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PISA-Nachrichten

Im Duell der Kanzlerkandidaten wurde es offenkundig: Die Ganztagsschulen sind spätestens nach des Kanzlers Lob für Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn zum Wahlkampfthema avanciert: Die Ganztagsschule soll zur Regelschule werden, erklärt die sozialdemokratische Ministerin und weist, wo immer sie dieser Tage dazu Gelegenheit hat, auf den von ihr entwickelten Finanzierungsschlüssel zwischen Bund und Ländern hin. - Die unionsregierten Länder dagegen lässt die Rechnung kalt: Die Christdemokraten plädieren weiter dafür, den Eltern die Wahl der geeigneten Schulform für ihre Kinder zu überlassen.

Von Jacqueline Boysen |
    Unterdessen kritisieren Bildungsforscher weiter die Debatte um die Folgen der PISA-Studie: Viel zu wenig Beachtung schenke man hierzulande der empirischen pädagogischen Forschung, befindet der Psychologe Ewald Johannes Brunner vom Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Jena. Brunner vergleicht die herkömmlichen Arbeitsmethoden in der Schule mit Fließbandtechniken: Der Frontal-Unterricht orientiere sich noch am Modell des Nürnberger Trichters, sagt Brunner und fordert sowohl die verbindliche Lehrerfortbildung wie auch zeitgemäßes Unterrichtsmaterial.

    Während geplagte Eltern landauf landab gegen den verheerenden Unterrichtsausfall zu Felde ziehen und die hessische Bildungsministerin Karin Wolf, CDU, dem Kampf gegen die ausfallenden Stunden schulpolitische Priorität einräumt, versuchen sich zwei ihrer Ressortkollegen auf einem anderen Terrain zu beweisen: Strafen fürs Schuleschwänzen wollen sie verhängen. So belehrte der Berliner Schulsenator Klaus Böger, SPD, Eltern und Schüler im Gespräch mit einer Boulevardzeitung, dass Schwänzen kein Kavaliersdelikt sei, sondern ein Rechtsvergehen - und mit einem Bußgeld geahndet werden müsse.

    Die Zahl der notorischen Schulverweigerer beläuft sich in der Hauptstadt auf etwa 3000, in der Hansestadt Bremen drücken sich etwa 2000 Kinder und Jugendliche hartnäckig vor dem Schulbesuch. Ein "Schulvermeidungsprogramm" sollte schwänzenden Schülern und ihren Eltern Hilfestellung geben, doch lasse sich auch so die Schulpflicht nicht durchsetzen. Künftig sollen sogenannte "Erziehungsverträge" zwischen Eltern und Schule zur Disziplinierung beitragen. Da sich das Bußgeld bei den Eltern oftmals nicht eintreiben ließe, wird der Bremer Bildungssenator Willy Lemke, gleichfalls SPD, nun prüfen, ob nicht in Extremfällen das Kindergeld gekürzt werden könne - hierzu werde das Land Bremen gegebenenfalls eine Bundesratsinitiative starten.

    Der Senator aus Bremen plant zudem, sich einer schulpolitischen Initiative der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin anzuschließen: Die drei Bundesländer erarbeiten erstmals gemeinsame Rahmenpläne für ihren Grundschulunterricht. In den Fächern Deutsch, Mathematik, Sachkunde, Kunst, Musik und Sport sollen Inhalte und Methoden harmonisiert werden, um den Kindern den Schulwechsel zu erleichtern und gemeinsame Standards zu setzen.

    Wie hoch diese sein können, bewiesen in dieser Woche die Preisträger des Wettbewerbs "Schule macht Zukunft", den das Nachrichtenmagazin Focus auch für das kommende Jahr wieder ausgelobt hat. Die diesjährigen Sieger vom Alexander Hegius Gymnasium aus Ahaus entwickelten getreu dem Wettbewerbs-Motto: "raus aus der Schule, rein in die Unternehmen" zusammen mit einer Software-Firma Visionen vom Leben im "Intelligenten Haus". Die Träger des zweiten Preises, Neunt-Klässler vom Johannes Heidenhein Gymnasium in Traunreut, wiederum widmeten sich der Nanotechnik und nutzen die Preisverleihung gleich zu einer Demonstration ihres grenzenlosen Forscherdrangs: Haare sind es, die von ihnen entwickelten nanotechnischen Messinstrumente analysieren. Und zum Versuchskaninchen wurde niemand geringeres als die Bundesbildungsministerin, der spätestens jetzt klar werden musste, dass schon mal Haare lässt, wer auf dem Bildungssektor reüssieren will.