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Platzmangel auf Chinas Friedhöfen
Gräber so teuer wie Apartments

Chinas Millionenstädte wachsen unaufhaltsam. Nicht nur der Wohnungsmarkt ist angespannt, auch auf den Friedhöfen wird es eng. Gräber gibt es vielerorts gar nicht mehr oder nur zu horrenden Preisen. Die kommunistische Führung propagiert bereits die Feuerbestattung.

Von Axel Dorloff | 26.11.2018
    Ein Friedhof in China
    In den chinesischen Millionen-Metropolen sind nicht nur die Immobilienpreise, sondern auch die Kosten für Gräber rasant angestiegen (picture alliance /dpa /Imaginechina /Wan Chong)
    Babaoshan, der Revolutionsfriedhof im Westen von Peking: Hier liegen die berühmten chinesischen Revolutionäre der ersten Stunde begraben, hohe Parteifunktionäre, ehemalige Minister. Hier darf nur ruhen, wer es in der Kommunistischen Partei zu etwas gebracht hat. Direkt daneben: der Friedhof für die einfachen Leute, der Babaoshan Volksfriedhof. Aber auch hier werden seit 2012 keine neuen Grabstellen verkauft - es gibt keinen Platz mehr.
    Wang Xianfa arbeitet für ein Bestattungsunternehmen in Peking: "Hier in Peking, auf dem Babaoshan-Friedhof, ist es unmöglich, Land dazu zu bekommen. In Peking gibt es insgesamt 43 offizielle Friedhöfe. Wenn die Regierung den Platz für Gräber nicht weiter beschränkt, reicht es für die Pekinger vielleicht nur noch für etwa zwei Jahre."
    Andere Experten reden von sechs Jahren, dann ist alles voll - jedenfalls die Friedhöfe, die im Stadtgebiet oder am Stadtrand liegen. Platz wäre dann nur noch in der Nachbarprovinz Hebei, aber da ist man schnell zwei, drei Stunden unterwegs.
    Qiao Li ist 65 Jahre alt – und Rentnerin aus Peking: "China hat eine Fläche von etwa 9,6 Millionen Quadratkilometern – aber ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt hier! Wir haben außerdem viele Bergregionen und weniger Flachland. Der Landmangel ist Realität. Die Preise für Gräber sind unterschiedlich, aber manche sind mittlerweile so teuer, dass sich das nur noch reiche Menschen leisten können."
    Wartelisten für Gräber
    Der Platzmangel treibt die Preise für Grabstätten in die Höhe. Und nicht nur Peking - in vielen Millionen-Metropolen an der chinesischen Ostküste fehlt Platz. Ob Schanghai, Shenzhen oder Hongkong - auf den Friedhöfen wird es eng. In Hongkong gibt es bereits Wartelisten.
    Liu Peng ist Chef einer der größten Beerdigungsfirmen in Peking: "In Städten wie Peking oder Schanghai kostet ein Grab mehr als 100.000 Yuan, fast 13.000 Euro. Auf den Quadratmeter gerechnet ist das teurer als eine Immobilie. Auf dem sehr beliebten Tianshou-Friedhof kosten die teuersten Gräber etwa eine Million Yuan."
    Das sind umgerechnet knapp 130.000 Euro, für den Normalverdiener kaum zu stemmen. In China sterben jedes Jahr etwa zehn Millionen Menschen. Und weil die Bevölkerung weiter altert, wird diese Zahl in den kommenden Jahren noch steigen.
    Immobilienpreise oder Gräber, Leben oder Tod – alles wird teurer, beklagt die 51-jährige Wang Yue. Sie nutzt die parkähnlichen Anlagen auf dem Babaoshan-Revolutionsfriedhof fast täglich, um spazieren zu gehen: "Wenn wir noch genug Land hätten, wären die Preise nicht so hoch. Man sagt jetzt in China, dass die Toten mit den Lebenden um Land kämpfen."
    Neue Bestattungsformen im Fünfjahresplan
    Ob Feuer- oder Seebestattung – im Chinesischen läuft das alles unter "Öko-Bestattung". Ein von der Regierung propagiertes Label, das die platzsparenden Beerdigungs-Methoden attraktiver machen soll. Die Seebestattung könnte der nächste Trend werden, vermutet die 83-jährige Li Yuan aus Peking: "Viele ältere Menschen wollen die Seebestattung noch nicht akzeptieren, aber man sollte sie wählen. Die Flächen auf den Friedhöfen sind ja so gut wie verbraucht."
    Schon Staatsgründer Mao Zedong hatte in den 50er-Jahren versucht, den Leuten die Feuerbestattung schmackhaft zu machen. Aber viele Chinesen bleiben bis heute skeptisch – auch aus kulturellen Gründen. Die Regierung in Peking möchte Feuerbestattungen von "nahezu 100 Prozent" erreichen. Seit 2015 steht das als politisches Ziel sogar im Fünfjahresplan. Jetzt kam ein neuer Gesetzentwurf: Ein Urnengrab soll künftig nur noch einen halben Quadratmeter groß sein dürfen. Versuche, die Leute senkrecht zu beerdigen bzw. ins All zu schießen, bleiben aber auch in China bislang Randerscheinungen.