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PISA-Informationen

Lösen die Ergebnisse von Leistungstests unter deutschen Schülern in der Öffentlichkeit neuerdings in schönster Regelmäßigkeit eine Art Schock aus, so setzen Erziehungswissenschaftler der Universität Siegen zur Ehrenrettung des gescholtenen Nachwuchses an. Sie befinden, dass Etiketten wie "lese- und rechtschreibschwach" allzu leichtfertig vergeben werden. Die Wissenschaftler haben versucht, ihre Studien zur Lesefähigkeit auf eine breitere Basis zu stellen. Nicht allein 6000 Schüler verschiedenen Alters, sondern auch deren Lehrer, sowie angehende Handwerksmeister haben für die Studien Leseproben gegeben - mit dem Ergebnis, dass die Schüler im Vergleich zu ihren Lehrern gar nicht so schlecht abschneiden: Ein Drittel der Viertklässler sei beispielsweise gleichauf mit den leistungsschwächeren Lehrern, befinden die Forscher. Gewonnen haben sie ihre Erkenntnis aus so genannten Stolperwörtertests - kurze Sätze, in die sich Fehler eingeschlichen haben, die es zu erfassen und zu korrigieren gilt. 30% der Zehnjährigen bestehen die Stolperwörtertests in Genauigkeit, Geschwindigkeit und inhaltlichem Verständnis, ein Teil der Lehrer hingegen stolpert. Noch besser die Ergebnisse der Viertklässler im Vergleich mit Handwerkern. Die Siegener Wissenschaftler wollen nun die PISA - und IGLU-Studie relativiert wissen, vor allem aber appellieren sie an Lehrer und Schulbehörden, die Leseförderung nicht mit der Grundschule enden zu lassen.

Vobn Jacqueline Boysen |
    Im Stadtstaat Berlin wird in den fünften und sechsten Klassen der Grundschulen ab dem kommenden Schuljahr ein Fach "Naturwissenschaften" unterrichtet. Dieser nach Ansicht von Schulsenator Klaus Böger, SPD, "völlig neue Ansatz, die Welt zu sehen", soll den herkömmlichen Biologie- und Physikunterricht ersetzen. Auf pragmatisch-praktische Art sollen den Schülern die verschiedenen Alltagsphänomene erklärt werden: Ob Kurzschluss oder Vulkanausbruch, Photosynthese oder Immunschwäche - all das steht noch in den Sternen, präzise Standards und Inhalte hat die Schulverwaltung noch nicht definiert. Auch die Frage, welche Qualifikation die Lehrer für ihr neues Fach mitbringen müssen, ist noch nicht beantwortet, angesichts des Lehrermangels und der nicht eben zahlreichen Lehramtsstudenten an den naturwissenschaftlichen Fakultäten zeichnet sich hier das ab, was im Bürokratenjargon wohl "Umsetzungsproblem" genannt wird.

    Dass sich die Lehrerausbildung stärker an den Bedürfnissen der Schulen orientiere, wünscht sich die Hessische Kultusministerin Karin Wolff, CDU: Sie hat ein neues Gesetz zur Qualitätssicherung der Schulen auf den Weg gebracht und verändert in erster Linie die gesetzlichen Vorgaben für die Lehrerbildung. Verbindliche Praktika werden in den Studienverlauf eingeführt - sowohl in Schulen wie auch in Betrieben müssen Lehramtskandidaten Erfahrungen sammeln, bevor sie in hessischen Schulen unterrichten dürfen. Die künftigen Lehrer sollen sich nicht erst im Referendariat vor einer Klasse wieder finden, sondern frühzeitig überprüfen, ob sie tatsächlich für den Lehrerberuf geeignet sind. Wer das zweite Staatsexamen in der Tasche und eine Stelle in der Schule schließlich angetreten hat, ist indes der eigenen Qualifizierung nicht etwa entwachsen: Schließlich wird auch die Verpflichtung zur Fort- und Weiterbildung nunmehr gesetzlich festgeschrieben. Regelungen zum Ganztagsunterricht und zur Querversetzung von einer Schulform zur nächsten - ohne dass der Schüler Zeit verliert und sitzen bleibt - werden ebenso getroffen, wie zur Verkürzung der Gymnasialzeit. In Hessen lässt man sich mit der Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren allerdings Zeit und erhält die herkömmliche gymnasiale Oberstufe, beispielsweise um Realschülern den Übergang ins Gymnasium nicht zu verbauen.

    Anders die Pläne in Bayern: auch hier wird mit dem neuen Schulgesetz die Verkürzung der Abiturzeit von 13 auf 12 Jahre eingeführt, womit eine "moderne Schule bayerischer Prägung" geschaffen würde, wie sich Kultusministerin Monika Hohlmeier, CSU, ausdrückt. Sie hat nicht versäumt, dem ganzen auch noch einen innovativen Titel zu verpassen: G8 heißt das achtjährige Gymnasium in Bayern künftig und es soll über ein System von Intensivierungsstunden schwächere Schüler fördern, sowie begabteren die Möglichkeit zur rascheren Erarbeitung des Stoffes geben. Auch in Bayern löst man sich von den traditionellen Fächern Physik, Biologie und Chemie, zugunsten eines offenbar zeitgemäßen Faches namens Natur und Technik.

    Nicht ganz einstimmig allerdings wird das neue Schulgesetz im Freistaat angenommen: das Musikgymnasium in Regensburg jedenfalls fürchtet um seine Domspatzen: Dass es ohne 19-Jährige Chormitglieder an tiefen Stimmen mangeln wird, sei schon schlimm genug. Mehr noch fürchtet Domkapellmeister Roland Büchner, dass den jüngeren Domspatzen soviel Lehrstoff aufgebrummt werde, dass ihnen zum Singen die Luft fehle.