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Plastikspielzeug
Nase auf beim Spielzeugkauf

In Spielwaren-Läden gibt es Artikel, die äußerst unangenehm riechen, um nicht zu sagen: die stinken. Bislang hat man die Ursachenforschung für die penetranten Gerüche von Spielzeug stiefmütterlich behandelt. Chemiker fordern deshalb umfassendere Untersuchungen derartiger Produkte.

Von Volker Mrasek | 29.10.2018
    Bildnummer: 53251652 Datum: 25.07.2009 Copyright: imago/imagebroker Gummi- und Kunststoffprodukte enthalten gesundheitsschädliche und geruchsaktive Substanzen
    Gummi- und Kunststoffprodukte enthalten gesundheitsschädliche und geruchsaktive Substanzen (imago)
    Bei welchen Spielwaren rümpft man schon mal die Nase? Da wären zum Beispiel Wasserbälle und Schwimmhilfen für Kleinkinder aus Plastik:
    "Dieser typische Schwimmflügelgeruch: kleberartig und nach Bittermandel."
    Oder Spielzeugschwerter aus Schaumstoff, oft auch "Moosgummi" genannt:
    "Die haben nach Motoröl gerochen. Und noch so ein bisschen lederartig."
    Suche nach intensiven Gerüchen
    Mit diesen beiden Produktgruppen hat sich der Lebensmittelchemiker Christoph Wiedmer in jüngster Zeit eingehender beschäftigt:
    "Wir wollten einfach 'mal herausfinden: Ist das irgendwie erforscht? Ist bekannt, welche Substanzen dafür verantwortlich sind, dass diese Produkte so stinken? Und wir waren da relativ überrascht, dass eigentlich gar nichts dazu gemacht worden ist. Es gab immer mal so ein paar punktuelle Sachen. Aber so eine wirkliche Übersicht gabs nicht."
    Und deshalb:
    "Wir sind einfach in den Laden gegangen, haben mal verschiedenes Spielzeug gekauft. Und die Produkte, die besonders unangenehm und besonders intensiv gerochen haben, haben wir uns näher angeschaut und chemisch analysiert."
    Ein Projekt, finanziert von der Bayerischen Landesregierung. Und durchgeführt in Freising, in Labors des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung.
    Warum stinkt neues Plastikspielzeug?
    Durch die Analysen ist nun klar, was zum Beispiel hinter dem typischen Schwimmflügel-Geruch steckt. Offensichtlich sind es Rückstände von Lösungsmitteln, die aus den Produkten ausdünsten:
    "Also, das sind Cyclohexanon, Isophoron und Phenol. Die werden zum Beispiel für Druckfarben eingesetzt, wenn da schöne Aufdrucke auf diesem Spielzeug drauf sind, bei den Schwimmflügeln oder bei den Wasserbällen. Wir sind, soweit wir wissen, die Ersten die tatsächlich mit Methoden der analytischen Sensorik zeigen konnten, dass diese Substanzen für den Geruch verantwortlich sind. Sind teilweise im Gramm-pro-Kilogramm-Bereich in den Produkten enthalten. Das haben wir nachgewiesen. Das ist nicht wenig."
    Zumal einige der Lösungsmittel durchaus gesundheitsschädlich sein könnten, wenn Kinder sie einatmen oder in Kontakt mit ihnen kommen:
    "Isophoron ist als potenziell krebserregend eingestuft. Und Phenol ist giftig. Also auch eine Substanz, die man im Spielzeug eigentlich nicht haben sollte."
    Ähnlichkeiten zum mutmaßlichen Krebsgift Naphtalin
    Auch in den Schaumstoff-Schwertern stießen Wiedmer auf geruchsaktive Substanzen, die bedenklich sein könnten. Und zwar auf verschiedene Kohlenwasserstoffe, die Naphthalin chemisch sehr ähnlich sind, einem anderen mutmaßlichen Krebsgift:
    "Und das ist total spannend, weil gerade diese Dimethyl-Naphthalene toxikologisch überhaupt nicht bewertet sind, vor allem auch in der komplexen Mischung."*
    Der Lebensmittelchemiker würde sich wünschen, so etwas in Anschlussstudien genauer untersuchen zu können. Und auch zu testen, welchen Stoffmengen Kinder tatsächlich ausgesetzt sind, wenn sie mit Schwimmflügeln planschen oder mit Schaumstoffschwertern spielen.
    Geldgeber für Anschlußstudien fehlen
    Doch bisher habe sich kein Geldgeber dafür gefunden, bedauert Wiedmer und betont: Es handele sich nicht nur um Einzelfälle, und es seien auch nicht nur Ramschartikel aus Fernost betroffen:
    "Es ist 'ne Tatsache, dass relativ viel von dem Spielzeug, was in Deutschland auf den Markt kommt, im asiatischen Raum gefertigt wird. Das heißt aber nicht, dass das jetzt alles nur irgendwelche Billigprodukte waren, sondern wir hatten auch Produkte von namhaften Herstellern untersucht. Und diese Markenprodukte hatten genau so üble Gerüche wie die billigen."
    Das Bundesinstitut für Risikobewertung, sorgt jetzt immerhin dafür, dass Spielzeug-Ausdünstungen bald routinemäßig erfasst werden können.
    Emissionsmesskammern für die Routine-Erfassung
    Die Berliner Fachbehörde hat dafür eigens kleine Emissionsmesskammern entwickelt. Bisher gab es nur viel zu große, und zwar aus dem Bereich der Baustoff-Prüfung.
    Die Mini-Kammern böten nun auch den staatlichen Untersuchungsämtern die Chance, Fehlgerüche von Spielwaren zu untersuchen, sagt der Chemiker Christoph Hutzler aus der Abteilung für Produktsicherheit des Bundesinstituts:
    "Die Substanzen, die eine extrem hohe Geruchswirkung erzielen, die sind ja in vielen Fällen unbekannt. Das ist Neuland. Also, das ist ein Bereich, da gibt es keine systematischen Daten dazu. Insofern finde ich die Arbeit, die in Freising dazu geleistet wird, bahnbrechend."
    Verbraucherinnen und Verbrauchern hat die Behörde in früheren Fällen empfohlen, stark riechende Produkte lieber zu meiden. Denn wenn Plastikware aus dem Handel stinke, zeuge das von geringer Qualität und widerspreche der guten Herstellerpraxis.
    *In einer früheren Version des Textes war an dieser Stelle von "additiven Effekten" die Rede. Der Satz wurde aus dem O-Ton entfernt, weil es sich bei dem Phänomen um "synergistische Effekte" handelt.