Kathrin Hondl: Und hier im Studio ist jetzt Christiane Vielhaber, und das bedeutet natürlich: wir reden jetzt über Kunst. Genauer Über den argentinischen Künstler Fabián Marcaccio. Seine Arbeiten sind gerade in zwei Ausstellungen zu sehen – "Some USA Stories" heißt eine, zu sehen in Krefeld im Museum Haus Esters, und das LehmbruckMuseum Duisburg in Duisburg zeigt von Marcaccio sogenannte "Structural Canvas Paintants" – und da fängt es auch schon an, ein bisschen schwierig zu werden, denn wie soll man das übersetzen?
"Strukturelle Leinwand" oder "Leinwand mit Struktur", "structural canvas", okay, das haut irgendwie noch hin, aber was sollen "Paintants" sein? Wenn da Gemälde gemeint wären, Christiane Vielhaber, dann müsste es ja wohl Paintings heißen, oder?
Christiane Vielhaber: Diese Strukturen sind Alu-Korsette, um die herum er Farbe und Leinwand gebaut hat, und daraus im weitesten Sinne Puppen. Und dieses Paintants, das ist eine Mischung aus Malerei beziehungsweise Gemälde und Mutanten. Da mutiert die Malerei zu etwas, was im Wesentlichen der Skulptur zugehört, was aber seine Malerei letztlich, die man dann in Krefeld sehen kann, auch ist.
Ich sage mal ein Beispiel: In Duisburg liegt dann ein CNN-Reporter wie eine bunte klebrige Masse auf dem Boden, der Körper ist zerfetzt, dann ist da irgendwo noch eine Kamera, die läuft oder läuft nicht. Oder dann steht da so ein kleiner Kindersoldat, der in der Hand so ein Gewehr hat, und dann hat man auch das Gefühl, will er mir das jetzt zeigen, oder ist er ganz stolz, oder hat er gerade geschossen. Und diese Figuren sind eine Mischung aus klebriger Farbmasse und dann dazu zum Beispiel bei diesem Kindersoldaten auch ein Gesicht, was er aus dem digitalen Netz genommen hat, also im Grunde genommen ein flächiges Gesicht, was er dann über diese Alu-Strukturen zieht, und dadurch kriegen die jedenfalls von vorne etwas Plastisches.
Wenn man von hinten schaut, sind eigentlich diese Arbeiten in Duisburg eher flächige Pappkameraden oder Kunststoffkameraden, die auf direkte Aufsicht geplant sind oder gedacht sind. Wenn Sie dann von hinten herumgehen, verlieren die, oder auch diese Farbmasse, dieses eigentlich Brutale, was da unten auf dem Boden liegt, es könnte auch ein Farbteppich sein, bis Sie genau sehen, was da gemeint ist.
Hondl: Jetzt haben Sie von brutalen Farbmassen gesprochen, aber auch von zerfetzten Körpern, Kindersoldaten. Sind also diese Arbeiten plastisch und drastisch?
Vielhaber: Plastisch und drastisch, ja. Sie beziehen sich auf unsere reale Gegenwart, aber dadurch, dass das alles so zerfließt, zerwuselt, dass man das nicht so genau erkennt, ist das Erschrecken immer so ein bisschen Ekel, und dann: was ist das denn. Aus dieser Mischung besteht das. Und er ist natürlich keiner, der die Skulptur neu erfindet – wie soll er auch -, und er erfindet auch die Malerei nicht neu.
Und das Drollige ist, er ist ein gebürtiger Argentinier. Er ist in Rosario geboren, in dem Ort, in dem auch Fontana, den wir ja immer für einen ich weiß nicht was, aber nicht Argentinier halten, der ja auch glaubte, die Malerei neu zu erfinden, indem er die Leinwand aufgeschlitzt hat. Und bei Marcaccio ist das jetzt so: er schlitzt die Leinwand nicht auf, sondern es gibt Protopixel. Er spricht von Protopixeln, das heißt das erste Pixel oder Urpixel oder so.
Und dazu nimmt er keine Leinwand mit einem geschlossenen Grund, sondern er nimmt Taue, also richtig Reeps, und die lässt er knüpfen, mal größere, mal kleinere Löcher dazwischen, und die füllt er jetzt meistens von hinten mit irgend so einer Masse, auch Kunststoff, Farbe getränkt, teilweise kräftig bunt, und wenn sie direkt davor stehen, sind das abstrakte Bilder, ganz große abstrakte Bilder, und wenn sie etwas weiter gehen – und dann müssen sie aber vorher die Titel gelesen haben -, dann wissen Sie: Es handelt sich alles um Massaker, die in Amerika beziehungsweise im Irak mit amerikanischen Soldaten stattgefunden haben.
Hondl: Sind das jetzt dann diese "USA Stories", die in Krefeld zu sehen sind?
Vielhaber: Ja.
Hondl: Die sind ähnlich drastisch, wenn auch nicht ganz so plastisch wie die Bilder in Duisburg, oder?
Vielhaber: Die gehen teilweise auch bis zu 20 Zentimeter in den Raum, aber da ist er ja nun auch nicht das erste, ich denke an die deutsche informelle Kunst. Nehmen sie die "Migofs" von Bernard Schulze, die ja auch so zäh zerfransten und zerliefen. Also neu ist das alles nicht und er erfindet auch die Malerei nicht neu. Aber er bildet irgendwas ab, was eine neue Form von Historienbild ist, und wenn wir die Bilder im Kopf haben, dann erkennen wir diese ganzen Massaker, diese ganzen Katastrophen, und dann sehen wir diese Gedärme und wir sehen wirklich auch religiöse Fanatiker und das ist alles mit dabei.
Hondl: Vielen Dank. - Christiane Vielhaber war das über Fabián Marcaccio und seine drastische Kunst zwischen Malerei und Plastik, zu sehen in Duisburg und in Krefeld.
"Strukturelle Leinwand" oder "Leinwand mit Struktur", "structural canvas", okay, das haut irgendwie noch hin, aber was sollen "Paintants" sein? Wenn da Gemälde gemeint wären, Christiane Vielhaber, dann müsste es ja wohl Paintings heißen, oder?
Christiane Vielhaber: Diese Strukturen sind Alu-Korsette, um die herum er Farbe und Leinwand gebaut hat, und daraus im weitesten Sinne Puppen. Und dieses Paintants, das ist eine Mischung aus Malerei beziehungsweise Gemälde und Mutanten. Da mutiert die Malerei zu etwas, was im Wesentlichen der Skulptur zugehört, was aber seine Malerei letztlich, die man dann in Krefeld sehen kann, auch ist.
Ich sage mal ein Beispiel: In Duisburg liegt dann ein CNN-Reporter wie eine bunte klebrige Masse auf dem Boden, der Körper ist zerfetzt, dann ist da irgendwo noch eine Kamera, die läuft oder läuft nicht. Oder dann steht da so ein kleiner Kindersoldat, der in der Hand so ein Gewehr hat, und dann hat man auch das Gefühl, will er mir das jetzt zeigen, oder ist er ganz stolz, oder hat er gerade geschossen. Und diese Figuren sind eine Mischung aus klebriger Farbmasse und dann dazu zum Beispiel bei diesem Kindersoldaten auch ein Gesicht, was er aus dem digitalen Netz genommen hat, also im Grunde genommen ein flächiges Gesicht, was er dann über diese Alu-Strukturen zieht, und dadurch kriegen die jedenfalls von vorne etwas Plastisches.
Wenn man von hinten schaut, sind eigentlich diese Arbeiten in Duisburg eher flächige Pappkameraden oder Kunststoffkameraden, die auf direkte Aufsicht geplant sind oder gedacht sind. Wenn Sie dann von hinten herumgehen, verlieren die, oder auch diese Farbmasse, dieses eigentlich Brutale, was da unten auf dem Boden liegt, es könnte auch ein Farbteppich sein, bis Sie genau sehen, was da gemeint ist.
Hondl: Jetzt haben Sie von brutalen Farbmassen gesprochen, aber auch von zerfetzten Körpern, Kindersoldaten. Sind also diese Arbeiten plastisch und drastisch?
Vielhaber: Plastisch und drastisch, ja. Sie beziehen sich auf unsere reale Gegenwart, aber dadurch, dass das alles so zerfließt, zerwuselt, dass man das nicht so genau erkennt, ist das Erschrecken immer so ein bisschen Ekel, und dann: was ist das denn. Aus dieser Mischung besteht das. Und er ist natürlich keiner, der die Skulptur neu erfindet – wie soll er auch -, und er erfindet auch die Malerei nicht neu.
Und das Drollige ist, er ist ein gebürtiger Argentinier. Er ist in Rosario geboren, in dem Ort, in dem auch Fontana, den wir ja immer für einen ich weiß nicht was, aber nicht Argentinier halten, der ja auch glaubte, die Malerei neu zu erfinden, indem er die Leinwand aufgeschlitzt hat. Und bei Marcaccio ist das jetzt so: er schlitzt die Leinwand nicht auf, sondern es gibt Protopixel. Er spricht von Protopixeln, das heißt das erste Pixel oder Urpixel oder so.
Und dazu nimmt er keine Leinwand mit einem geschlossenen Grund, sondern er nimmt Taue, also richtig Reeps, und die lässt er knüpfen, mal größere, mal kleinere Löcher dazwischen, und die füllt er jetzt meistens von hinten mit irgend so einer Masse, auch Kunststoff, Farbe getränkt, teilweise kräftig bunt, und wenn sie direkt davor stehen, sind das abstrakte Bilder, ganz große abstrakte Bilder, und wenn sie etwas weiter gehen – und dann müssen sie aber vorher die Titel gelesen haben -, dann wissen Sie: Es handelt sich alles um Massaker, die in Amerika beziehungsweise im Irak mit amerikanischen Soldaten stattgefunden haben.
Hondl: Sind das jetzt dann diese "USA Stories", die in Krefeld zu sehen sind?
Vielhaber: Ja.
Hondl: Die sind ähnlich drastisch, wenn auch nicht ganz so plastisch wie die Bilder in Duisburg, oder?
Vielhaber: Die gehen teilweise auch bis zu 20 Zentimeter in den Raum, aber da ist er ja nun auch nicht das erste, ich denke an die deutsche informelle Kunst. Nehmen sie die "Migofs" von Bernard Schulze, die ja auch so zäh zerfransten und zerliefen. Also neu ist das alles nicht und er erfindet auch die Malerei nicht neu. Aber er bildet irgendwas ab, was eine neue Form von Historienbild ist, und wenn wir die Bilder im Kopf haben, dann erkennen wir diese ganzen Massaker, diese ganzen Katastrophen, und dann sehen wir diese Gedärme und wir sehen wirklich auch religiöse Fanatiker und das ist alles mit dabei.
Hondl: Vielen Dank. - Christiane Vielhaber war das über Fabián Marcaccio und seine drastische Kunst zwischen Malerei und Plastik, zu sehen in Duisburg und in Krefeld.