze. Mehrheitseigner der Projektgesellschaft Nord Stream 2 ist das russische Energieunternehmen Gazprom. Der direkte Weg durch die Ostsee ist für Gazprom günstiger - sie umgehen damit Transitländer wie etwa Polen und die dortigen Transitgebühren. Genau auf diese Gebühren will Polen nicht verzichten.
    Der Öl- und Gashändler PGNiG aber, ein Staatsriese mit 30.000 Mitarbeitern, mischt auch beim neuen Flüssiggasterminal an der Ostsee mit, der mit Gasproms Leitungen konkurriert. Die Club-Sponsoren hätten vertraglich "konkurrierendes" Sponsoring ausgeschlossen, heißt es in der polnischen Liga. Ein Argument, das der Europäische Handballverband aber zurückweist: So wichtig Clubsponsoren auch seien, so wenig dürften sie übermäßig die erfolgreiche Organisation eines Top-Sportereignisses behindern, heißt es in einer Erklärung des europäischen Handballverbands.
    Karte: Gas aus Russland - Wo Nord Stream und Nord Stream 2 verlaufen; Querformat 90 x 85 mm; Grafik/Redaktion: A. Zafirlis
    Die Nord Stream-Pipelines in der Ostsee. (picture-alliance/ dpa-infografik)
    Und: Der neue Sponsor habe eine substanzielle Summe beigetragen, also offenbar viel Geld hingelegt. Ein Kompromissvorschlag des Verbands lehnten die beiden Vereine ab – dem Vernehmen nach hätte dieser daran bestanden, zumindest bei Heimspielen den unverdächtigen Banner einer Hilfsorganisation anstelle von Nordstream auf den Trikots zu tragen. Nachdem bereits Strafen verhängt und wohl auch gezahlt wurden, hat der Verband nun abermals Klage eingereicht. Polnische Medien spekulieren bereits über einen Ausschluss der Teams vom europäischen Wettbewerb. Korczak-Mleczko vom Handballverband:
    "Die Champions League hat den höchsten Bekanntheitsgrad nicht nur in Europa, sondern in der Welt. Der Kampf um den Meistertitel in Polen ist natürlich auch sehr wichtig, aber er ist Passierschein in die Welt. Niveau und Popularität der Champions League sind zweifellos hoch und daher liegt uns viel daran, dass polnische Vereine daran weiter teilnehmen können."
    Geht es wirklich nur um Vertragskonflikte?
    Doch geht es wirklich nur um Vertragskonflikte? Äußerungen von Verantwortlichen lassen vermuten, dass vielleicht doch auch politischer Druck im Spiel ist. In Plock rief eine lokale Vertreterin der nationalkonservativen PiS-Partei zu einer Demonstration vor einem Spiel gegen Nord Stream auf; die polnische Handball-Liga nannte das Ostsee-Röhren-Projekt in einer Erklärung eine "Gefahr für die Energiesicherheit", und der mitbetroffene Verein Vive Kielce sagte nun gegenüber einer Agentur sogar, Nordstream 2 werde in Polen als Verstoß gegen den europäischen Grundwert der "Solidarität" betrachtet. Beim russischen Monopolisten Gasprom, der maßgeblich hinter "Nord Stream 2" steht, dürfte man sich alles in allem kaum über zu wenig Aufmerksamkeit durchs Handballsponsoring beklagen.