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PISA II

Seit einigen Minuten findet in Berlin eine Pressekonferenz mit außergewöhnlich großer Medienpräsenz statt: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa, kurz OECD, stellt zum zweiten Mal ihre internationale Schulvergleichsstudie PISA vor.

Von Armin Himmelrath und Mirko Smiljanic | 06.12.2004
    PISA – Program for international students assessment. Die Ergebnisse, die jetzt gerade in Berlin präsentiert werden, unterliegen, wie es heißt - 'strengster Geheimhaltung’ – sieht man von den vielen Lecks ab, durch die im Laufe der letzten 2 Wochen ein Teil der Daten nach außen gesickert ist. Auch Andreas Schleicher, Leiter der Abteilung 'Indikatoren und Analysen’ bei der OECD in Paris erläuterte heute in Brüssel, was in Deutschland nach wie vor dringend verbesserungswürdig ist:

    In Deutschland ist der Leistungsabstand von Schülern mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich groß. Man muss sagen, leider am größten im OECD-Vergleich. Das Gesamtergebnis von Deutschland lässt sich nicht allein mit dem Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund erklären, sondern im wesentlichen, dass es dem Schulsystem nicht gelingt, dort die Grundlagen zu schaffen. Selbst Schüler, die in Deutschland geboren sind, schneiden nicht viel besser ab als die, die erst später in das Schulsystem kommen. Das heißt, hier sehen wir klar, dass die Gegebenheiten vom Bildungssystem nicht ausgeglichen werden. Es ist im Grunde wieder das gleiche Thema: ein Mangel an konstruktivem Umgang mit dieser Verschiedenheit der Schüler. Der Schüler mit Migrationshintergrund, der landet in Deutschland nach relativ kurzer Zeit irgendwo auf der Hauptschule. Das kognitive Potential von diesen Schülern ist aber nicht unterdurchschnittlich. Wir sehen das so schön, wenn wir
    die Resultate in Mathematik Problemlösen vergleichen. Im Bereich Problemlösen, also schulunabhängiges Problemlösen, da sind die Schüler mit Migrationshintergrund, die Schüler aus sozial benachteiligten Familien, gar nicht so schlecht. Dort ist auch die Leistungsvariation gar nicht so groß. Wenn wir aber auf Schulleistungen hinausgehen, dort bestehen große Leistungsunterschiede. Das heißt, das Bildungssystem insgesamt muss also schon Verantwortung für diese Resultate übernehmen. Wir können das Problem nicht allein auf einen etwas höheren Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund abstellen.


    Verschiedene Politiker haben auch bereits kurze Kommentare abgegeben, ausführliche Stellungnahmen - wie z. B. von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn - werden wir dann morgen erhalten. Die Ministerin hatte schon die letzte PISA-Studie zum Anlass genommen, Bund und Länder zu einer besseren Zusammenarbeit in der Bildungspolitik aufzurufen.

    Wenn wir wollen, dass unser Bildungssystem und Forschungssystem wirklich weltweit qualitativ mithalten kann, und wenn wir nicht nur mithalten können, sondern sozusagen auch selber Schrittmacher sind, dann müssen wir eben auch eine gute Koordinierung und gute Absprachen haben und uns auch auf gemeinsame Schwerpunkte verständigen und die dann auch gemeinsam gestalten, denn sonst sind wir doch in einem erheblichen Nachteil gegenüber anderen wichtigen Volkswirtschaften, anderen wichtigen Ländern.

    Denn bei der letzten PISA-Studie im Jahr 2000 hatte sich gezeigt: Zwischen Bund und Ländern geht in der Bildungspolitik noch viel durcheinander. Zu viel. Ein Rückblick: Dezember 2001. Die OECD stellt in Berlin die Resultate des ersten internationalen Leistungsvergleichs vor - und löste den bis heute anhaltenden "PISASchock" aus.

    260.000 Schüler aus 31 Nationen wurden im Jahre 2000 in ihrem Leseverständnis und in mathematisch-naturwissenschaftliche Grundkenntnissen getestet. Außerdem untersuchte die Studie, ob die 15jährige Jungen und Mädchen selbständig lernen können und wie ausgeprägt ihre Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten sind.

    Von den 31 teilnehmenden Ländern erreichte Deutschland bei der ersten PISA-Studie im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften gerade mal Platz 20, im Bereich Leseverständnis nur Platz 21. Besonders dramatisch war, dass knapp ein Viertel der 15jährigen Deutschen nur über minimale Fähigkeiten verfügen, Texte richtig zu verstehen. Manche Kritiker sprachen in diesem Zusammenhang sogar von funktionalem Analphabetismus, der in deutschen Schulen grassiert.

    Zehn Prozent der deutschen Schülerinnen und Schüler erreichten nicht einmal die niedrigste Kompetenzstufe im Lesen - so viele wie in keinem anderen untersuchten Land. Auch bei der Mathematik und in den Naturwissenschaften schnitten deutsche Jugendliche schlecht ab. Nur 24 Prozent erreichten die Kompetenzstufe III, was der Fähigkeit zur Lösung einfacher Prozentrechnung entspricht. Weitere 24 Prozent der 15-jährigen erreichten gerade mal Stufe I - also mathematisches Grundschulniveau.

    Bei der Lesekompetenz schnitt Finnland am besten ab, gefolgt von Kanada, Neuseeland und Australien. Das Mittelfeld teilten sich Dänemark, Schweiz und Spanien, Schlusslichter waren Luxemburg, Mexiko und Brasilien.

    Beim Mathematiktest lagen Japan, Korea und Neuseeland ganz vorne. Die Plätze 15 bis 17 belegten Schweden, Irland und Norwegen. Ganz unten trafen sich Luxemburg, Mexiko und Brasilien wieder,...


    ...die übrigens auch beim naturwissenschaftlichen Teil von PISA 1 die Schlusslichter waren. Das Mittelfeld belegten Ungarn, Island und Belgien, während Korea, Japan und Finnland die Liste anführten. Eindeutiger Sieger der ersten PISA-Studie war also Finnland – das Bildungsmusterland schlechthin.

    Doch Zahlen sind trocken und zeigen erst bei genauer Analyse auch bei PISA I die eigentlichen Probleme. Marianne Dämmer vom Geschäftsführenden Bundesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – kurz GEW – hatte die eher mittelmäßigen Leistungen deutscher Schüler zwar erwartet,...

    ... ich muss allerdings sagen, ich habe mit zwei Ergebnissen in dieser Form nicht gerechnet, und zwar zum einen, dass wir auch bei den leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern nur sehr mittelprächtige Ergebnisse erreichen und zum anderen, dass unser Schulsystem diesen Umfang an sozialer Ungerechtigkeit hervorbringt, also, dass hat mich auch bestürzt gemacht.

    Auch das war ein Resultat der ersten PISA-Studie, die 2001 vorgestellt wurde: In keinem anderen Land der Welt hängt die Leistungsfähigkeit eines Schülers so sehr am sozialen Status der Eltern wie in Deutschland. Wenn die Eltern zum Bildungsbürgertum zählen, schneiden deren Söhne und Töchter in Schule und Uversität gut ab.

    Mit anderen Worten: Das deutsche Schulsystem – so die Analyse der ersten PISA-Studie – ist so schwach, dass gute Abschlüsse nur erreicht, wer von außen – also über das Elternhaus – gefördert wird. Marianne Dämmer.

    Wenn wir sehen, dass unsere schwächsten Schüler im internationalen Vergleich noch einmal die schwächsten sind, das heißt, dass es unserem Schulsystem überhaupt nicht gelingt, Kinder mit Migrantenhintergrund oder aus sozial schwachen Elternhäusern doch wenigsten so weit zu fördern, dass sie mit ihren Kompetenzen am gesellschaftlichen Leben wirklich teilnehmen können, man spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass wir eine Risikogruppe von 25 Prozent haben, dann ist das eine Quittung für unser Schulsystem, die wir gar nicht ernst genug nehmen können.

    Eine genaue Analyse der PISA 1-Resultate belegte zudem, was Kritiker seit langem schon bemängelt haben. Während zum Beispiel das finnische Schulsystem mittelmäßige oder gar schlechte Schüler fördert, um sie in der jeweiligen Schule zu halten, werden sie in Deutschland aussortiert.

    Es wir zu früh sortiert! Kinder werden mit zehn Jahren Etikette versehen und dieses Etikett sagt ihnen, welchen Schulabschluss sie wohl machen werden. Die neuesten Studien des Dortmunder Schulforschungsinstitutes haben ja deutlich gezeigt, dass es mit der Durchlässigkeit des Systems nicht so weit her ist. Fünf Prozent aller Kinder haben in dem gegliederten Schulsystem die Chance aufzusteigen, 95 Prozent steigen ab. Das sind Fakten!

    Sigrid Beer ist Mitglied des Landeselternrates der Gesamtschulen NRW e.V. Die überragende Rolle der Eltern am Schulerfolg ist schon erwähnt worden, entsprechend sollten für die Elternvertreterin Sigrid Beer die Eltern weit stärker in den Schulalltag einbezogen werden.

    Die Eltern sind sicherlich nicht auf einen einfachen Nenner zu bringen, aber es ist sehr wichtig, dass Schule große Unterstützung von den Elternhäusern erfährt. Aber wie die Schüler ist die Elternschaft heterogen und es ist sehr wichtig, hier geeignete Maßnahmen und Unterstützungssysteme herzustellen und zu institutionalisieren, die helfen, dass Eltern wieder näher an Schule herangeführt werden. Ich schaue da schon ein bisschen auf die skandinavischen Länder, denen es durch große soziale Programme auch gelungen ist diese Integrationsleistung gerade für Eltern mit Migrationshintergrund gerade für sozial schwache Familien zu leisten.

    Ein Problem, dem in der aktuellen Diskussion um Integration und Eingliederung besondere Bedeutung zukommt. Allerdings funktioniert all das nur, wenn die Schulen sich wandeln.

    Und es ist natürlich auch eine Offenheit der Schulen gefordert, Eltern in ganz anderer Qualität in das schulische Leben hineinzunehmen, transparent zu machen, was im schulischen Leben passiert.

    So schlecht die Leistungen deutscher Schüler waren, bei den Lehrern sah es in der PISA 2001-Studie nicht besser aus: Nur zehn Prozent von ihnen nahmen die Lernschwierigkeiten von Schülern der niedrigsten Kompetenzstufe überhaupt wahr - was wiederum die Voraussetzung für gezielte Fördermaßnahmen wäre. Mit anderen Worten: 90 Prozent bemerkten die schlechten Leistungen ihrer schlechtesten Schüler noch nicht einmal!

    Ich glaube, dass wir bei den Lehrern und Lehrerinnen in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht geschafft haben, bezüglich von Kindern eine anderes kulturelles Skript hinzukriegen. Das heißt, dass Kinder noch in bestimmte Schubladen einsortiert werden und darin liegt für mich schon ein Grundproblem. Ich möchte es mal so sagen: Wenn PISA zeigt, wir haben eine Kommode, da ist der Wurm drin, dann wird es uns nicht reichen, die Schubladen ordentlich aufzuräumen, also, Qualitätsentwicklung von Schule muss ganz neu diskutiert werden.

    Die alarmierenden Ergebnisse vom Dezember 2001 sorgten für hektische Betriebsamkeit in den Bildungsministerien der Republik. Drei Jahre später lässt sich sagen: Tatsächlich haben Bund und Länder etliche Reformen angeschoben. Alle wollten es schließlich besser machen. Alle hatten Ideen.

    Erste Ebene: Die Bundesregierung.

    Bundsbildungsministerin Edelgard Bulmahn, SPD, nutzte die erste PISA-Studie für Forderungen nach einer neuen Aufgabenverteilung in der Bildungspolitik zwischen Bund und Ländern. Sie forderte eine Bündelung der Bildungskompetenzen in der Hand der Bundesregierung – und hat damit wesentlich zur bis heute andauernden Föderalismus-Debatte beigetragen.

    Bulmahn handelte aber auch ganz praktisch: Vier Milliarden Euro stellte sie für die Einführung von Ganztagsschulen zur Verfügung. Bis 2010 soll damit jede dritte deutsche Schule auch nachmittags unterrichten – 10 000 Schulen insgesamt.

    Die zweite Ebene: Gemeinsame Reaktionen aller Bundesländer.

    Das Koordinationsgremium der Bundesländer ist die Kultusministerkonferenz, kurz KMK, und die präsentierte im Dezember 2003 ihre Reaktionen auf die desaströse erste PISA-Studie. Die hessische Kultusministerin Karin Wolff, CDU, sprach dabei von "bildungspolitischen Meilensteinen".

    Das ist zum einen der Beschluss über die ersten zu veröffentlichenden Bildungsstandards, und das ist zum zweiten der Beschluss über eine Länder-Einrichtung, eine Länderagentur für Qualitätsfragen, die beide zusammen genommen einen sehr wesentlichen Schritt zur Qualitätssicherung durch die Kultusministerkonferenz und damit die Minister in allen Ländern darstellen.


    Bildungsstandards sind Leistungsbeschreibungen, bei denen sich alle Länder einig sind: Diese und jene Inhalte muss ein Schüler der 4. Klasse im Fach Deutsch zwingend beherrschen, diese und jene Inhalte eine Schülerin im Fach Mathematik am Ende der 10. Klasse. Egal, in welchem Bundesland. Egal, an welcher Schulform.

    Das Institut für Qualitätssicherung war der zweite große gemeinsame Beschluss der Bundesländer. Diese Einrichtung hat mittlerweile an der Humboldt-Universität in Berlin ihre Arbeit aufgenommen und soll das deutsche Bildungswesen unter Qualitäts-Aspekten unter die Lupe nehmen. Gerade in diesem Bereich gebe es genug zu tun, auch im Hinblick auf die nächste, die dritte PISA-Studie, blickt Karin Wolff in die Zukunft.

    Das beginnt mit dem Jahre 2006, wo wir in einem parallelen Verfahren zu der dritten Runde PISA auch die Basis legen wollen für die Überprüfung der Standards, die dann auch führt zu vergleichenden Länderarbeiten, so dass wir auch im Vergleich zwischen den Ländern wahrnehmen können: Haben wir die Unterschiede, die ja bis zu zwei Jahre betrugen, nach PISA eingeebnet, oder haben wir dieses nicht, und zwar auf dem Niveau einer durchschnittlichen Schülerleistung, und nicht auf dem Niveau von Mindeststandards.

    Als dritte Ebene der Reaktion auf die erste PISA-Studie gab es die Aktivitäten, die die Bundesländer in eigener Regie ergriffen haben. Sie reichen von der Einführung des Fremdsprachenunterrichts über Jahrgangs-übergreifende Klassen bis hin zu neuen Förderkonzepten.

    Zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, wo Schulministerin Doris Ahnen, SPD, neue Wege zur Eliteförderung ausprobiert.

    Wir haben drei Schulen für Hochbegabtenförderung in dieser Legislaturperiode beschlossen. Eine Schule hat bereits begonnen, in Kaiserslautern zum letzten Schuljahr, eine weitere wird jetzt in Mainz zum kommenden Schuljahr starten. Wobei diese Schulen sich ganz speziell der Hochbegabten annehmen. Dass die besondere Potenziale und Chancen haben, die man auch fördern muss – wobei das nicht immer gleichzusetzen ist damit, dass das auch die besten Schülerinnen und Schüler sind, weil Schülerinnen und Schüler, die unterfordert werden, eben auch Probleme haben können.

    Erstaunlich genug: Viele der in den vergangenen drei Jahren angeschobenen Änderungen sind tatsächlich schon im Schulalltag angekommen. Das gilt für das Ganztagsschulprogramm ebenso wie für Eliteschulen oder die Leistungsstandards.

    Unabhängig von Bildungsstandards und sonstigen Maßnahmen, veröffentlicht die OECD heute – in diesen Minuten – die Ergebnisse der zweiten großen PISA-Studie. An der Untersuchung beteiligten sich 41 Staaten, 250.000 Schüler wurden getestet, in Deutschland nahmen 216 Schulen mit insgesamt 4660 Schülern teil. Alle Probanden waren 15 Jahre alt.

    Getestet wurden wieder die Lesefähigkeit sowie mathematische und naturwissenschaftliche Kenntnisse. Bei PISA 2 steht allerdings die Mathematik im Mittelpunkt. Natürlich sind die Ergebnisse streng geheim, aber was ist bei so stark beachteten Informationen schon geheim – vor allem wenn sich damit trefflich Politik machen lässt?
    Vor zwei Wochen veröffentlichte die Nachrichtenagentur dpa erste Ergebnisse der neuen PISA-Studie: Deutschland dümpelt wieder im Mittelfeld, schlimmer noch, bei der Lesefähigkeit sei man weiter abgerutscht. Vor allem aber habe sich bei der Chancengleichheit nichts getan: Kinder aus sozial schwachen Familien und Zuwandererkinder haben in Deutschland außergewöhnlich schlechte Bildungschancen. Im internationalen Vergleich seien nur Ungarn, Belgien und Portugal noch schlechter – das zumindest berichtete der Spiegel in seiner Online-Ausgabe.


    Wieder ging ein Aufschrei durch die Republik, landauf, landab fragten sich Politiker und Bildungsstrategen, wie es nun weitergehen soll. Die wichtigen Akteure bei der OECD hielten sich aber bedeckt. Ausweichend gab Berlins Schulsenator Klaus Böger im ZDF zu Protokoll.

    Veränderungen im Bildungssystem mit Wirkungen dauern länger. Sie können nicht erwarten, dass wir nach zwei, drei Jahren ein völlig anderes Bildungssystem haben. Wir haben aber die Betonung gelegt auf vorschulische und Grundschulausbildung, wir haben Standards festgelegt, wir haben ein Institut in Berlin gegründet, dass zukünftig sehr exakt alle Fächer nach einheitlichen Standards bundesweit kontrolliert, also wir haben schon gehandelt.

    Beim zweiten Pisa-Test haben sich die deutschen Schüler gegenüber der ersten Studie vor drei Jahren kaum verbessert. Der Wissens-Rückstand gegenüber den besten Bildungsnationen Finnland, Südkorea und Japan beträgt im Durchschnitt rund eineinhalb Jahre. Besonders schlecht bestellt ist es in Deutschland um die Chancengleichheit. Nach der neuen Untersuchung ist die so genannte "soziale Selektivität" besonders hoch. Schüler aus einfachen Familien hätten eine ungleich geringere Chance, ein Gymnasium zu besuchen als Akademikerkinder - selbst wenn sie über die gleiche Intelligenz verfügen.

    Schlechte Noten gibt es weiterhin beim Lesen: Jeder fünfte Schüler in Deutschland kann laut neuer Pisa-Studie einfachste Texte nicht lesen und verstehen sowie selbst am Ende seiner Pflichtschulzeit allenfalls auf Grundschulniveau rechnen. In Naturwissenschaften beträgt der Anteil dieser "Risikoschüler" 23,6 Prozent. Allerdings erlangten die Jungen in Mathematik bei der deutschen Pisa-Auswertung einen höheren Kompetenzwert als die Mädchen – das zumindest schreibt die "Welt" in ihrer Wochenendausgabe. Dafür haben Mädchen beim Lesen wesentlich bessere Werte als Jungen.

    Einen leichten Leistungszuwachs gibt es vor allem im Fach Mathematik. Immerhin belegt Deutschland jetzt Platz 16, womit die deutschen Schüler etwas besser als der OECD-Durchschnitt sind. Bei den Naturwissenschaften liegt Deutschland sogar auf Platz 15.

    Wie bei der ersten PISA-Studie, siegt Finnland auch bei PISA 2 in allen Disziplinen:
    In Mathematik erreicht das Land 544 Punkte, 543 in der Lesekompetenz 543 Punkte und 548 in Naturwissenschaften. 500 sind OECD-Durchschnitt. Großbritannien ist übrigens disqualifiziert worden – sie hatten nicht genügend Testteilnehmer.

    Im Bereich Lesekompetenz liegen die deutschen Schüler mit 491 Punkten zwar unterhalb des Mittelwertes der OECD-Länder, allerdings erkennen Experten in diesem Ergebnis eine "Stabilisierung". Durchaus erfreulich ist das Abschneiden der deutschen Schüler im Bereich "Problemlösen". Hier erreichten sie 513 Punkte und lagen damit deutlich über dem Durchschnitt von 500 Punkten. Nur sechs Staaten sind besser - darunter Korea, Finnland und Japan.

    Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Deutschland zwar keinen Spitzenplatz belegt, der Aufwärtstrend aber erkennbar ist. Erste Maßnahmen, so Berlins Schulsenator Klaus Böger, machen sich bemerkbar.

    Ich glaube, dass es sehr daran liegt, dass wir zu wenig vor der Schule tun und in der Primarstufe tun, denn da werden die Grundlagen gelegt. Ich beispielsweise werde im nächsten Jahr die Kinder früher einschulen, es gibt eine Verpflichtung Deutsch zu lernen für die Kinder, die noch nicht so weit sind in ihrem Sprachvermögen.

    Und man kann nicht immer alles auf das fehlende Geld schieben. Allerdings mahnt der Bildungspolitiker auch hier eine Trendwende an.

    Man kann nicht immer sagen, wir brauchen mehr Geld, da bin ich dagegen, aber eines ist doch klar: Alle reden ständig von Bildungsinvestitionen in die Zukunft, aber faktisch handeln tun wir in diesem Land nicht. Es gibt noch zu viel Geld in Betoninvestitionen und zu wenig Geld in Kopfinvestitionen, aber da liegt unsere Zukunft.