Donnerstag, 18. April 2024

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Plakatkunst von Peter Bankov
Trash-Ästhetik als Kontrapunkt

"Jeden Tag ein Plakat", das ist der Grundsatz, den der weißrussische Grafiker Peter Bankov vertritt. Kürzlich hat das Museum of Modern Art in New York einige seiner Plakate gekauft. Jetzt ist in der Ausstellungshalle der Kunsthochschule Berlin-Weißensee die erste Peter-Bankov-Ausstellung in Deutschland zu sehen.

Von Oliver Kranz | 13.04.2016
    Plakatkausstellung "Near to Nothing" von Peter Bankov in Berlin
    Plakatkausstellung "Near to Nothing" von Peter Bankov in Berlin (Kunsthalle am Hamburger Platz / Julia Brodauf)
    In einem ehemaligen Supermarkt hängen Poster an frisch geweißten Wänden. Es gibt keine Beschriftung, keine Informationen über den Künstler und keinen klaren Hinweis, welche Plakate von Peter Bankov stammen - eine wirkliche Werk-Präsentation sieht anders aus. Die Ausstellung ist ein improvisiertes Projekt der Kunsthochschule Weißensee, an der der Künstler kürzlich einen Plakat-Workshop geleitet hat. Die Arbeiten der Studenten werden neben Bankovs eigenen ausgestellt und sind kaum von ihnen zu unterscheiden. Sein Stil ist also erlernbar.
    Einen Kontrapunkt gegen die Repräsentationskunst setzen
    "Mir gefällt die russische Trash-Kultur. Wenn ich in Russland durch die Straßen gehe, sehe ich überall handgemalte Plakate. Diesen Stil greife ich auf. Alle meine Poster sollen naiv und selbstgemacht aussehen. Manchmal benutze ich zum Malen keinen Pinsel, sondern Papierrollen - dann werden die Linien nicht so gleichmäßig. Ich male mit geschlossenen Augen oder mit der linken Hand. So sehen die Schriftzeichen, die ich aufs Blatt pinsele, lebendig aus."
    Mit seiner Trash-Ästhetik setzt Peter Bankov einen Kontrapunkt gegen die Repräsentationskunst, die heute in Russland Mode ist, aber auch gegen die gestylten Bilderwelten der westlichen Werbung. Seine krakeligen Buchstaben, von denen Farbtropfen herunterlaufen, wirken wie ein Protest. In der Ausstellung ist ein Theaterplakat zu sehen, in dem Hammer und Sichel ein böse grinsendes Gesicht ergeben. Romeo und Julia tauchen als Bälle auf, die von stachligen Bäumen aufgespießt werden. Politische Plakate zeigt Peter Bankov nicht.
    "Ich habe kein Atelier in Moskau, sondern arbeite dort einfach in einem Treppenhaus. Das ist für mich ein Ort, wo es keine Politik gibt. Man kann nach oben oder unten gehen oder verweilen und über das Leben nachdenken. Das tue ich. Ich male mit meinem Pinsel auf den Bildern herum, die an den Wänden hängen. Und es interessiert mich nicht, was hinter den Wänden passiert."
    Das ist natürlich tiefgestapelt. Unter den Plakaten, die Peter Bankov im Internet veröffentlicht, finden sich Stellungnahmen zur Ermordung von Boris Beresowski oder den Protestdemonstrationen auf dem Bolotnaja Platz in Moskau. Drei Musikerinnen von Pussy Riot erscheinen als Vögel, deren Hälse in schwarzen Schlingen stecken. Eine vierte Schlinge ist noch leer.
    "Mit Hilfe der kyrillischen Schrift eine neue plastische Kunstsprache schaffen"
    Peter Bankov will die Rolle des Oppositionellen nicht spielen. Er ist nicht nur Künstler, sondern auch Unternehmer. Das Grafikstudio, das er in Moskau betreibt, gehört lange zu den größten des Landes. Politischer Ärger wäre geschäftsschädigend - das ist Peter Bankov klar. Sein neues Interessengebiet ist die kyrillische Schrift.
    "Die kyrillischen Buchstaben sind für mich eine fremdartige, unbequeme Schrift - beeinflusst von arabischen und lateinischen Schriftzeichen. Sie haben etwas Bildhaftes und etwas Abstraktes. Ich kann sie wie ein Stencil aufs Plakat malen und eine Verbindung zur Street Art herstellen. Das finde ich interessant. Ich möchte mit Hilfe der kyrillischen Schrift eine neue plastische Kunstsprache schaffen."
    Auf Peter Bankovs Plakaten stehen kyrillische und lateinische Schrift oft nebeneinander - ein Plädoyer für die Vielfalt der Kulturen. In Moskau hält er sich nur noch zeitweise auf. Er hat sich in Prag einen zweiten Wohnsitz zugelegt.
    "Mir ist klar geworden, dass ich in Russland nicht komfortabel arbeiten kann. Ich habe einen Ort gesucht, der besser zu mir passt und Prag gefunden. Mir gefällt, dass die Stadt ein Schnittpunkt der Kulturen ist - der slawischen, der jüdischen und der deutschen. Meine Mutter stammt aus einer jüdischen Familie, mein Vater ist ein Wolgadeutscher. Daher ist Prag ein Ort, der gut zu mir passt und wo ich gut arbeiten kann."
    "Wenn ich ein Plakat mache, bin ich in Trance"
    Da Peter Bankov durch sein Grafikstudio in Moskau genug Geld verdient, muss er als Künstler nur noch Aufträge annehmen, die er wirklich mag. Er gestaltet Plakate für Theater, Museen und andere Kulturinstitutionen. Zwischendurch reist er durch die Welt und gibt Workshops - zum Beispiel in China.
    "Die chinesischen Studenten waren unglaublich fleißig, aber haben letztlich nur meinen Stil kopiert. Die Studenten hier hingegen haben eher meine Arbeitsweise übernommen, nicht den Stil."
    Das Werbeplakat für die Ausstellung hat Bankov selbst gestaltet – eine Collage mit verschiedenen Schriften und einem Leninbild. Was hat der russische Revolutionär mit dem Projekt zu tun? Solche Fragen darf man Peter Bankov nicht stellen.
    "Wenn ich ein Plakat mache, bin ich in Trance – und das meine ich wörtlich. Ich denke nicht nach, sondern hole Bilder und Schriften heraus, die ich vorher gesammelt habe und experimentiere mit ihnen herum. So eine Trance dauert manchmal mehrere Stunden. Wenn das Plakat fertig ist, spüre ich das und höre auf."