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Plagiatsvorwürfe gegen Anette Schavan

Der Bildungsministerin Anette Schavan wird vorgeworfen, sie habe in ihrer Promotionsarbeit zitiert ohne dies kenntlich gemacht zu haben. So ein Gutachten über die Arbeit, dass Medien zu gespielt wurde. Die CDU-Politikerin hatte selbst die Universität Düsseldorf mit der Prüfung beauftragt. Sie erfuhr durch die Medien von den Vorwürfen.

Von Jürgen König | 15.10.2012
    Durch eine Indiskretion wurde das Gutachten bekannt; vermutlich aus dem Promotionsausschuss heraus wurde das als vertraulich eingestufte Papier dem "Spiegel" und der "Süddeutschen Zeitung" zugeleitet. Eine "leitende Täuschungsabsicht" sei zu erkennen, so zitiert der "Spiegel" den Gutachter Stefan Rohrbacher, er ist der Vorsitzende des Promotionsausschusses der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf.

    Eine "leitende Täuschungsabsicht": und zwar "nicht nur angesichts der allgemeinen Muster des Gesamtbildes, sondern auch aufgrund der spezifischen Merkmale einer signifikanten Mehrzahl von Befundstellen". Auf 60 Seiten der erziehungswissenschaftlichen Doktorarbeit von 351 Seiten habe Annette Schavan Originalquellen zitiert, ohne sie als Zitate kenntlich zu machen. Angeführt wird – zum Beispiel – eine Seite, die "in ihrem ersten Drittel vollständig aus wörtlich übernommenen oder (ohne erkennbaren sprachlichen oder inhaltlichen Gewinn) abgewandelten Fragmenten" eines Textes des Soziologen Niklas Luhmann bestehe, nur vereinzelt jedoch habe sie die Stellen als fremdes Gedankengut kenntlich gemacht. Von "übernommenen Textausschnitten" ist die Rede, von "Collage-Technik" – ein vernichtendes Urteil. "Es trifft mich" – so wird Annette Schavan in der "Süddeutschen Zeitung" zitiert, und als ob ihre gesamte geistige Existenz infrage gestellt worden sei, fährt sie fort: "Es trifft mich im Kern. Es trifft den Kern von dem, was mir wichtig ist." Jede Täuschungsabsicht weist Annette Schavan "entschieden zurück" – und nennt es im Übrigen einen "bemerkenswerten Vorgang", von der "Existenz des Gutachtens" nicht durch die Universität, sondern aus der Presse erfahren zu haben. Die Indiskretion dürfte Annette Schavan verletzt haben: Sie hatte selber die Universität mit der Prüfung ihrer Arbeit beauftragt, hatte seither zum Thema eisern geschwiegen, hatte Ende Mai noch gesagt:

    "Ich kann wirklich gut verstehen, dass Sie von mir mal gerne was hören würden. Ich sage aber heute nichts anderes als in den Wochen zuvor und in den Wochen bis Düsseldorf fertig ist. Aus Respekt vor der Wissenschaft - und dann können wir ganz viel darüber sprechen."

    "Bis Düsseldorf fertig ist ... " am Mittwoch soll das sein: Dann will der Promotionsausschuss beraten und eine Empfehlung aussprechen, der der Fakultätsrat der Universität dann in seiner Entscheidung über eine mögliche Aberkennung des Doktortitels folgen kann – oder auch nicht. Eigentümlich ist, dass – entgegen den Gepflogenheiten - die Betroffene vom Promotionsausschuss noch kein einziges Mal gehört wurde und: dass nur ein Gutachter die Arbeit geprüft hat, der noch dazu kein Erziehungswissenschaftler ist, sondern ein Judaist. Dass ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben wird, ist denkbar, aber wenig wahrscheinlich.

    Für den Fall, dass Annette Schavan der Doktortitel aberkannt werden sollte, forderte der bildungspolitische Sprecher der SPD, Ernst-Dieter Rossmann, ihren Rücktritt; Renate Künast von den Grünen sieht die "Glaubwürdigkeit, die man für eine gute Amtsführung braucht", schon als "verloren" an. Regierungssprecher Steffen Seibert dazu heute Vormittag:

    "Der Promotionsausschuss der Universität Düsseldorf setzt sich seinen eigenen Zeitplan; die Bundesministerin hat ihr Recht auf Stellungnahme und wann diese Stellungnahme abgegeben wird, das wird sie mit dem Promotionsausschuss klären. Ich hab gesagt, dass Frau Schavan eine erfolgreiche, hervorragende Ministerin ist, die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen zu ihr."

    Die Universität Düsseldorf will sich im Moment nicht äußern. Auf Anfrage wurde mitgeteilt, die Philosophische Fakultät befinde sich noch im laufenden Verfahren; weiter hieß es, die zuständigen Organe und Gremien dieses Verfahrens hätten "zu keiner Zeit öffentlich Stellungnahmen abgegeben oder sich an Spekulationen beteiligt" und würden es auch weiterhin nicht tun. Dass das vertrauliche Gutachten bereits auf dem Markt ist, erwähnte die Hochschule mit keinem Wort.