Sonnensystem
Neuer Planet wird wahrscheinlicher

Seit Pluto zum Zwergplaneten degradiert wurde, fehlt ein neunter Planet im Sonnensystem. Es mehren sich jedoch die Anzeichen, dass es ihn gibt – und ein neues Teleskop könnte bald ein erstes Foto des Himmelskörpers schießen.

Von Guido Meyer |
    Sonnensystem - es sind mehrere Himmelskörper zu sehen. Elemente dieses Bildes stammen von der NASA.
    Insgesamt acht Planeten kennen wir aktuell in unserem Sonnensystem. Sind es bald neun? (picture alliance / imageBROKER / NASA)
    Unregelmäßigkeiten im äußeren Sonnensystem liefern starke Indizien für die Existenz eines weiteren, bislang unbekannten neunten Planeten im Sonnensystem. Er dürfte alles andere als klein sein, da seine Anziehung dort draußen im All so einiges durcheinanderbringt.

    Inhalt

    Wieso glauben Astronomen, dass es doch neun Planeten gibt?

    Neptun ist seit 2006 offiziell der äußerste Planet des Sonnensystems. Er ist so weit von der Sonne entfernt wie sonst kein anderer. Pluto dreht seitdem nur noch als Zwergplanet seine elliptischen Bahnen um die Sonne. Er erfüllt nicht alle Kriterien, die die Internationale Astronomische Union (IAU) seit 2006 an Planeten stellt.
    Neben Pluto gibt es viele weitere Zwergplaneten im Sonnensystem, unter anderem Quaoar, Haumea, Makemake. Bei der Erforschung dieser Himmelskörper stellten Astronomen in den vergangenen Jahren etwas Merkwürdiges fest: Ihre Bahnen zeigen in die gleiche Richtung, und sie fliegen alle im gleichen Winkel geneigt um die Sonne. Das ist der Grund, warum die Mehrheit der Astronomen glaubt, ein weiteres, noch viel größeres Objekt – eben ein „richtiger“ Planet – würde seine kleineren Geschwister dort draußen auf ihre skurrilen Bahnen zwingen.

    Welche Hinweise gibt es auf die Existenz eines weiteren Planeten und was weiß man über ihn?

    Niemand hat bislang einen weiteren Planeten am Rand des Sonnensystems nachgewiesen. Hinweise auf die Existenz von "Planet 9" oder "Planet X" - wie der mögliche neue Planet auch genannt wird - liefern bislang nur Modelle und Simulationen. Aber diese Computerberechnungen funktionieren so gut, dass sie sowohl die ungefähre Entfernung dieses möglichen Planeten als auch seine Masse berechnen können. Wenn es ihn also gibt, wüssten Astronomen zumindest ungefähr, wo er sich befindet: Sein Abstand von der Sonne muss so immens sein, dass selbst das Sonnenlicht zwei Tage benötigen würde, um ihn zu erreichen.
    Doch wo genau am Nachthimmel der Planet zu suchen ist, wissen Forscher nicht. Nicht einmal, an welcher Stelle seines Orbits er sich gerade befindet, können sie sagen. Astronomen glauben, dass der Planet 20-mal so weit von der Sonne entfernt sein könnte wie der bislang äußerste Planet Neptun. Dies entspricht einer Entfernung von fast 60 Milliarden Kilometern. Aber seine Umlaufbahn ist elliptisch. Er könnte also derzeit „nahe“ bei uns sein, am Rand des Sonnensystems oder ganz weit außerhalb.

    Welche Möglichkeiten des Nachweises gibt es?

    Um die Existenz des Himmelskörpers zu beweisen, bräuchten Astronomen Fotografien davon. Würde sich auf den Aufnahmen zeigen, dass er sich über den Himmel bewegt, könnten sie ausschließen, dass es sich um einen Stern handelt. Denn Sterne tun das nicht. Aus dieser Bewegung ließe sich seine Bahn berechnen und die Frage klären, ob er auch um die Sonne kreist oder nicht.
    Ob es sich dann wirklich um einen Planeten oder nur um einen weiteren Zwergplaneten handelt, ist damit aber noch nicht geklärt. Dazu müssten Astronomen überprüfen, ob der neu entdeckte Himmelskörper seine Umlaufbahn „gesäubert“ hat. Das bedeutet, in seiner Umlaufbahn befinden sich keine Eis- und Gesteinsbrocken. Nur ein gesäuberter Orbit qualifiziert einen Himmelskörper dazu, den Titel „Planet“ tragen zu dürfen.

    Wie könnte „Planet 9“ aussehen?

    Wahrscheinlich handelt es sich um eine Eis- und Gesteinswelt. Dass es so weit draußen im All noch genügend Gase gibt, um eine Atmosphäre zu bilden, ist kaum denkbar.
    Auch eine komplette Welt aus Gas ist unwahrscheinlich: Das Gas aus der Entstehungszeit des Sonnensystems hat sich weiter innen im Sonnensystem angesiedelt. Was bleibt, wäre eine Gesteinswelt von Ausmaßen, die die jedes anderen Gesteinsplaneten im Sonnensystem übersteigt.

    Gibt es auch Zweifel an der Existenz eines weiteren Planeten?

    Es sind im Wesentlichen nur sechs Zwergplaneten, deren Bahnen die skurrilen Eigenschaften aufweisen. Das sei viel zu wenig, um daraus Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des äußeren Sonnensystems zu schließen, argumentieren einige Astronomen.
    Ihre Bedenken können die Anhänger der „Planet-9-Theorie“ nur schwer entkräften: Vielleicht haben wir nur noch nicht genügend Zwergplaneten entdeckt und nachgewiesen – was schließlich alles andere als einfach ist. Vielleicht gibt es noch doppelt so viele von ihnen, bei denen die Scheitelpunkte ihrer Bahnen in eine ganz andere Richtung zeigen? Aber wann würden wir genug von ihnen katalogisiert haben, um das zu entscheiden?

    Welche Rolle spielt das neue Vera-Rubin-Teleskop in den chilenischen Anden beim Nachweis von „Planet 9“?

    Das neue Vera C. Rubin Observatorium ist benannt nach der 2016 verstorbenen US-Astronomin Vera Cooper Rubin. Es ist in den vergangenen Jahren in einer Höhe von 2,5 Kilometern in den chilenischen Anden entstanden. Das Besondere an Rubin: Es ist ein Durchmusterungsteleskop. Im Gegensatz beispielsweise zum Weltraumteleskop Hubble schaut es sich also den gesammten Himmel an, nicht nur einzelne Objekte.
    Dazu beobachtet es 30 Sekunden lang ein und dieselbe Stelle des Nachthimmels. Dabei entsteht ein Foto von einem Himmelsausschnitt, der der 40-fachen Größe des Vollmondes entspricht. Zehn Sekunden später nimmt Rubin ein Bild der benachbarten Stelle am Firmament auf. Und so weiter. So lässt sich der komplette Sternenhimmel binnen drei Tagen einmal durchmustern. Sollte es einen Planeten von der Größe Neptuns geben, sollte Rubin ihn also erwischen.

    Könnten wir „Planet 9“ besuchen?

    Raumsonden haben mittlerweile alle Planeten des Sonnensystems untersucht und es dabei sogar bis zum Zwergplaneten Pluto geschafft.
    Auch ein Flug zu „Planet 9“ wäre prinzipiell möglich. Die Mission würde wahrscheinlich der von New Horizons ähneln, die zu Pluto geflogen war. Zum Einsatz käme dabei ein kleines, leichtes Raumschiff, das extrem schnell fliegen müsste. Es würde allerdings sehr lange dauern, ehe es am Ziel einträfe: „Planet9“ ist 20-mal weiter von der Erde entfernt als Pluto. New Horizons hat fast zehn Jahre gebraucht, um das Ziel zu erreichen - und das war die schnellste Sonde, die die Menschheit jemals gebaut hat. Wenn wir mit der gleichen Technologie zu „Planet 9“ fliegen wollten, würde das etwa 200 Jahre dauern.
    Hinzu kommt ein weiteres Problem. Fliegt eine Sonde sehr schnell, ist es so gut wie unmöglich, sie abzubremsen, um beispielsweise in eine Umlaufbahn um den Himmelskörper einzutreten. Deswegen kommt eigentlich nur ein Vorbeiflug infrage. Das hohe Tempo von New Horizons war auch der Grund, warum diese Sonde nicht in eine Umlaufbahn um Pluto eintreten konnte. Viel erfahren über den neuen Planeten würden wir also nicht .