Ein Physiklabor an der Uni Kiel. Doktorand Fabian Haase steht neben einem wuchtigen Metalltopf, ein Vakuumgefäß mit kreisrunden Guckfenstern. Jetzt beugt er sich über einen Rechner.
"Wir steuern das Experiment mit dem Computer. Da muss ich das Programm kurz starten. So, und jetzt sollten wir ein lila Leuchten sehen. Das ist die typisch lila Farbe eines Argonplasmas."
Milchig-violett und irgendwie geheimnisvoll leuchtet es durchs Guckloch. Haase hat per Mausklick ein Plasma gezündet – ein ionisiertes, also elektrisch geladenes Gas, in diesem Fall Argon. Dann tippt der Physiker einen neuen Befehl in seinen Rechner.
"Ich habe den Druck erhöht. Pro Sekunde lassen wir viel mehr Argon-Gas in die Kammer ein. Und Sie sehen, dass es jetzt deutlich heller, deutlich prägnanter ist."
Vom Plasma geschreddert
Man kann so ein Plasma dazu nutzen, Oberflächen zu beschichten, etwa zum Entspiegeln oder als Verschleißschutz. Dazu lässt man zusätzlich zum Argon weitere Stoffe in den Topf strömen. Die werden vom Plasma gleichsam geschreddert, und die Bruchstücke landen auf der Oberfläche und verbinden sich dort zu einer Schicht. Eine Methode, die auch für die Medizin und die Biotechnologie immer wichtiger wird.
"Man kann mithilfe von Plasmabeschichtungen die Oberfläche so einstellen, dass sie zellabweisend oder zellanziehend sind."
In manchen Fällen möchte man die Mikroben partout von etwas fernhalten, sagt Katja Fricke vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald.
"Zum Beispiel in Schläuchen. Wenn man einen Katheter einsetzt, dass sich dort keine Bakterien ansiedeln sollen, weder außen noch innen. Dass da keine Verkrustungen entstehen und somit Krankheiten ausgelöst werden können. Und das kann man verhindern durch Beschichtungen."
Mischt man dem Plasma außerdem ein wenig Fluorgas bei, entsteht schließlich eine Beschichtung, die die Keime in die Flucht schlägt. Auch Kupfer leistet brauchbare Dienste, es ist Gift für die Bakterien. Fricke und ihr Team entwickeln dabei eine besondere Methode: Statt mit einem klobigen Vakuumtopf versuchen sie es mit dem sehr viel handlicheren Plasmajet. Quasi ein Plasma für die Westentasche.
"Das sieht aus wie ein Kugelschreiber. Da drin ist eine Elektrode. Es wird ein elektromagnetisches Feld aufgebaut. An der Elektrode wird das Plasma gezündet. Es ist wie eine Kugelschreibermine: Mit dem Gasfluss kommt das Plasma wie eine Mine raus aus diesem Stift."
Per Plasmastift aufgebrachte Schicht
Mit diesem Stift lässt sich eine Beschichtung regelrecht auf eine Oberfläche aufmalen. Doch noch steckt das Verfahren im Laborstadium. Offen ist zum Beispiel, wie haltbar die per Plasmastift aufgebrachten Schichten sind. Doch es gibt auch Fälle, bei denen man Zellen nicht fernhalten, sondern ganz im Gegenteil anlocken möchte. Etwa für den Versuch, mit körpereigenen Stammzellen künstliche Knochen zu züchten, die man eines Tages Unfallopfern oder Krebskranken implantieren will.
"Diese Stammzellen werden auf Gerüststrukturen ausgesät und können dort zu Knochenzellen differenzieren. Der Vorteil ist gegenüber anderen Verfahren, das man auf körpereigene Zellen zurückgreift, also keine Abstoßungsreaktionen hat."
Außerdem, sagt Jakob Barz vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart, sollte dieser Stammzell-Kunstknochen schneller einwachsen als etwa ein Implantat aus Titan. Auch bei dieser Methode spielt das Plasma eine zentrale Rolle, und zwar bei der Vorbehandlung jener Gerüste, in denen die Stammzellen zum Kunstknochen heranreifen sollen.
"Die Materialien sind schon implantationsgeeignet. Sie sind allerdings doch recht zellabweisend in ihren Eigenschaften. Dann ist es mit der Besiedlung ein Problem. Plasmabehandlung hilft hier. Es ist dann möglich, das Anwachsen der Zellen deutlich zu verbessern."
Eine Prise Ammoniak
Dazu erzeugen die Forscher ein Plasma, das eine Prise Ammoniak enthält. Dann nämlich entsteht auf dem Material eine stickstoffhaltige Schicht, auf der es die Stammzellen überaus behaglich finden. Und zwar, wie die Fachleute nun herausfanden, nicht nur Stammzellen aus dem Knochenmark, sondern auch Stammzellen aus simplem Fettgewebe.
"Da hat man festgestellt, dass man mit beiden Stammzell-Typen sehr gute Resultate erzielen kann. Dass es keinen wesentlichen Unterschied macht, welchen Typus man nimmt. Die fettgewebsbasierten, die einfacher zu gewinnen sind, sind tatsächlich eine Option."
Denn sollte aus der Methode etwas werden, so müsste man die Stammzellen für den Kunstknochen nicht aus dem Knochenmark extrahieren, sondern könnte man sie viel einfacher aus dem körpereigenen Fettgewebe gewinnen.