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Plastiktüten
EU will Verbrauch reduzieren

Die Deutschen verbrauchen pro Kopf jedes Jahr 70 kostenlose Plastiktüten. Polen und Portugiesen sogar 450. Die Tüten belasten die Umwelt. Deshalb will die EU den Verbrauch europaweit reduzieren. Der gefundene Kompromiss geht aber vielen Politikern nicht weit genug.

Von Julian Kuper |
    Mehr als 5000 gebrauchte Plastiktüten am Strand von Niendorf in Schleswig-Holstein, Aufnahme vom Juli 2013
    Mehr als 5000 gebrauchte Plastiktüten am Strand von Niendorf in Schleswig-Holstein, Aufnahme vom Juli 2013 (picture alliance / dpa)
    Die EU will ihnen an den Kragen. Den kleinen, kostenlosen Plastiktüten. Die Deutschen verbrauchen jeder im Schnitt 70 dieser Tüten, Polen und Portugiesen sogar 450. Das will die EU soweit es geht verhindern. Jetzt haben sich die Kommission, das Parlament und der Rat der Europäischen Union nach langen Verhandlungen auf einen Kompromiss geeinigt.
    Die Mitgliedsländer haben jetzt die Wahl: Entweder sie machen konkrete Zielvorgaben, um die Zahl von Plastiktüten zu verringern. Oder sie verpflichten die Läden, für jede Tüte spätestens bis 2018 eine Gebühr zu verlangen. Für die Verhandlungsführerin des Europaparlaments, die dänische Grüne Margrete Auken nicht die Wunschlösung, aber ein guter Anfang: "Die Vereinbarung, die wir gestern getroffen haben, ist wirklich ein Kompromiss. Aber für uns ist es sehr wichtig, dass wir jetzt bindende Werte haben und sicher sein können, dass etwas passiert mit diesem extremen Überkonsum von leichten Plastiktüten."
    Plastiktüte beim Metzger gibt es weiterhin
    Ausgenommen sind bei dem Kompromiss dünne Tüten, die es an der Obst- und Gemüsetheke gibt - oder auch beim Metzger. Das wird vor allem damit begründet, dass ein Verbot noch schädlichere Verpackungen fördern könnte. Zum Beispiel Schalen aus Schaumstoff. Auch die dickeren Plastiktüten, die man eh schon bezahlen muss, sind nicht betroffen.
    Das Ziel: Der jährliche Verbrauch von dünnen Plastiktüten in der EU soll in fünf Jahren von 200 Tüten pro Kopf auf 90 sinken. In einem zweiten Schritt soll die Zahl bis 2045 dann noch einmal halbiert werden. Die dünnen Tüten seien eine ziemliche Umweltbelastung, sagt György Hölvényi, der für die EVP bei den Verhandlungen dabei war: "Wenn wir daran denken, dass heute 100 Milliarden Plastiktüten jährlich verbraucht werden, und davon 8 Milliarden in der Natur landen, nicht im Mülleimer irgendwo, sondern in der Natur. Das ist unerträglich."
    Abbauzeit beträgt 400 Jahre
    Die dünnen Plastiktütchen bauen sich erst nach rund 400 Jahren ab und zerfallen oft in Mikroplastik. Dass der Kompromiss nicht weitreichender ist, stört Hölvényi nicht: "Natürlich könnte man immer mehr machen, aber dann sollten wir bei uns selbst anfangen. Dann sollte ich keine Plastiktüte mehr nutzen. Dann sollte ich eine Alternative suchen. Aber wir sind in Europa nicht so weit."
    Andere Länder sind von sich aus schon weiter, wie etwa Irland. Für Margrete Auken ein fantastisches Beispiel: "Die haben eine verpflichtende Gebühr für Plastiktüten eingeführt. Und innerhalb von fünf Monaten reduzierte sich die Anzahl der Tüten um 90 Prozent. Klar benutzten die immer noch Plastiktüten, aber jetzt benutzten sie sie mehrmals." Für Deutschland ändert sich erst einmal nicht viel, meint Rolf Buschmann vom BUND. Schließlich ist die Zielvorgabe von 90 dünnen Plastiktüten pro Kopf schon jetzt erreicht. Deswegen hatte er auf striktere Regeln gehofft: "Grundsätzlich stellen wir uns ein durchaus ambitioniertes Ziel vor, auch verbindlichere Vereinbarungen europaweit. Beispielsweise eine grundsätzliche Abgabe auf Plastiktüten."
    Europaparlament muss noch abstimmen
    Der von der EU ausgehandelte Kompromiss muss sich jetzt noch einmal bewähren. Am Freitag müssen die 28 EU-Länder und das Europaparlament darüber abstimmen. Eigentlich eine sichere Sache. Margrete Auken fürchtet lediglich den Einfluss der Kommission: "Das Einzige, was passieren kann, aber ich kann das nicht glauben, ist, dass die Kommission versucht, den Kompromiss loszuwerden. Aber das kann ich mir nicht vorstellen, weil die sich an den Vertrag halten müssen. Die können das nicht entscheiden, das sind wir."