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Plädoyer fürs zweijährige Referendariat

Horst Günther Klitzing, stellvertretender Bundesvorsitzender des Philologenverbands, hat sich gegen ein verkürztes Referendariat ausgesprochen, wie ein Gesetzentwurf des Landeskabinetts zur Reform der Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen vorsieht. Wie man tatsächlich mit Schülern arbeite, das lerne man nicht auf der Hochschule, warnt Klitzing.

Horst Günther Klitzing im Gespräch mit Armin Himmelrath | 26.11.2008
    Armin Himmelrath: Zu alt, zu faul, zu praxisfern – so sollen sie ja angeblich sein, die deutschen Lehrer, und das Herumprügeln auf den Pädagoginnen und Pädagogen, das ist ja spätestens seit PISA fast schon so etwas wie eine Modeerscheinung geworden. Doch unabhängig von solchen Vorurteilen fordern Erziehungswissenschaftler schon lange, dass die Lehrerausbildung reformiert wird. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat das jetzt für ihr Bundesland zumindest gestern beschlossen. Zukünftig soll das Lehramtstudium, egal für welche Schulart, einheitlich aus drei Jahren Bachelor- und zwei Jahren Master-Ausbildung bestehen. Danach soll dann das auf ein Jahr verkürzte Referendariat folgen. In drei Jahren, also bis 2011, sollen alle Hochschulen ihr Ausbildungsangebot entsprechend umgestellt haben. Am Telefon ist jetzt Horst Günther Klitzing, stellvertretender Bundesvorsitzender des Philologenverbands. Guten Tag, Herr Klitzing!

    Horst Günther Klitzing: Guten Tag, Herr Himmelrath!

    Himmelrath: Fünf Jahre Studium, ein Jahr Referendariat, das alles nach dem Bachelor-Master-System, bekommen wir damit die besseren Lehrer in die Schulklassen?

    Klitzing: Mit Sicherheit noch nicht. Die Studienstrukturänderung ist eine Sache, was danach besser wird, ist was anderes. Aber eines ist natürlich schon, Sie haben es einleitend gesagt, hier auch berücksichtigt worden in Nordrhein-Westfalen bei den Plänen: die stärkere Verzahnung von fachwissenschaftlicher Ausbildung, von fachdidaktischen Anteilen im Studium bereits und auch von Praxisanteilen, das heißt Vorerfahrungen, die die Studienabsolventen dann haben, wenn sie in den Vorbereitungsdienst eintreten.

    Himmelrath: Es soll ja eingeführt werden so ein Praxisjahr oder eine Praxiszeit, eine Praxisphase, die verpflichtend ist vor dem Studienantritt. Das finden Sie grundsätzlich gut?

    Klitzing: Eigentlich nicht, denn man muss schon fragen, was das soll. Nach dem Abitur, muss man sich vorstellen, jemand hat ja die Schule gerade hinter sich gelassen, der wird nicht in kurzer Zeit in der Lage sein, den Wechsel, den Seitenwechsel so vorzunehmen, dass man sagen kann, das ist eine professionelle Einführung. Allerdings man kann das machen, das ist sicherlich nicht das Hauptproblem an dieser Reform, so wie sie jetzt vorgestellt wurde.

    Himmelrath: Wo sehen Sie das Hauptproblem, in der Verkürzung des Referendariats?

    Klitzing: Mit Sicherheit.

    Himmelrath: Warum?

    Klitzing: Das Referendariat, das jetzt mindestens zwölf Monate sein soll, aber wahrscheinlich auf zwölf Monate auch festgeschrieben werden wird - es entspricht den KMK-Vorgaben, muss ich so sagen -, das ist eigentlich die Vorbereitungszeit und die intensive Vorbereitungszeit auf den späteren Beruf. Die Universität ist primär zum Studium da. In dieses Studium kann man Fachwissenschaft und Fachdidaktik natürlich miteinander vereinbaren, man kann sie miteinander kombinieren, das ist sinnvoll. Aber wirklich die Umsetzung, die Fragen, wie kann ich ein bestimmtes Thema in einer Unterrichtsstunde denn auch tatsächlich mit meinen Schülern erarbeiten, das lernt man nicht auf der Hochschule. Dort gibt es auch keine Lehrer dafür, also Hochschullehrer dafür, sondern die gibt es eben im Vorbereitungsdienst. Und alle Erfahrungen zeigen, dass dieser Vorbereitungsdienst eben maßgebliche Vorbereitung für den Ernstfall ist.

    Himmelrath: Das heißt, da würden Sie nicht kürzen wollen. Jetzt ist es ja trotzdem so, dass die Hochschulen nun mit diesem neuen Konzept umgehen müssen. Sie haben zugleich eine zweite Reformbaustelle, an der Sie basteln, nämlich der Umstellung auf Bachelor und Master. Das zusammen, kann das denn überhaupt gut gehen?

    Klitzing: Ach, das schließt sich nicht aus, das kann gut gehen. Und man muss auch sagen, man könnte ja nicht zweigleisig fahren, Lehrerausbildung nach klassischem, ich nenne es mal so, in klassischer Struktur und dann die anderen Studiengänge in Bachelor-Master-Struktur. Also der modularisierte Studiengang mit dem Abschluss Bachelor und Master ist an sich nicht das Hauptproblem. In einigen Bundesländern ist es das, für Nordrhein-Westfalen könnte es das auch werden. Nein, das Entscheidende ist ja, was wird in dem Studium angeboten, was ist verpflichtend für das Studium und was kommt danach.

    Und wenn Sie jetzt ja schon gesagt haben, fünf Jahre plus ein Jahr, dann ist das eine Verkürzung de facto um ein halbes Jahr für Gymnasiallehrer. Die hatten bislang Regelstudienzeit neun Semester, also viereinhalb Jahre, plus zwei Jahre Referendarzeit, das waren sechseinhalb Jahre. Und das wäre jetzt eine Verkürzung, die Nordrhein-Westfalen plant, eindeutig zulasten des Referendariats und im Übrigen auch der fachwissenschaftlichen Ausbildung.

    Um noch mal auf die Frage aber auch zurückzukommen: Es ist natürlich so, wenn man ein Studium verlängert, bestimmte Anteile neu hineinbringt, dann muss man fragen, kann man nicht an einer anderen Stelle kürzen. Und das kann man sicherlich in dem Bereich, in dem der Vorbereitungsdienst bislang allgemeine pädagogische Themen noch in seinen Ausbildungsplan einbauen musste, das kann man in der Tat gut an der Hochschule leisten, aber darüber hinaus eben nicht.

    Himmelrath: Gibt es denn andere Bundesländer, die da ein funktionierendes Vorbild abgeben könnten oder die das deutlich besser machen, als jetzt die nordrhein-westfälischen Pläne?

    Klitzing: Leider nein. Alle Bundesländer haben im Zuge der Umstellung auf modularisierte Studiengänge oder tatsächlich auf Bachelor-Master-Abschlüsse den Vorbereitungsdienst gekürzt oder planen, ihn zu kürzen, da wo es noch nicht endgültig umgesetzt ist. Also das ist eine Vereinbarung und eine Entwicklung, Vereinbarung ans Ende, die man in der ganzen Republik feststellen kann. Das ist also sicherlich nicht positiv.

    Himmelrath: Wenn Sie noch einen Wunschzettel ausfüllen dürften vor Weihnachten an die Bildungsminister zur Lehrerausbildungsreform, was stünde da drauf?

    Klitzing: Das ist gar nicht so ganz kurz zu sagen, aber sie sollten bitte nicht die Hochschulen überfordern, die haben auch andere Aufgaben und werden auch zukünftig sich nicht ernsthafter mit Lehrerbildung befassen, als es unbedingt notwendig ist. Und sie sollten auch die Praxisanteile nicht überschätzen während des Studiums. Es geht nichts über die professionelle Vorbereitung auf den Lehrberuf durch den Vorbereitungsdienst, geleitet durch erfahrene Lehrer und solche, die sich eben darüber hinaus auch noch mit den Theorien beschäftigt haben.

    Himmelrath: Ein Plädoyer fürs zweijährige Referendariat und Skepsis gegenüber den nordrhein-westfälischen Reformplänen für die Lehrerausbildung. Horst Günther Klitzing war das vom Deutschen Philologenverband. Herzlichen Dank!

    Klitzing: Bitte.