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Pixar, Grand Theft Auto und 3D-Stereo-Kino

Die Fachschau "fmx" gilt als die kleine, europäische Variante der amerikanischen Siggraph. Auf beiden Veranstaltungen zeigt die Special Effects- und Animationsindustrie, was sie kann. Parallel zur "fmx" in Stuttgart begeisterte überdies das Internationale Trickfilmfestival die Besucher aus 40 Ländern.

Von Maximilian Schönherr | 10.05.2008
    Auffällig viele Top-Vertreter der Special Effects-Industrie kamen diesmal nach Stuttgart. Einer zeigte, wie er die bösen Schleimgesichter im letzten "Fluch der Karibik"-Film modelliert hat. Der Tentakelbart von Davy Jones etwa besteht aus Millionen von Polygonen, also winzigen Teilflächen im Computer und wurde dem Schauspieler erst nach dem Dreh digital aufgesetzt. Carlos Baena gab einen Einblick in die Animation der Hauptfigur des nächsten Pixar/Disney-Films. Sie ist ein komplett im Computer hergestellter rostiger Roboter und heißt Wall-E. Carlos hat es geschafft, ihm mehr Ausstrahlung und Komik zu verleihen als man das bei bisherigen Roboterfilmen erlebt hat. Am Mittwoch saß der Spanier mit Kollegen am Podium eines kleinen Raums, in dem einige Dutzend Studenten aus vielen Ländern Fragen stellten, bevor sie ihre Bewerbung im Raum nebenan abgaben. Die Chancen, genommen zu werden, stehen gut: Pixar sucht wie alle großen Firmen der Industrie auf der fmx Nachwuchs.

    Neben Carlos mit seinem hochgegelten schwarzen Haar sitzt eine unscheinbare Frau mit Brille, Sharon Calahan - sie gehört zu den ganz Großen der Industrie, denn sie hat schon bei Toy Story, dem ersten langen 3D-Film, das virtuelle Licht gesetzt. Mehr noch als beim Realfilm ist es in der 3D-Animation wichtig, dass die Szenen nicht kalt aussehen. Sharons Meisterwerk ist in dem letzten Pixar-Film Ratatouille zu bewundern. Ihren Vortrag am Tag zuvor hatte die Amerikanerin "Creating a delicious look" genannt – einen leckeren Anblick erzeugen. Da geht es um Grundprinzipien von Bildbearbeitung wie Farbtemperatur und Transparenz bei Obst und Gemüse. Jedes einzelne künstlich erzeugte Bild des kulinarischen Rattenfilms musste mit oft Hunderten von Lichtquellen und speziellen Nachbearbeitungseffekten leckerer gemacht werden, etwa durch das Anheben der Farbintensität im Schattenbereich, also unten in der Schale, worin die Tomaten liegen. Sharon Calahan hatte dazu eigens im Herbst Paris besucht und erzählte mir am Rande der Konferenz, wie viel schräger das Licht da einfällt als in San Francisco, und wie wunderbar es zwischen den hellen Häuserwänden hin- und her schwingt, bis es sich dann sanft unten in den Restaurants ausbreitet.

    Natürlich versucht eine solche Konferenz auch, Trends zu setzen, etwa durch den Schwerpunkt "digitales 3D-Stereo-Kino". Bei dieser Technik trägt der Zuschauer eine Brille und sieht die Figuren und Raumschiffe dann aus der Leinwand heraus auf ihn zukommen. In den nächsten drei Jahren soll sich die Zahl der Kinos, in denen solche stereoskopischen Filme gezeigt werden können, auf das Zehnfache erhöhen. Ja, und auch "GTA 4" setzt einen Trend: in einigen Vorträgen und in den Fluren der fmx fielen diese drei Buchstaben, GTA, "Grand Theft Auto" immer wieder. In diesem gerade erschienen, hochrealistischen Computerspiel klaut man Autos und kann damit Fußgänger umfahren, überfahren, mit der Kühlerhaube über Brückengeländer drücken und so weiter. Wegen der Brutalität des Spiels war es Torsten Reil unangenehm, nach seinem Vortrag Interviews zu geben. Der deutsche Wissenschaftler hat in Oxford ein Programm entwickelt, mit dem man Fußgänger im Rechner laufen, rennen und eben auch stolpern, hinfallen und wieder aufstehen lassen kann, ohne ihnen, wie das bisher üblich ist, jeden Schritt einzeln beizubringen. Noch nie in einem Spiel gingen die Menschen so natürlich wie bei Grand Theft Auto 4, auch wenn sie nicht weit kommen, weil ja der Held mit seinem geklauten Auto oder Motorrad sie immer wieder und immer wieder umfährt.