Robert Musil hat einmal gesagt, das Bemerkenswerteste an öffentlicher Skulptur sei, dass man sie nicht sehe. Das wird dem "Platz der Grundrechte" von Jochen Gerz wohl nicht passieren. Gleich 48-mal ist der Künstler im Stadtgebiet von Karlsruhe präsent, an mehr oder weniger prominenten Stellen vom zentralen Marktplatz bis zu einem Ort im stadtnahen Hardtwald. Überall, am Bahnhof und am Rheinhafen, ja selbst am Hauptfriedhof, stößt der Passant auf Schrifttafeln, die wie überdimensionierte Straßenschilder aussehen. Mit weißen Lettern auf braunrotem Grund hat Gerz darauf aphorismenartige Sentenzen zum Thema Recht und Unrecht buchstabiert: "Das Verbotene liegt in der Natur des Menschen", heißt es da zum "Beispiel. "Eine Straftat ist immer ein Hilfeschrei." Oder "Unrecht ist und bleibt Unrecht."
Die Aussagen, widersprüchlich, provozierend, theoretisch-tiefgründig und mitunter sehr persönlich, stammen nicht von Gerz, sondern von Bürgern der Stadt. Denn obwohl Gerz in der Szene als Spezialist für Betroffenheitskunst gilt, war er, mit dem Auftrag konfrontiert, zunächst ziemlich ratlos:
" Auch für mich war das Recht zuerst einmal abstrakt und relativ unergiebig. Ich kann auch nicht sagen, dass ich am Anfang wusste, was ich machen wollte."
Zwei Jahre lang zunächst führte er Interviews mit professionellen Rechtsvertretern wie etwa dem Generalbundesanwalt, aber auch mit einsitzenden Straftätern und destillierte deren Aussagen zu den auf den Schildern zitierten Statements. Und nachdem er sich auf diese Art einer demokratischen Basis versichert hatte, delegierte er auch die Standortfrage der Schilder an die Bürgerschaft, die darüber in öffentlichen Foren entscheiden konnte.
" Ich finde, dass der öffentliche Raum eben kein Raum ist, wo der Künstler mit dem Auftraggeber alleine verhandelt, sondern der öffentliche Raum ist ja eigentlich ein Ort, der öffentlich bleiben soll und der nicht dadurch privatisiert werden soll, dass da jetzt ein Denkmal oder eine Skulptur hin kommt. Und deswegen wollte ich einfach eine Arbeit machen, wo sich keiner vor zurückziehen kann, denn die Arbeit ist ja von den Leuten selbst gemacht und ich bin eigentlich nur der Moderator."
Eine Topographie der Tatorte zieht sich so über das Karlsruher Stadtgebiet: Rechtswege und ihre Abwege, denn Recht und Unrecht sind überall. Eines von 24 Schildern zum Beispiel steht am Hauptbahnhof, weil von dort jüdische Mitbürger einst in die Konzentrationslager transportiert wurden - im Namen dessen, was damals Recht war. Und an zentraler Stelle, mitten in der Stadt, sind alle 24 Schilder noch einmal zusammengefasst, zu einem "Platz der Grundrechte" mit Sitzgelegenheiten und Spezialscheinwerfern, damit man die Botschaften auch noch zur Nacht entziffern kann.
Nun ist ein Schilderwald mit reichlich Lesestoff gemeinhin nicht gerade das, was sich Bürger für ihr Stadtbild wünschen. Unter ästhetischen Aspekten ist der "Platz der Grundrechte" auch nicht unproblematisch, denn er liegt auf der zentralen Blickachse der in Fächerform konzipierten Stadt geradewegs zwischen Marktplatz und Schloss, der so genannten "Via triumphalis", auf der sich ein historisches Denkmal an das andere reiht, darunter das Wahrzeichen der Stadt, die Pyramide über dem Grabmal ihres Gründers. Doch im Rausch der - letztlich erfolglosen - Bewerbung Karlsruhes um den Rang der Europäischen Kulturhauptstadt 2010 wurde die Entscheidung für den Standort schneller durchgewunken als sonst üblich. Jochen Gerz selbst hat ohnehin kein Problem damit, sich und sein Werk in die Geschichte einzufügen.
" Ich bin dagegen, dass die Gegenwart auf einer historischen Achse keinen Beitrag zu leisten hat. Eine historische Achse ist nur eine historische Achse, wenn sie Gegenwart zulässt."
Ein öffentliches Kunstwerk allerdings, auch das ist eine Frage des Rechts, wird man so schnell nicht wieder los, falls der Schilderwald eines Tages einer grundlegenden städtebaulichen Maßnahme im Weg stehen sollte.
Für Gerz ist das Werk ohnehin noch nicht vollendet. Denn als Ergänzung schlägt er vor, jedes Jahr am Tag der Wiederkehr der Übergabe seines Platzes einen "Tag der Grundrechte" zu begehen, in Karlsruhe für den Rest der Republik. Na aber, alles was Recht ist! Als hätten die Deutschen nicht schon genügend Schwierigkeiten mit ihrem Tag der Einheit.
Die Aussagen, widersprüchlich, provozierend, theoretisch-tiefgründig und mitunter sehr persönlich, stammen nicht von Gerz, sondern von Bürgern der Stadt. Denn obwohl Gerz in der Szene als Spezialist für Betroffenheitskunst gilt, war er, mit dem Auftrag konfrontiert, zunächst ziemlich ratlos:
" Auch für mich war das Recht zuerst einmal abstrakt und relativ unergiebig. Ich kann auch nicht sagen, dass ich am Anfang wusste, was ich machen wollte."
Zwei Jahre lang zunächst führte er Interviews mit professionellen Rechtsvertretern wie etwa dem Generalbundesanwalt, aber auch mit einsitzenden Straftätern und destillierte deren Aussagen zu den auf den Schildern zitierten Statements. Und nachdem er sich auf diese Art einer demokratischen Basis versichert hatte, delegierte er auch die Standortfrage der Schilder an die Bürgerschaft, die darüber in öffentlichen Foren entscheiden konnte.
" Ich finde, dass der öffentliche Raum eben kein Raum ist, wo der Künstler mit dem Auftraggeber alleine verhandelt, sondern der öffentliche Raum ist ja eigentlich ein Ort, der öffentlich bleiben soll und der nicht dadurch privatisiert werden soll, dass da jetzt ein Denkmal oder eine Skulptur hin kommt. Und deswegen wollte ich einfach eine Arbeit machen, wo sich keiner vor zurückziehen kann, denn die Arbeit ist ja von den Leuten selbst gemacht und ich bin eigentlich nur der Moderator."
Eine Topographie der Tatorte zieht sich so über das Karlsruher Stadtgebiet: Rechtswege und ihre Abwege, denn Recht und Unrecht sind überall. Eines von 24 Schildern zum Beispiel steht am Hauptbahnhof, weil von dort jüdische Mitbürger einst in die Konzentrationslager transportiert wurden - im Namen dessen, was damals Recht war. Und an zentraler Stelle, mitten in der Stadt, sind alle 24 Schilder noch einmal zusammengefasst, zu einem "Platz der Grundrechte" mit Sitzgelegenheiten und Spezialscheinwerfern, damit man die Botschaften auch noch zur Nacht entziffern kann.
Nun ist ein Schilderwald mit reichlich Lesestoff gemeinhin nicht gerade das, was sich Bürger für ihr Stadtbild wünschen. Unter ästhetischen Aspekten ist der "Platz der Grundrechte" auch nicht unproblematisch, denn er liegt auf der zentralen Blickachse der in Fächerform konzipierten Stadt geradewegs zwischen Marktplatz und Schloss, der so genannten "Via triumphalis", auf der sich ein historisches Denkmal an das andere reiht, darunter das Wahrzeichen der Stadt, die Pyramide über dem Grabmal ihres Gründers. Doch im Rausch der - letztlich erfolglosen - Bewerbung Karlsruhes um den Rang der Europäischen Kulturhauptstadt 2010 wurde die Entscheidung für den Standort schneller durchgewunken als sonst üblich. Jochen Gerz selbst hat ohnehin kein Problem damit, sich und sein Werk in die Geschichte einzufügen.
" Ich bin dagegen, dass die Gegenwart auf einer historischen Achse keinen Beitrag zu leisten hat. Eine historische Achse ist nur eine historische Achse, wenn sie Gegenwart zulässt."
Ein öffentliches Kunstwerk allerdings, auch das ist eine Frage des Rechts, wird man so schnell nicht wieder los, falls der Schilderwald eines Tages einer grundlegenden städtebaulichen Maßnahme im Weg stehen sollte.
Für Gerz ist das Werk ohnehin noch nicht vollendet. Denn als Ergänzung schlägt er vor, jedes Jahr am Tag der Wiederkehr der Übergabe seines Platzes einen "Tag der Grundrechte" zu begehen, in Karlsruhe für den Rest der Republik. Na aber, alles was Recht ist! Als hätten die Deutschen nicht schon genügend Schwierigkeiten mit ihrem Tag der Einheit.