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Plastikmüllkippe Meer

Plastik kann im Meer noch Jahrhunderte um den Globus wandern. Mit schlimmen Folgen für die Tierwelt. An den Küsten werden immer wieder Vögel gefunden, die an gefressenen Plastikteilen verendet sind oder sich in weggeworfenen Netzen hoffnungslos verfangen haben. Der Naturschutzbund Deutschland will sich damit nicht abfinden.

Von Dieter Nürnberger | 01.03.2012
    Zum Beispiel die Nordsee: Jedes Jahr, so Schätzungen, landen hier rund 20.000 Tonnen Müll im Meer. Und das meiste davon - über 75 Prozent - ist Plastik oder Styropor. Stefanie Werner ist Abfallexpertin beim Umweltbundesamt in Dessau. Das Müllproblem in der Nordsee stelle inzwischen eine Gefahr für viele Meeresbewohner dar.

    "Unheimlich viele Meerestiere nehmen Meeresmüll auf, sie verschlucken Meeresmüll. Das führt zum Verhungern der Tiere - sozusagen bei vollem Magen. Beispielsweise der Eissturmvogel in der Nordsee: Der hat soviel Meeresmüll im Magen, als hätte wir eine Brotdose voller Plastikmüll in unserem menschlichen Magen."

    Unter den Forschern gilt die Faustformel, dass rund 90 Prozent des Mülls in den Meeren vom Festland kommt oder durch die Schifffahrt verschuldet wird. Allerdings hat auch die Fischerei mit etwa zehn Prozent einen nicht unerheblichen Anteil.

    Von den rechtlichen Grundlagen her ist eigentlich alles klar. In mehreren internationalen Abkommen hat sich die Weltgemeinschaft des Problems angenommen. Doch gelöst wurde wenig - heute sind es sage und schreibe rund 6,4 Millionen Tonnen Müll, die jährlich in den Weltmeeren landen. Die Übereinkommen zwischen den Staaten sind oft zu vage formuliert, kritisiert Johannes Fuchs vom Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel. Zudem sei vieles nicht überprüfbar.

    "Kontrolle ist ein ganz immenses Problem - das sieht man ganz eindeutig bei den Schiffen. Was auf hoher See passiert, das können kein Staat und auch keine Küstenwache kontrollieren."

    Auf der Diskussionsveranstaltung des Naturschutzbundes ging es deshalb auch um neue Lösungsansätze, die Vermüllung der Meere zu verhindern. Müll, der schon an Land gesammelt und recycelt werde, tauche später nicht in den Meeren auf, sagt Nabu-Experte Benjamin Bongart. Doch auch die industriellen Produzenten des Plastikmülls müssten künftig mehr Verantwortung übernehmen. Besser abbaubare Stoffe und auch anders konstruierte Produkte würden die Situation verbessern.

    "Beim Ökodesign denke ich bisher nur daran, wie viel verbraucht mein Kühlschrank. In Zukunft muss man aber auch daran denken, woraus der Kühlschrank gebaut ist. Könnte er also einen Schaden anrichten, wenn er sozusagen über Bord geht. Da sind sicherlich noch viele Schlachten zu schlagen, wobei man mit Produktrecht ja auch nicht den Herstellern vorschreiben darf, was gebaut werden darf und was nicht. Aber wir haben aus dem Abfallwirtschaftsrecht gelernt, dass man durchaus sagen kann, du darfst nur etwas bauen, was auch recycelbar ist."

    Da die Kontrolle und Durchsetzung der großen globalen Abkommen zum Meeresschutz schwierig ist, favorisieren einzelne Experten auch bessere regionale Vereinbarungen. Im Juli 2008 trat beispielsweise die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie in Kraft. Das Müllproblem soll hier zuerst wissenschaftlich untersucht werden, danach verbindliche Maßnahmen folgen: So könnte beispielsweise eine exakte Fracht- und Müllerfassung bei jedem einzelnen Frachter schon in den Häfen helfen, Verstößen auf die Spur zu kommen.

    Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Übrigens gibt es auch Initiativen, den Müll wieder aus dem Meer zu fischen. Der Naturschutzbund und das Duale System beispielsweise organisieren ein solches Projekt. Fischernetze sozusagen als Müllnetze. Stefan Schreiter ist Geschäftsführer beim Dualen System.

    "Wir haben das Projekt vor knapp zwei Jahren gestartet - wir haben eine größere Sammelaktion durchgeführt. Wir haben innerhalb von einer Woche 24 Tonnen Müll aus dem Meer gesammelt. Daraus haben wir ein Granulat hergestellt, woraus ein neues Produkt entsteht."

    Angesichts der Dimensionen des Problems sicherlich nur ein kleiner Beitrag, aber jede Tonne weniger Müll zählt, so die Meeresschützer.