Archiv


Platine im Babystrampler

Technik. - Praktisch alle Kleidungsstücke kommen heute aus Asien, weil Stoffe dort konkurrenzlos billig produziert werden können. Hochtechnologie-Textilien könnten diesen Trend indes brechen, hoffen deutsche Unternehmen.

Von Michael Engel |
    Gardinen sollen dekorieren, aber auch nützlich sein, dachten sich Ingenieure der ADO Gardinenwerke in Aschersdorf an der Ems. Sie entwickelten "ADO-Protect" – eine Gardine mit antibakterieller Wirkung. Der Stoff ist schneeweiß und fühlt sich luftig an, wie eine ganz normale Gardine eben. Jedoch stecken Silberparktikel in der Faser, um die Keime zu killen, erklärt Adolf Schüler.

    "Es ist tatsächlich so, dass der Kontakt der Bakterien mit der Gardine diese Effekt hervorruft, und dadurch eine Zunahme der Bakterien einfach verhindert wird. Und das ist das entscheidende Kriterium. Ich muss eine bestimmte Luftumwälzung haben, dass die Bakterien an dieses Textil herangetragen werden, und dann entsteht die Eliminierung."

    Das zweite Projekt des Unternehmens heißt "eProtect" - eine Gardine gegen elektromagnetische Strahlung. Eingewebte Metallfäden sollen hochfrequente Schwingungen wie zum Beispiel Handystrahlen abfangen. Hauchfeine Metalle findet man hier auf der Messe aber nicht nur in Gardinen, sondern auch in ganz normaler Kleidung. Metalle lassen sich nämlich in Vlies einweben. Wenn dann elektrischer Strom durch die Faser fließt, entsteht wohlige Wärme, sagt Ursula Tröndle-Holder von der Firma Freundenberg Vliesstoffe KG aus Weinheim:

    "Kein Kettenhemd. Es ist Textil. Es ist auch ein Faden, der ist metallisiert, der hat metallische Bestandteile, ist also kein Draht, sondern ein Faden, der ist verarbeitet und ich habe die Haptik nicht verändert. Auch die Einlage kann fixiert werden, wie es unsere Kunden eigentlich gewöhnt sind. Also es ist richtig Textil, ist reinigungsbeständig, waschfest, heute noch hier als Prototyp, aber kurz vor der Serienfertigung."

    Zwei Streichholzschachtel große Akkus versorgen die "Wärmweste" mit Strom. Es sind nur sieben Volt, aber das reicht, um die Rückenpartien eineinhalb Stunden lang auf 40 Grad Celsius zu heizen. Für Jäger, Angler, Segler, letztlich für alle, die der Kälte trotzen müssen. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert auch eine heizbare Trainingshose für Leistungssportler von der Firma textile interfaces aus Gotha. Alexandra Baum:

    "Hochleistungssportler wärmen sich einmal ihre Muskeln auf, um dann im Wettkampf fit zu sein. Und zwischen den Wettkämpfen sind ja Pausen. Und in diesen Pausen kühlen die Muskeln doch aus, und sie kühlen so aus, dass möglicherweise Verletzungsgefahr besteht. Und diese Hose hat ein Textil in sich, was über einen elektrischen Strom dieses Muskelpartien heizt: 35 bis 40 Grad. Es muss nicht extrem warm sein, sondern es muss auf einer Körpertemperatur sein, dass praktisch diese Temperatur gehalten wird."

    Profitieren sollen Leichtathleten, Fußballer auf der Ersatzbank, letztlich alle, die im Winter sportlich aktiv sind. Noch einen Schritt weiter geht Dr. Christopher Klatt von der Freudenberg Forschungsdienste KG. Seine Textilien sollen in der Medizin eingesetzt werden. In diesem Fall fungieren die Vliesstoffe quasi als Motherboard. Denn Klatt verbindet die Textilien mit flexiblen elektrischen Leitern.

    "Die Anforderungen an den Vliesstoff, diesen mit Leitern zu versehen, realisieren wir dadurch, dass wir eine ganz spezielle Leiterpaste entwickelt haben, die elektrisch leitfähig ist, und die es uns über Druckprozesse erlaubt, Leiterbahnen so zu verlegen, wie wir das möchten, wie es am besten geht, und nicht an Kette und Schuss gebunden sind. Das heißt, wir verbinden dann Sensorik und Elektronik mit dem eigentlichen Vliesstoff zu einem Produkt."

    Erste Prototypen gibt es schon. So zum Beispiel ein Vlies für die "orthopädische Schuhüberwachung". In diesem Fall sind es Drucksensoren, die mit den Leiterbahnen verknüpft werden. Der Schuh ist konzipiert für Diabetiker mit so genanntem diabetischen Fuß, um Druckstellen frühzeitig erkennen zu können. Zur Kategorie "HiTex" zählt auch ein "Atmungsüberwachungsstrampler" für Frühchen. Das eingewebte Motherboard registriert die Atmungsaktivität und schlägt sofort Alarm, wenn beim Säugling die Atmung aussetzt. Und waschen kann man den Strampler auch.