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Plädoyer für Brustkrebsscreening ab 40

Ein weiteres Thema auf dem Brustkrebs-Symposium in San Antonio war die Mammographie. In Skandinavien werden Frauen über 50 bereits seit Jahren regelmäßig untersucht. In Deutschland haben sich die Mediziner lange Zeit zurückgehalten mit der Empfehlung einer regelmäßigen Mammographie. Der Nutzen wurde wissenschaftlich angezweifelt. Ab Januar nun startet bei uns das Vorsorgeprogramm. Der Wert des Screenings scheint die Risiken zu überwiegen. Und dazu passen die Ergebnisse die auf der Tagung in Amerika vorgestellt wurden.

Grit Kienzlen |
    Die Vorsorgeuntersuchungen retten Leben. Bei Frauen, die an verschiedenen Mammographie-Studien in Schweden beteiligt waren, sank die Sterblichkeit durch Brustkrebs um mehr als 50 Prozent. Würde jede Frau über 40 jedes Jahr untersucht, sänken die Todesraten sogar noch mehr.

    Das ist die Botschaft von Prof. Stephen Feig, Radiologe am Mount Sinai Hospital in New York an seine amerikanischen Kollegen. Für ihn steht ausser Frage, dass der Brustkrebs deutlich weniger Todesoper fordern würde, würden alle Frauen über 40 ihre Brust jedes Jahr röntgen und nach frühen Anzeichen eines Tumors absuchen lassen. Genau dies hatten andere Ärzte in der Vergangenheit angezweifelt, vornehmlich die beiden Dänen Ole Olsen und Peter Gotzsche. In einem Artikel im Medizin-Journal The Lancet erklärten sie, die sieben wesentlichen Studien, die den Sinn der Mammographien belegten, hätten wegen falscher Analysen keine Gültigkeit:

    Wir haben ihre Einwände ernst genommen und alle Argumente untersucht. Nicht nur wir: Medizinische Organisationen in aller Welt haben das gemacht und die Argumente wurden wirklich von allen wichtigen Organisationen widerlegt, eingeschlossen die WHO, die Amerikanische Krebsgesellschaft und die Dänische wie Schwedische Gesundheitsbehörde. Die Hypothese von Olsen und Gotzsche war einfach nicht wasserdicht. Sie hatten Fehler in ihren Methoden und Fehler in den Annahmen, die sie machten – der Artikel hätte niemals von einer Fachzeitschrift angenommen werden dürfen.

    Die beiden Dänen hatten unter anderem argumentiert, dass die Vorsorgeuntersuchungen zu aggressiveren und unnötigen Behandlungen führten, weil sich im Frühstadium oft nicht erkennen lässt, ob sich ein Knoten wirklich zum Krebs entwickeln wird. Sie akzeptierten zwar, dass die Brustkrebs-Todesraten durch die Mammographie abgenommen hatten. Doch sei die allgemeine Todesrate gleich geblieben. Dies erklärten sie zum Teil damit, dass die Mammographien selbst in wenigen Fällen Anlaß für unnötige und letztlich tödliche Behandlungen gewesen waren. Zum Teil sei die Statistik auch dadurch verfälscht worden, dass Frauen auch mit richtig erkannten Brusttumoren während der Behandlungen gestorben seien und daher nicht in der Brustkrebs-Todesrate mitgezählt wurden, obwohl sie natürlich letztlich doch wegen des Brustkrebs gestorben waren. Die Dänen forderten deshalb, dass der Rückgang der allgemeinen Todesrate von Frauen, nicht die Zahl Brustkrebs-Toten der Wert sind, an dem der Erfolg der Mammographie gemessen wird. Dazu der Radiologe Stephen Feig:

    Es ist nicht vernünftig, von Vorsorgestudien dieser Art zu erwarten, dass man einen Rückgang der allgemeinen Mortalität statistisch sieht. Nicht mal, wenn die Zahl an Brustkrebstoten um die Hälfte vermindert wird. Wegen der Lancet-Veröffentlichung haben sich nun aber einige Studienleiter, darunter die in Schweden ihre Daten noch mal vorgenommen und haben festgestellt, dass sie tatsächlich doch einen Rückgang der allgemeinen Mortalität belegen können.

    Auch das Argument, die Strahlendosen der Mammographie könnten bei jüngeren Frauen mehr Krebserkrankungen hervorrufen, als sie verhindern, lässt Feig nicht gelten:

    Die Strahlendosis ist heute so gering und der belegbare Nutzen so groß: Das ware Risiko besteht heute darin nicht jährlich zur Mammographie zu gehen.

    Allerdings räumt auch Feig ein, dass die Qualität der Mammographien kritisch ist für den Erfolg von Vorsorgeprogrammen. In den nebligen Röntgenaufnahmen die ersten Anzeichen eines Tumors zu sehen, erfordert viel Erfahrung von den Ärzten und vor allem eine konstante Überprüfung der eigenen Leistungen:

    Jeder Arzt muss seine Daten verfolgen: Wie viele Tumore habe ich übersehen? Wieviel angeordnete Brust-Gewebeproben zeigten Krebs? Wie viele Gewebeentnahmen waren unnötig? Und wenn eine Patientin Krebs hat – war das schon auf den vorhergehenden Röntgenaufnahmen zu sehen? Das ist sehr wichtig. Die Ergebnisse hängen ganz eng mit der Qualität der Mammographie zusammen. Man braucht Qualitätssicherungsprogramme dafür und die müssen streng sein.

    Bei uns in Deutschland wird ab dem 1. Januar 2003 die Früherkennungs-Mammographie für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren eingeführt. Bis 2005 soll das Screening in Deutschland flächendeckend möglich sein. Dann bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen Frauen ab 50 alle zwei Jahre eine Früherkennungsmammographie.

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