Jule Reimer: Anlässlich der internationalen globalen Bodenwoche in Berlin hatte ich mich heute mit Karl Falkenberg, Generaldirektor für Umwelt bei der EU-Kommission in Brüssel, verabredet. Herr Falkenberg, guten Tag nach Brüssel! Uns hat aber jetzt ein anderes Thema eingeholt, nämlich die in Deutschland heiß diskutierte Pkw-Maut. Was sagen Sie denn als nach dem EU-Umweltkommissar höchster Umweltexperte der EU-Kommission zu dieser Idee? Ist die ökologisch betrachtet überhaupt sinnvoll?
Karl Falkenberg: Guten Morgen! Die Pkw-Maut kann durchaus umweltpolitische Motivation haben. Wir wissen, dass wir mobile Gesellschaft bleiben wollen, wir wissen aber auch, dass wir im Augenblick mit Riesenschritten auf die immobile Gesellschaft zufahren mit unserem Personal- und Individualverkehr. Wir wissen auch, dass der Verkehr in ganz großem Ausmaß zur Luftverschmutzung beiträgt, und da haben wir in Europa viele Hotspots, urbane Zentren hauptsächlich, in denen die Luftqualität so schlecht ist, dass sie zu erheblichen Gesundheitsschäden führt. Also ich denke, dass man aus diesem Gesichtspunkt durchaus über eine Beruhigung des Verkehrs und des Individualverkehrs nachdenken kann, und da kann auch eine Pkw-Maut eine Rolle spielen.
Reimer: Jetzt sagen die Umweltverbände in Deutschland aber meistens, also wenn schon eine Maut, dann bitte streckenbezogen und nicht einfach so eine Vignette.
Falkenberg: Es gibt darüber jede Menge Streit, ich bin auch nicht davon überzeugt, dass eine Maut unbedingt die richtige Lösung ist, es gibt ja auch Umweltzonen, in denen das Einfahren dann nur mit besonders schadstoffarmen Pkws möglich ist. Also ich denke, dass es viele Lösungsansätze gibt und dass man vor Ort sich dafür entscheiden sollte, was der richtige Weg ist.
Reimer: Hilft es denn? In Deutschland ist ja diese Maut eher in der Diskussion, um Geld in die Kassen zu spülen – ist das ein legitimer Ansatz? Um mehr Straßen zu bauen.
Falkenberg: Das ist weniger mein Fachgebiet. Das, was ich in der Diskussion in Deutschland auch mitverfolge und was wir aus Brüssel natürlich mit einer gewissen Sorge auch verfolgen, das ist die Diskussion darüber, ob man denn diese Maut von Ausländern bezahlen lässt und die Deutschen ausklammert. Und das würde hier in Brüssel mit Sicherheit mit großer Kritik gesehen werden. Diskriminierung unter den Europäern ist etwas, das wir mit Sicherheit so nicht akzeptieren könnten und wo ich auch denke, dass der Europäische Gerichtshof letztlich dagegen sich aussprechen würde.
Reimer: Aber eine Spaltung der Kfz-Steuer in eine niedrige Kfz-Steuer plus einer Abgabe für die Deutsche als Ausgleich sozusagen für die Ausländervignette, wäre das denkbar?
Falkenberg: Ich halte die Verknüpfung für problematisch. Ich glaube, dass wir anerkennen, dass die einzelnen Länder, Deutschland das Recht haben muss, sich mit dem Thema Pkw-Maut auseinanderzusetzen, und wenn es eine solche Maut einführen sollte, die es ja in vielen anderen Mitgliedsländern auch gibt, dann dürfte das aus Brüssel insgesamt nicht infrage gestellt werden. Je enger die Verknüpfung dann mit einer Reduktion der Kraftfahrzeugsteuer einhergeht, die im Prinzip auch unter nationale Souveränität fällt, aber je enger diese Verknüpfung ausfällt, desto problematischer würde das aus unserer Sicht. Denn das würde dazu führen, dass diskriminierende Elemente eingesetzt werden, die dann unter europäischen Ausländern und Deutschen unterscheiden würde.
Reimer: Kommen wir zur Bodenrahmenrichtlinie. Eine solche lag ja viele Jahre auf den Tischen der EU-Gremien, jetzt hat die EU-Kommission den Vorschlag frustriert zurückgezogen, berichteten uns Brüsseler Journalisten. Jetzt hieß es auf der globalen Bodenwoche in Berlin, alles nicht so gemeint von der Kommission – gab es da ein Missverständnis?
Falkenberg: Nein, das ist kein Missverständnis, oder sagen wir so: Das, was die Kommission entschieden hat am 1. Oktober, ist, dass sie die Bodenrichtlinie zurückziehen will, wenn es in der jetzigen Legislaturperiode des Parlaments keinerlei Aussicht auf Erfolg gibt. Das Parlament tritt im Mai zu Neuwahlen an, insofern ist es keine Entscheidung gewesen, am 1. Oktober schon zurückzuziehen, aber wir haben uns einen sehr engen Rahmen gesetzt. Wir müssen am Ende von sieben-, achtjährigen fruchtlosen Diskussionen im Ministerrat jetzt auch einsehen, dass es wenig Sinn macht, einen solchen Vorschlag nach wie vor auf dem Tisch zu lassen, wenn er denn wirklich keine Aussicht auf Erfolg hat, und dazu brauchen wir jetzt deutlichere Hinweise. Die gibt es zum Teil, aber die müssen wir jetzt auch bestätigt sehen. Wir haben ein siebtes Umweltaktionsprogramm, das der Ministerrat im November akzeptieren wird. Dort steht ausdrücklich die Bodenrichtlinie auch wieder mit drin. Aber es gibt auch eine Protokollerklärung von einigen Mitgliedsländern, die das so auslegen, dass sie zwar im Prinzip drin steht, sie diese aber nicht für sinnvoll halten.
Reimer: Dazu gehören die Deutschen, zusammen mit den Franzosen und drei anderen Ländern. Jetzt verhandeln da genau die Umweltminister, die vorher auch schon immer nein gesagt haben zur Bodenrahmenrichtlinie – da sind Gabriel und Herr Altmaier dabei, Herr Röttgen war auch dagegen. Warum sollte sich in Deutschland was ändern? Bitte um eine ganz kurze Antwort.
Falkenberg: Ich hab den Eindruck, dass sich in vielen deutschen Ländern die Einstellung geändert hat. Das, was bisher an Kritik geäußert wurde, kommt weitgehend aus dem Süden Deutschlands, und ich hab aus den anderen Teilen Deutschlands, aus anderen deutschen Ländern, von Länderministern teilweise sogar in Koalitionsverträgen festgeschrieben, Zustimmung zur europäischen Bodenrichtlinie. Und ich denke, da muss man jetzt einfach mal sehen, wie sich auch Koalitionsverhandlungen zwischen anderen Partnern als der alten Regierung zu diesem Thema äußern werden.
Reimer: Vielen Dank! Das war Karl Falkenberg, Generaldirektor für Umwelt bei der EU-Kommission in Brüssel zur Pkw-Maut und zur Bodenrahmenrichtlinie.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Karl Falkenberg: Guten Morgen! Die Pkw-Maut kann durchaus umweltpolitische Motivation haben. Wir wissen, dass wir mobile Gesellschaft bleiben wollen, wir wissen aber auch, dass wir im Augenblick mit Riesenschritten auf die immobile Gesellschaft zufahren mit unserem Personal- und Individualverkehr. Wir wissen auch, dass der Verkehr in ganz großem Ausmaß zur Luftverschmutzung beiträgt, und da haben wir in Europa viele Hotspots, urbane Zentren hauptsächlich, in denen die Luftqualität so schlecht ist, dass sie zu erheblichen Gesundheitsschäden führt. Also ich denke, dass man aus diesem Gesichtspunkt durchaus über eine Beruhigung des Verkehrs und des Individualverkehrs nachdenken kann, und da kann auch eine Pkw-Maut eine Rolle spielen.
Reimer: Jetzt sagen die Umweltverbände in Deutschland aber meistens, also wenn schon eine Maut, dann bitte streckenbezogen und nicht einfach so eine Vignette.
Falkenberg: Es gibt darüber jede Menge Streit, ich bin auch nicht davon überzeugt, dass eine Maut unbedingt die richtige Lösung ist, es gibt ja auch Umweltzonen, in denen das Einfahren dann nur mit besonders schadstoffarmen Pkws möglich ist. Also ich denke, dass es viele Lösungsansätze gibt und dass man vor Ort sich dafür entscheiden sollte, was der richtige Weg ist.
Reimer: Hilft es denn? In Deutschland ist ja diese Maut eher in der Diskussion, um Geld in die Kassen zu spülen – ist das ein legitimer Ansatz? Um mehr Straßen zu bauen.
Falkenberg: Das ist weniger mein Fachgebiet. Das, was ich in der Diskussion in Deutschland auch mitverfolge und was wir aus Brüssel natürlich mit einer gewissen Sorge auch verfolgen, das ist die Diskussion darüber, ob man denn diese Maut von Ausländern bezahlen lässt und die Deutschen ausklammert. Und das würde hier in Brüssel mit Sicherheit mit großer Kritik gesehen werden. Diskriminierung unter den Europäern ist etwas, das wir mit Sicherheit so nicht akzeptieren könnten und wo ich auch denke, dass der Europäische Gerichtshof letztlich dagegen sich aussprechen würde.
Reimer: Aber eine Spaltung der Kfz-Steuer in eine niedrige Kfz-Steuer plus einer Abgabe für die Deutsche als Ausgleich sozusagen für die Ausländervignette, wäre das denkbar?
Falkenberg: Ich halte die Verknüpfung für problematisch. Ich glaube, dass wir anerkennen, dass die einzelnen Länder, Deutschland das Recht haben muss, sich mit dem Thema Pkw-Maut auseinanderzusetzen, und wenn es eine solche Maut einführen sollte, die es ja in vielen anderen Mitgliedsländern auch gibt, dann dürfte das aus Brüssel insgesamt nicht infrage gestellt werden. Je enger die Verknüpfung dann mit einer Reduktion der Kraftfahrzeugsteuer einhergeht, die im Prinzip auch unter nationale Souveränität fällt, aber je enger diese Verknüpfung ausfällt, desto problematischer würde das aus unserer Sicht. Denn das würde dazu führen, dass diskriminierende Elemente eingesetzt werden, die dann unter europäischen Ausländern und Deutschen unterscheiden würde.
Reimer: Kommen wir zur Bodenrahmenrichtlinie. Eine solche lag ja viele Jahre auf den Tischen der EU-Gremien, jetzt hat die EU-Kommission den Vorschlag frustriert zurückgezogen, berichteten uns Brüsseler Journalisten. Jetzt hieß es auf der globalen Bodenwoche in Berlin, alles nicht so gemeint von der Kommission – gab es da ein Missverständnis?
Falkenberg: Nein, das ist kein Missverständnis, oder sagen wir so: Das, was die Kommission entschieden hat am 1. Oktober, ist, dass sie die Bodenrichtlinie zurückziehen will, wenn es in der jetzigen Legislaturperiode des Parlaments keinerlei Aussicht auf Erfolg gibt. Das Parlament tritt im Mai zu Neuwahlen an, insofern ist es keine Entscheidung gewesen, am 1. Oktober schon zurückzuziehen, aber wir haben uns einen sehr engen Rahmen gesetzt. Wir müssen am Ende von sieben-, achtjährigen fruchtlosen Diskussionen im Ministerrat jetzt auch einsehen, dass es wenig Sinn macht, einen solchen Vorschlag nach wie vor auf dem Tisch zu lassen, wenn er denn wirklich keine Aussicht auf Erfolg hat, und dazu brauchen wir jetzt deutlichere Hinweise. Die gibt es zum Teil, aber die müssen wir jetzt auch bestätigt sehen. Wir haben ein siebtes Umweltaktionsprogramm, das der Ministerrat im November akzeptieren wird. Dort steht ausdrücklich die Bodenrichtlinie auch wieder mit drin. Aber es gibt auch eine Protokollerklärung von einigen Mitgliedsländern, die das so auslegen, dass sie zwar im Prinzip drin steht, sie diese aber nicht für sinnvoll halten.
Reimer: Dazu gehören die Deutschen, zusammen mit den Franzosen und drei anderen Ländern. Jetzt verhandeln da genau die Umweltminister, die vorher auch schon immer nein gesagt haben zur Bodenrahmenrichtlinie – da sind Gabriel und Herr Altmaier dabei, Herr Röttgen war auch dagegen. Warum sollte sich in Deutschland was ändern? Bitte um eine ganz kurze Antwort.
Falkenberg: Ich hab den Eindruck, dass sich in vielen deutschen Ländern die Einstellung geändert hat. Das, was bisher an Kritik geäußert wurde, kommt weitgehend aus dem Süden Deutschlands, und ich hab aus den anderen Teilen Deutschlands, aus anderen deutschen Ländern, von Länderministern teilweise sogar in Koalitionsverträgen festgeschrieben, Zustimmung zur europäischen Bodenrichtlinie. Und ich denke, da muss man jetzt einfach mal sehen, wie sich auch Koalitionsverhandlungen zwischen anderen Partnern als der alten Regierung zu diesem Thema äußern werden.
Reimer: Vielen Dank! Das war Karl Falkenberg, Generaldirektor für Umwelt bei der EU-Kommission in Brüssel zur Pkw-Maut und zur Bodenrahmenrichtlinie.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.