Freitag, 19. April 2024

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Pleyel Nr. 13214 wieder aufgetaucht
Chopins Welt und Pleyels Flügel

Insgesamt 20 Flügel stellte die Firma Pleyel dem Komponisten und Pianisten Frederic Chopin zu Lebzeiten zur Verfügung. Jetzt ist eines dieser Instrumente wieder aufgetaucht. Die Chopin-Gesellschaft Hamburg & Sachsenwald durfte den besonderen Flügel aus Privatbesitz ausleihen und ein Konzert darauf realisieren.

Von Elisabeth Richter | 08.03.2021
    Aufsicht auf einen historischen Flügel mit geöffnetem Deckel. Vorne im Bild ist die Klaviatur zu erkennen, dahinter erstreckt sich der Resonanzraum.
    Auf diesem wiederentdeckten Pleyel-Flügel hat Chopin sehr wahrscheinlich schon selbst gespielt. (Deutschlandradio/ Elisabeth Richter)
    "Chopin war ein Pleyel-Pianist. Er war sehr verbunden mit dieser Firma, er hat den Klang besonders geschätzt. Wegen der Nuancierung, wegen der intimen Töne und der Klanggestaltung hat er Pleyel bevorzugt."
    "Es gibt ein berühmtes Zitat, wo Chopin sagte, wenn er sich schlecht fühlte, dann spielt er auf einem Érard, die Mechanik war einfacher, und man kriegt sozusagen den fertigen Ton, und beim Pleyel muss um den Ton wirklich quasi kämpfen, muss arbeiten, um den schönen Klang zu erzeugen. Aber die Klangqualität und die Möglichkeit für die Gestaltung, die Farben, das war für Chopin das Entscheidende."
    Erklärt Hubert Rutkowski, Musikhochschulprofessor in Hamburg und künstlerischer Leiter des Hamburger Chopin-Festivals auf historischen und modernen Flügeln.

    Flügel wechselte mehrfach die Besitzer

    Vor 174 Jahren am 1. März 1847 wurde dieser mit edlem Raupenmahagoni furnierte Pleyel-Flügel Nr. 13214 in Chopins Wohnung aufgestellt und Ende Februar 1848 wieder abgeholt. Das Instrument wurde dann verkauft und wechselte bis in unsere Tage mehrfach den Besitzer.
    Hubert Rutkowski: "Das war einfach Zufall, dass die Person, die dieses Instrument verkauft hat, diese Nummer von diesem Flügel weitergegeben hat, und dann wurde das geprüft in dem Register von Pleyel, von der Fabrik, und es hat sich herausgestellt, dass das Instrument bei Chopin in seiner Wohnung war."

    Ein besonders sensibles Instrument

    Nach eingehender Prüfung konnte ausgeschlossen werden, dass das Instrument eine Fälschung hätte sein können. Mit 2,05 Meter Länge und 6 Oktaven ist es ein kleiner Flügel.
    "Besonders liebe ich zum Beispiel diese Diskantlage."
    "Das Instrument ist besonders sensibel und flexibel und reagiert auf jede Berührung und die kleinste Bewegung und Änderung, sagen wir, so diese Nuancierung, was hier möglich ist, das ist die Besonderheit."
    "Der Kontakt zur Saite ist sehr direkt. Da kann man wirklich sehr viele raffinierte Nuancen machen, das ist genau die Musik von Chopin."

    Berühmter Minutenwalzer entstand auf dem Flügel

    U. a. diese Mazurka in a-Moll spielte Chopin bei seinem letzten öffentlichen Konzert in Paris am 16. Februar 1848. Mit Sicherheit hat er das Stück auf dem Pleyel-Flügel Nr. 13214 gespielt
    "Auf diesem Flügel hat er intensiv geübt. Das Instrument war in seiner Wohnung, er hat auch Hauskonzerte gemacht, und vor allem unterrichtet."
    Und komponiert. Zum Beispiel entstand der berühmte "Minutenwalzer" auf diesem Flügel. Er wurde bei Chopins letztem Pariser Konzert uraufgeführt.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    "Diese alten Instrumente geben uns auch Impulse für neue Interpretationen," sagt Hubert Rutkowski (Deutschlandradio/ Elisabeth Richter)

    Technisch und klanglich innovativ

    "Klavier für das Komponieren war schon sehr, sehr wichtig. Weil: das muss man auch hier sagen, die Musik von Chopin, das ist wirklich eine Klaviermusik, man spürt, das ist sehr pianistisch geschrieben, und sehr innovativ, ich meine: technisch, auch klanglich, diese Symbiose mit diesem Pleyel-Flügel ist ganz deutlich zu spüren."
    Einer der Schüler, die Chopin auf diesem Pleyel-Flügel unterrichtet hat, war der Pole Karol Mikuli, der später in Lemberg u. a. die Pianisten Raoul Koczalski und Moritz Rosenthal unterrichtete. Von ihnen existieren noch Aufnahmen. Man kann eine Ahnung bekommen, wie Chopin oder seine Schüler gespielt haben mögen.

    Viel Freiheit bei Phrasierung und Tempo

    "Es klingt wie eine Improvisation, es klingt, als ob diese Pianisten es fast live komponiert haben. Die Freiheit in der Phrasierung, in dem Tempo, auch Verzierungen oder zusätzliche Töne, auch ein bisschen Änderungen im Text - das war damals eine übliche Praxis."
    Karol Mikuli, Chopins Schüler, stand in Kontakt mit Theodor Leschetizky, einem der wichtigsten Klavier-Pädagogen des 19. Jahrhunderts neben Chopin und Liszt. Leschetizky unterrichtete zum Beispiel Arthur Schnabel oder Mieczysław Horszowski. Eine Schülerin Leschetizkys war Lehrerin von Garry Graffman, dem Lehrer von Lang Lang. Andere Linien führen von Leschetizky zu heutigen Pianisten wie Krystian Zimerman oder Rafał Blechacz. Von ihnen geht die Spur letztlich bis zu Chopins Pleyel-Flügel von 1847 zurück.

    Neue Impulse durch alte Instrumente

    Hubert Rutkowski auf Chopins Pleyel Flügel mit dem Nocturne Des-Dur Op. 27 Nr. 2 in einer Version mit recht freien Verzierungen von Theodor Leschetizky. Anweisung dazu hatte Leschetizky von Chopins Schüler Karol Mikuli erhalten.
    "Diese alten Instrumente geben uns auch Impulse für neue Interpretationen," sagt Hubert Rutkowski. Moderne Flügel klingen in den verschiedenen sehr ausgeglichen. Chopins Pleyel von 1847 dagegen und auch andere Flügel der Zeit klingen in den einzelnen Registern – im Bass, in der Mittellage oder im Diskant - sehr unterschiedlich. Diese charakteristischen Klangfarben standen Chopin zur Verfügung, sie inspirierten ihn zu seinen Kompositionen, zu bestimmen melodischen Linien oder Harmonien und mehr. Mit dem Pleyel-Flügel von 1847 geht man also auf eine Reise in Chopins Klang-Kosmos und blickt in seine Werkstatt.