Dienstag, 30. April 2024

Archiv


Placebo-Effekt bei Parkinson

Eine Art Hirnschrittmacher kann dafür sorgen, dass bei Parkinsonpatienten das typische Zittern stark abgeschwächt wird. Düsseldorfer Mediziner haben das nun auch anders erreicht: mit einem Placebo-Effekt.

Von Kristin Raabe | 05.08.2013
    Dass sie Elektroden im Gehirn haben, spüren Parkinsonpatienten mit einem Hirnschrittmacher in der Regel gar nicht. Verändert der Arzt die Einstellungen, und die Elektroden senden stärkere oder schwächere Impulse aus, merkt der Patient das nur daran, dass sich seine Bewegungsfähigkeit verändert. Dass für Parkinson typische Zittern kann beispielsweise stärker oder schwächer werden. Auch die immer wieder auftretende Steifigkeit der Glieder wird durch die Stärke und die Frequenz der Impulse des Hirnschrittmachers beeinflusst. Ob sich die Beweglichkeit der Parkinsonpatienten allein durch ihre Erwartungen an den Hirnschrittmacher verbessern oder verschlechtern kann, hat der Düsseldorfer Neurologe Lars Wojtecki untersucht. Seinen Patienten kündigte er dazu an, dass er nun die Einstellungen der Elektroden verändern würde.

    "Wir haben das genormt, denen also einen ganz bestimmten Text vorgelesen auf dem beispielsweise stand: Die Symptome, zum Beispiel die Steifigkeit oder die langsame Beweglichkeit, die sie jetzt haben, oder das kommt bei einigen Patienten auch vor: Das Zittern, dass sie jetzt haben, wird deutlich besser werden. Oder in einer anderen Variante haben wir gesagt, ihr Zittern wird jetzt deutlich schlechter werden durch eine neue Einstellung. Oder die dritte Variante war: Es wird sich nichts verändern durch die folgende Einstellung. Das waren quasi die Erwartungsinstruktionen, die wir den Patienten gegeben haben."

    Tatsächlich aber blieben die Einstellungen des Hirnschrittmachers während des gesamten Experiments gleich. Sollte sich die Beweglichkeit der Patienten verändern, so wäre allein ihr Glaube an die Ankündigung des Arztes der Grund dafür. Ein klassischer Placebo-Effekt also. Um das überprüfen zu können, hat Lars Wojtecki vor und nach seiner Ankündigung die Beweglichkeit der Patienten genau vermessen.

    "Man konnte tatsächlich sehen, dass in der Bedingung, in der eine positive Erwartung da war, die wir auch abgefragt haben, wir haben unsere Patienten auch vorher gefragt: 'Wie stark erwarten Sie eine Besserung durch die neue Einstellung?'-, dass dann tatsächlich auch die Bewegung schneller wurde und zwar die Bewegung der Handdrehung insbesondere, die typischerweise durch den Schrittmacher auch verbessert wird, wir konnten also durch die Erwartung, die Bewegung verbessern, die der Schrittmacher durch die eigentliche Stimulation eben auch beeinflusst."

    Ein typischer Placebo-Effekt also, der lediglich durch die positive Erwartung der Patienten ausgelöst wurde. Ob die dahinter steckenden Wirkmechanismen dieselben sind, die auch der Hirnschrittmacher nutzt, lässt sich an den Nebenwirkungen erkennen. Alfons Schnitzler hat an der Universitätsklinik Düsseldorf schon häufig solche Nebenwirkungen bei Hirnschrittmacherpatienten beobachtet.

    "Wir haben auch leichte Nebenwirkungen, und das ist, dass die sogenannte Wortflüssigkeit abnimmt, das heißt also, dass ich nicht mehr so schnell Worte aussprechen kann, wie ohne Stimulation, wobei der Effekt so gering ist, dass man es eigentlich selbst nicht merkt, aber man misst es im Labor. Das heißt also, es ist ein relativ kleiner Effekt, aber man kann es messen, auch wenn der Patient selbst es gar nicht merkt."

    Tatsächlich: Der Placeboeffekt wies dieselben Nebenwirkungen auf, wie es eine Veränderung der Einstellung bei den Hirnschrittmacherpatienten auch tun würde. Je besser die Beweglichkeit, desto langsamer kamen ihnen die Worte über die Lippen. Dabei hatten die Ärzte ihre Patienten vorab gar nicht über solche möglichen Nebenwirkungen informiert.

    "Wir glauben, dass es ein bewusstseinsferner Prozess ist, wahrscheinlich ein Konditionierungsprozess, weil die Patienten über Monate ja schon die Stimulation hatten und unbewusst sozusagen gemerkt haben, und unbewusst den Prozess durchlaufen haben, dass die Sprachfähigkeit etwas schlechter wird, wenn die Bewegungsfähigkeit gut ist und dass sie diesen gegenläufigen Effekt bewusstseinsfern erzeugen konnten. Wir glauben nicht, dass die Patienten eine Erwartung hinsichtlich dieser Sprachfähigkeitsveränderung hatten. Dass ist das besonders Interessante an dem Prozess dahinter."

    Irgendwo im Gehirn der Parkinsonpatienten scheint es also eine Kopplung zwischen der Bewegungsfähigkeit und der Wortflüssigkeit zu geben. Wie sie aussieht und wie sie sich vielleicht beeinflussen lässt, wollen die Düsseldorfer Ärzte in weiteren Studien untersuchen.