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Plötzlicher Herzstillstand

Nur 20 Prozent der Menschen mit plötzlichem Herzstillstand können reanimiert werden. Häufig kommt die Hilfe zu spät. Mediziner aus Kiel wollen die Überlebensquote nun erhöhen und haben auf dem Deutschen Anästhesistenkongress in Hamburg das so genannte Reanimationsregister vorgestellt.

Von Frank Grotelüschen | 08.05.2007
    " Wenn es so ist, dass nur 20 Prozent der Patienten überleben, ist das ein unbefriedigender Qualitätsstandard, den wir zurzeit in Deutschland haben."

    Dass nur jeder Fünfte nach einem Herzstillstand wiederbelebt werden kann - damit will sich Jens Scholz nicht abfinden. Deshalb hat der Medizinprofessor aus Kiel das Reanimationsregister entwickelt. So nennt sich eine Internetseite, auf der Notärzte ab sofort Erfahrungen austauschen und voneinander lernen können - mit dem Ziel, künftig mehr Leben zu retten als heute.

    Das Ganze funktioniert so: Nach einem Einsatz geht der Arzt ins Internet und ruft das Reanimationsregister auf. Es erscheint eine Seite, die ihn auffordert, den Einsatz möglichst exakt zu beschreiben, sagt Jan-Thorsten Gräsner, Assistenzarzt in Kiel.

    " Ok, wir starten bei den wichtigen Basisdaten. Den Kollapszeitpunkt tragen wir ein mit einer Uhrzeit. Wann wurde der Rettungsdienst angerufen? Die Notrufzeit bekommen wir aus den Notruf-Leitstellen. Eine Minute in diesem Fall zwischen Kollaps zu Hause passiert - sofort gesehen - sofort zum Telefon die 112 gewählt - den Rettungsdienst gerufen. Der Rettungswagen rückt aus. Und der Rettungswagen traf in diesem Einsatz nach vier Minuten beim Patienten ein. Das war ein sehr schneller Einsatz, weil die Kollegen direkt um die Ecke mit der Rettungswache gestanden haben."

    Neben den Einsatzzeiten gibt der Arzt auch andere Daten zu Protokoll: Werte über Blutdruck, Herzfrequenz, Beatmung und den Einsatz von Elektroschock. Die Hoffnung: Wenn möglichst viele Notärzte aus ganz Deutschland regelmäßig ihre Einsätze per Internet dokumentieren, lässt sich auf Grundlage dieser Daten genau herausfinden, wo die Schwachstellen liegen und an welchen Punkten es hapert, sagt Jens Scholz.

    " Wir können die Notarzt-Standorte miteinander vergleichen. Wir kriegen heraus, wir gut die Qualität der Versorgung in den verschiedenen Regionen in Deutschland ist. Wir können sehen, ob die Notarztwagen gleich ausgestattet sind, ob vielleicht eine bessere Ausstattung der Notarztwagen zu einer besseren Versorgungsqualität führt. Wir können auch sehen, wenn unterschiedliche Medikamente gegeben werden, ob das ein besseres Outcome für die Patienten hat, ein besseres Überleben. Das hat für uns dann große Auswirkungen darauf, was wir von der Politik fordern, wie notfallmedizinische Versorgung in Deutschland stattzufinden hat."

    Doch das Reanimationsregister soll nicht nur einen Überblick bieten und als Grundlage für wissenschaftliche Analysen dienen. Auch der einzelne Notarzt soll davon profitieren. Er kann nämlich seine Ergebnisse mit denen der Kollegen vergleichen: Sind die anderen schneller am Einsatzort? Geben sie andere Medikamente, und haben sie damit mehr Erfolg? Wie das konkret aussieht, zeigt Jan-Thorsten Gräsner. Er tippt ein paar Befehle in sein Laptop, auf dem Bildschirm erscheint ein Diagramm. Es sind Balken, einige höher, andere niedriger. Gräsner liest daraus eine wertvolle Information heraus.

    " Meine Eintreffzeit entspricht der Eintreffzeit aller anderen Kollegen. Das bin ich in einer Reihe von 20, 30 Balken. Und ich sehe, wie viele besser und wie viele schlechter sind. Und ich kann mich selber fragen: Wo können Veränderungen sein?"

    Erprobt haben die Fachleute das System bereits, und zwar mit 50 Notarztstandorten. Nun startet das Reanimationsregister offiziell. Und Jens Scholz hofft, dass möglichst viele der rund 2000 Standorte in Deutschland mitmachen werden. Denn:

    " Jeder Patient, der mehr überlebt als heute, ist ein gewonnener Patient. Und damit sind wir zufrieden."