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PISA-Informationen

So richtig unkreativ und schlecht ausgebildet sind die deutschen Schüler offenbar doch nicht. Allen Unkenrufen und allen internationalen Vergleichsstudien a la PISA zum Trotz hat der Nachwuchs nämlich zum Wochenanfang bewiesen: Wir können was! Und wo ließe sich das besser zeigen als beim Bundeswettbewerb "Jugend forscht", dessen Sieger Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn am letzten Montag in Saarbrücken auszeichnete. In elf Kategorien gab es erste Preise, und wie praxisnah die Ergebnisse der Jugendlichen sind, zeigt vor allem ein Beispiel: Eine Schülergruppe hatte in ihrer Freizeit mal eben so ein funktionierendes Maut-System entwickelt. Die Profis von T-Mobile und Siemens, die mit ihren peinlichen Fehlversuchen zum selben Thema in den letzten Monaten zur bundesweiten Lachnummer avancierten, haben dem Vernehmen nach schon bei den schlauen Schülern angeklopft und um einen Besuchstermin gebeten.

Von Armin Himmelrath |
    Auch die hessische Kultusministerin Karin Wolff findet, dass die Schülerinnen und Schüler - zumindest in ihrem Bundesland - gar nicht so schlecht sind, wie immer behauptet wird. Und das gelte auch für das hessische Schulsystem insgesamt. Grund für die positive Bilanz: Zum ersten Mal wurden jetzt in Hessen so genannte Orientierungsarbeiten ausgewertet, die 3100 Schüler an 56 Grundschulen im letzten Jahr geschrieben hatten. Die Drittklässler bekamen dazu landesweit einheitliche Aufgaben in Deutsch und Mathematik. Mit den Ergebnissen, sagt Karin Wolff, könne man einerseits Stärken und Schwächen der einzelnen Schüler erkennen, andererseits aber strukturelle Probleme innerhalb einer Schule identifizieren. Das Pilotprojekt war so erfolgreich, dass diese Orientierungsarbeiten ab dem nächsten Schuljahr für alle Grundschulen in Hessen verbindlich werden. Benotet werden die Vergleicharbeiten jedoch nicht, denn es gehe nicht um ein Ranking, so das zuständige Schulministerium. Den größten Handlungsbedarf sieht Karin Wolff im Bereich der Orthographie; dort sei eine gezielte und individuelle Förderung dringend erforderlich. Entsprechende Schulungen für knapp 800 Lehrer haben bereits begonnen.

    Doch nicht nur in, sondern auch vor und neben der Schule kann und soll gelernt werden, sagt das Deutsche Jugendinstitut in München. Im Auftrag des Deutschen Bundestag hat das Institut ein Konzept zum außerschulischen Lernen entwickelt. Dazu gehört zum Beispiel der Erwerb sozialer Fähigkeiten, etwa durch Aktivitäten in Sportvereinen, Pfadfindergruppen oder bei der Jugendfeuerwehr, sagt der Direktor des Deutschen Jugendinstituts, Thomas Rauschenbach. Als gutes Beispiel für die kreative Umgestaltung des Bildungssystems nennt er ein Projekt des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. In einem bundesweit einmaligen Modellvorhaben sollen 150 Bremer Grundschüler mit sprachlichen Defiziten vier Wochen lang in einem "Sommercamp" betreut und gefördert werden. Eine große Untersuchung in den USA hat nämlich gezeigt, dass die dortigen dreimonatigen Sommerferien ein wesentlicher Grund sind für gute und schlechte Lernleistungen. Die einen Kinder werden in den Ferien nämlich durch ihre Familien gefordert und gefördert, während andere im schlechtesten Falle nicht einmal deutsch sprechen und dadurch in ihrem schon erreichten Sprachvermögen zurückfallen. Wünschenswert, so das Jugendinstitut, wäre solche Projekte in jeder Stadt und jeder Schule.

    Zum Schluss noch ein Blick in die Kindergärten. Da sieht es finster aus. Jedenfalls, was die Musikerziehung angeht. Im wahrsten Sinne des Wortes sang- und klanglos werde der Musikunterricht und das Singen im Kindergartenalter vernachlässigt, haben Forscher der Universität Eichstätt herausgefunden. Denn viele Eltern singen mit ihren Kindern selber nicht mehr, so dass diese Aufgabe an die Erzieherinnen in den Kindereinrichtungen weitergereicht wurde. Die aber sind für Gesang und Musik völlig unzureichend ausgebildet, sagt der Eichstätter Musikpädagoge Peter Brünger. Deshalb sei es kein Wunder, dass den Kindern oft auch keine Freude am Singen vermittelt werde. Brünger hatte 2400 Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen befragt und erschreckende Ausbildungsdefizite festgestellt. Sein Fazit: Alle Kinder besitzen die Anlage zum Singen. Das muss jedoch von frühester Kindheit an gefördert werden. Erzieherinnen sollten deshalb in der Ausbildung selber viel und oft singen, so der Professor - dann würden sie die Freude an der Musik auch an ihre Schützlinge weitergeben.

    Peter Brünger: Singen im Kindergarten. Eine Untersuchung unter bayerischen und niedersächsischen Kindergartenfachkräften. Forum Musikpädagogik Band 56. Augsburg 2003 (Wissner Verlag), 14,80 Euro.