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Plagiat oder Zitat?

Die Charité in Berlin streitet mit dem Schriftsteller Falko Hennig über die Verantwortung für Plagiate in einer Jubiliäums-Chronik. Der von der Klinik beauftragte Autor weist jedoch alle Vorwürfe zurück - und erhielt jetzt in erster Instanz recht.

Manfred Götzke im Gespräch mit Philip Banse | 21.02.2012
    Manfred Götzke: Herr Banse, zunächst mal scheint die Sache klar: Es gibt einen verantwortlichen Autor, in dem Buch werden Plagiate gefunden. Wie verteidigt sich Falko Hennig?

    Philip Banse: Falko Hennig sagt, er habe erst mal nur zugearbeitet, gar kein fertiges Manuskript an die Charité geschickt. Das unstreitigste Plagiat wurde übernommen vom Heidelberger Medizinhistoriker Philipp Osten, der den Streit auch ausgelöst hat. Er habe seinen Text mit den von Osten übernommenem Text an seine Auftraggeber geschickt, sagte Hennig, allerdings versehen mit der Quelle und dem Hinweis, dass noch Rücksprachebedarf bestehe. Doch statt sich bei ihm zu melden oder die Druckfahnen des Buchs zur Genehmigung vorzulegen, habe die Charité an seinen Texten "rumgeschraubt" und ohne Rücksprache in den Druck gegeben. Wie die Plagiate in das Buch gekommen sind, habe ich Hennig gefragt:

    "Na, im Moment kann ich das nicht beantworten, weil die Charité in alle Kapitel dieses Buches ohne mich zu informieren Texte unklarer Herkunft hineinkopiert hat. Deshalb kann ich nicht ausschließen, dass es die Charité selber war."

    Götzke: Hennig beteuert, die Charité habe ein Manuskript gedruckt, das er noch gar nicht freigegeben hat, er habe die Texte seiner Mitautoren gar nicht gegenlesen können. Was sagt denn die Uniklinik dazu?

    Banse: Johannes Eisenberg, der Anwalt der Charité, argumentiert, die von Hennig abgegeben Texte hätten zwar mitunter Quellenangaben enthalten, aber es seien keine Anführungszeichen gesetzt worden. Auch habe Hennig nie klar gemacht, dass noch Urheber- und Nutzungsrechte geklärt werden müssten. Der zentrale Vorwurf der Charité an Hennig ist aber, dass er seinen Vertrag nicht erfüllt. Laut Vertrag hätte Hennig ein "vollständiges und vervielfältigungsfähiges Manuskript" abgeben müssen. Das hat er unstreitig nicht getan. Er konnte in der Verhandlung nicht einmal die Texte vorlegen, die er der Charité geliefert hatte. Er könne diese Texte ja "noch mal suchen", sagte Hennig, was den Richter sichtlich irritierte.

    Götzke: Für die Charité ist die Geschichte ja ziemlich peinlich, man fragt sich da so ein bisschen, warum die sich nicht sagen, Schwamm drüber, jetzt wird das Ganze ja noch mal aufgedröselt.

    Banse: Das fragt man sich in der Tat. Für mich stellt sich die Sache so dar: Der Charité fällt reichlich spät ein, dass sie ein Chronik braucht, beauftragt aber keinen promovierten und teuren Historiker, sondern einen mittelloser Autor, der Freund ist eines Oberarztes an der Charité. Der Autor Hennig freut sich über 18.300 Euro Honorar, geht davon aus, dass die Charité und deren Institute Material und Zahlen liefern. Dies sei ihm zugesagt worden, sagt Hennig. Die Charité bestreitet das, auch im Vertrag ist von Zuarbeit seitens der Charité keine Rede. Hennig kommt in Zeitnot, ist überfordert und beauftragt befreundete Autoren mit Chroniktexten - allerdings ohne schriftliche Verträge mit ihnen zu schließen. Es folgt ein Chaos aus Mails, Texten, Textversionen, Textübernahmen, Textbearbeitungen. Beteiligt sind Hennig, seine Autoren und Mitarbeiter der Charité. Es entsteht eine zusammengeschusterte Chronik voller Plagiate und auch das Gericht tat sich, schwer nachzuweisen, wer was wann geschrieben und wie kenntlich gemacht hat. Für die Charité dürfte das eine Angelegenheit unter vielen sein. Für den Autor Hennig geht es um seine Existenz.

    Götzke: In erster Instanz hat Hennig gewonnen – hat der Richter heute schon durchblicken lassen, wie der Streit entschieden wird?

    Banse: Ja. Der Richter hat einen Vergleich vorgeschlagen: Hennig solle 5000 Euro seines Honorars zurückzahlen. Autor Hennig wäre damit einverstanden.

    "Es hätte ein Ende, dann wäre ein Schlussstrich gezogen und ich könnte dann meine Insolvenz verhindern."

    Doch der Charité-Anwalt forderte mehr: Hennig solle auch die Kosten eines anderen Verfahrens zumindest teilweise übernehmen. In diesem anderen Verfahren wollte die Charité Hennig bestimmte Äußerungen zum Chronikstreit verbieten lassen. Dieses Verfahren hat Hennig allerdings gewonnen, müsste die Kosten also eigentlich nicht tragen. Warum der Charité-Anwalt Eisenberg dem mit nach eigenen Angaben 20.000 Euro verschuldeten Autor auch diese Kosten noch aufdrücken wollte, konnte ich ihn nicht mehr fragen: Johannes Eisenberg verlies den Gerichtssaal im Eilschritt und reagierte nicht auf mein Rufen.