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Plan B für Madagaskar

Biologie. - Biologen konstatieren ein globales Amphibiensterben, das in kommenden Jahrzehnten möglicherweise ein Drittel der heute rund 6000 bekannten Amphibienarten ausrotten könnte. Eine Ursache ist ein Pilz, dem vor allem Frösche zum Opfer fallen.

Von Marieke Degen | 18.08.2008
    Die Masoala-Halle ist die Attraktion des Zürcher Zoos: Ein Hektar original Masoala-Regenwald aus Madagaskar unter einer gigantischen Konstruktion aus Glas und Stahl. Hinter der Glasschiebetür schlägt den Besuchern tropische Hitze entgegen und der Geruch nach feuchten Pflanzen. Wasserfälle rauschen, und auf den Bäumen turnen Lemuren herum, katzenartige Äffchen mit langen, gestreiften Schwänzen. Hinter den Kulissen sind aber andere die Stars, zumindest für Samuel Furrer, Kurator und Amphibienexperte im Zoo Zürich.

    "Diese Buntfröschchen hier, die sind zwei Zentimeter lang, wunderschön gefärbt, haben so eine Oliv-gelbe Rückenzeichnung und schwarz gefärbte Extremitäten, und wenn man so ein bisschen auf die Bauchseite schielen kann, dann sieht man, dass sie dort wunderschön türkis-blau gepunktet sind."

    Buntfröschchen sind nicht nur hübsch, sie sind auch fürsorgliche Eltern. Samuel Furrer nimmt eine kleine schwarze Filmdose aus einer Holzbox, die auf einem moosigen Regal steht. Filmdosen sind ideale Laichplätze für Buntfröschchen.

    "Hier ist eine ganz junge Quappe drin, und die werden jetzt regelmäßig vom Weibchen aufgesucht, da kann man sehen, da hat es eine Larve drin und zwei Eier. Die Eier, das sind Nähreier, also die Mutter kommt regelmäßig dazu und setzt ein Ei ab, und das wird von der Larve dann gefressen. Die Larve macht da einen ganz fitten Eindruck."

    Die Buntfröschchen sind eine von fünf Froscharten aus Madagaskar, die in der Masoala-Halle genau studiert werden sollen. Was brauchen sie, um sich wohl zu fühlen, und wie lassen sie sich am besten nachzüchten? Denn die Zürcher Zoologen bereiten sich auf den Ernstfall vor: Auf die Rettung von hunderten Fröschen aus Madagaskar. Der Insel droht ein großes Froschsterben. Schuld daran ist Chytrid, ein Pilz, der Amphibien befällt und ihre Haut zerstört. Nicht alle Tiere sterben an der Infektion, aber unter bestimmten Umständen kann Chytrid ganze Populationen hinwegraffen. In Südamerika sind auf diese Weise schon ganze Arten ausgestorben. Mittlerweile ist der Pilz auf dem ganzen Erdball verbreitet – außer auf Madagaskar. Sollte Chytrid die Insel erreichen, sieht es für die Froschwelt finster aus, sagt Stefan Lötters, Amphibienforscher von der Universität Trier. Er hat die Wohlfühltemperatur des Pilzes, seine so genannte Klimanische, untersucht. Sie liegt bei 17 bis 25 Grad Celsius.

    "Die Klimanische des Pilzes, die findet sich auf Madagaskar wieder, und deckt sich absolut mit den Gebieten, wo die größte Artenvielfalt herrscht, das heißt, wo die meisten der vielen Frösche auf Madagaskar vorkommen."

    Die madagassischen Tiere leben praktisch isoliert auf der Insel. Und genau das könnte den Fröschen jetzt zum Verhängnis werden.

    "Wenn dieser Pilz da nicht vorkommt, dann haben diese vielen Arten auch keinen natürlichen Schutz gegen diesen Pilz, und wären dem Pilz hilflos ausgeliefert. Wir müssen also befürchten, dass es ein Massensterben gibt auf Madagaskar, wenn dieser Pilz dorthin kommt."

    Und das ist laut Stefan Lötters nur noch eine Frage der Zeit. Froschschenkel sind auf Madagaskar äußerst begehrt. Ständig wird Froschfleisch importiert, und mit ihnen möglicherweise irgendwann auch der Pilz. Dann hilft wahrscheinlich nur eines: Die Tiere aus dem Gebiet herausholen, in Zoos bringen und nachzüchten. Das gelingt aber nur,wenn die Forscher die Lebensgewohnheiten der Arten genau kennen.

    "Und es wird nicht so sein, dass man mit den hoch bedrohten Arbeiten gleich anfängt, sondern wir versuchen Arten zu nehmen, die eine ähnliche Biologie haben, und dann dieses Know-how dann umsetzt auf die jeweilige bedrohte Art."

    Ein ganzes Netzwerk von europäischen Zoos ist an der Rettungsaktion in spe beteiligt. Im Fall der Fälle könnten so mehrere Hundert Froscharten in den Zoos überleben – und vielleicht irgendwann einmal wieder ausgewildert werden. Auch die Buntfröschchen aus Zürich werden in ein paar Jahren wieder ausgesetzt, in der Masoala-Halle. Sehen werden sie die Besucher zwar wahrscheinlich nicht, die Frösche sind ja nur zwei Zentimeter lang. Aber ab und zu wird ihr Quaken im Regenwald auf dem Zürichberg zu hören sein.