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Plastik statt Pappe

Ein jahrelanger Streit war in der Bundesrepublik Deutschland um die Einführung des maschinenlesbaren Ausweises geführt worden. Von einem schwarzen Tag für den Datenschutz sprachen die Kritiker, als am 1. April 1987 die ersten Exemplare ausgehändigt wurden.

Von Annette Wilmes | 01.04.2007
    "Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU möchte im Interesse der Bürger die neuen fälschungssicheren und maschinenlesbaren Personalausweise nun endlich zum 1. April 1987 und den Europapass Ende 1987 einführen."

    Der CDU-Abgeordnete Joachim Clemens in der Bundestagsdebatte über die neuen Ausweise am 28. Februar 1986. Das alte graue, in Berlin grüne, Büchlein aus Papier und Pappe sollte eine Plastikkarte ersetzen.

    "Diese Ausweise sind bürgerfreundlich und verbessern die Möglichkeiten der Verbrechensbekämpfung ganz erheblich. Verbrechern wird es nahezu unmöglich gemacht, gefälschte Ausweispapiere zu benutzen."

    "Sie können überhaupt nur denken: mehr Kontrolle, mehr Überwachung, mehr Zwang. Die einzige Frage, die Sie sich stellen, ist: Wie viel können sie der Bevölkerung im Augenblick zumuten, und wie viel macht das Verfassungsgericht gerade so eben noch mit? Da ist die einzige Grenze, sie haben."

    Christian Ströbele, damals schon für die Grünen im Bundestag, erregte vor allem der Umstand, dass die Schleppnetzfahndung mit verabschiedet werden sollte, das heißt die Speicherung von Daten bei computergesteuerten Großfahndungen.

    "Sie sehen die Bürgerinnen und Bürger nur noch als Störer, als potenzielle Straftäter, eben als Sicherheitsrisiko. Das ist der Geist der Sicherheitsgesetze, das ist der Geist auch des maschinenlesbaren Personalausweises und Passes."

    "Das waren ja Zeiten, die nicht allzu weit entfernt waren vom Deutschen Herbst. RAF-Nachzügler waren ja noch zugange damals in der Zeit."

    Hansjürgen Garstka, ehemaliger Berliner Datenschutzbeauftragter, erinnert sich:

    "Man träumte davon, dass durch die Maschinenlesbarkeit die Fahndung erleichtert würde, man die Identifizierung schneller erledigen könnte. Es hat sich herausgestellt, dass das alles nicht geklappt hat. Es gibt also bis heute kaum Lesegeräte, die tatsächlich diese Lesezone lesen, vielleicht am Flughafen oder so, aber in der täglichen Praxis hat sich das nicht durchgesetzt."

    Fälschungssicher waren die Ausweise auch nicht. Die Gegner des neuen Ausweises wollten über ihre Daten selbst bestimmen, so wie es ihnen das Bundesverfassungsgericht im berühmten Volkszählungsurteil zugesichert hatte. Die Proteste nahmen groteske Formen an:

    "Personalausweise wurden öffentlich gewaschen, da wurden Waschtröge, Waschmaschinen aufgestellt, da gab es dann Aktivisten, die ihre Personalausweise gewaschen haben, mit der Folge, dass sie dann hinterher mit Strafverfahren überzogen wurden, weil die Ausweise formal ja im Eigentum des Staates bleiben, das ist juristisch Beschädigung öffentlichen Eigentums oder dergleichen."

    Sie wuschen ihre Ausweise, um dann, vor der Einführung der EDV-gerechten Karte, auf der Meldestelle Ersatz zu beantragen und noch mal für fünf Jahre einen Ausweis in alter Form zu erhalten. Die Rechnung ging jedoch nicht für alle auf. Denn als die Behörden dahinter kamen, stellten sie ein Ersatzpapier aus, das nur vier Wochen gültig war. Der Witz der Geschichte: Die Protestierer gehörten dann zu den ersten, die in den Besitz der ungeliebten Plastikkarten kamen, die ab dem 1. April 1987 ausgehändigt wurden. Ihre Aktionen hatten den maschinenlesbaren Ausweis und die Schleppnetzfahndung zwar nicht verhindern können. Aber wirkungslos waren sie nicht.

    "Man ist ursprünglich davon ausgegangen, dass es eine zentrale Datei der Personalausweise gibt, das bedeutet also, dass jeder, wenn man entsprechend verknüpft ist mit den Datenbanken, was in der damaligen Zeit technisch noch gar nicht möglich war, was aber heute möglich wäre, dass man jedermann oder die Daten von jedermann sofort abrufen kann, sei es aus dem Melderegister, sei es aus dem Bundeskriminalamt, aus den diversen Strafverfolgungsdateien, sei es aus Flensburg. Das waren so die Träume, die man hatte, das konnte verhindert werden."

    Inzwischen sind wieder neue Identitätskarten in der Diskussion, diesmal mit biometrischen Merkmalen, Digitalisierung des Passbildes und des Fingerabdrucks.