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Poesie am Bau

"Augenpost" nennt sich ein ungewöhnliches Lyrik-Projekt von zwei Leipziger Studentinnen und einer Musikerin. Seit einigen Monaten plakatieren die jungen Frauen in der Stadt kleine Poster mit kurzen Gedichten. Menschen zum Anhalten und Nachdenken bringen, das wollen die Studentinnen mit ihren poetischen Flugzetteln erreichen.

19.11.2003
    "An der Ampel liegen Blätter, die trinken dich bei rot." Das Zitat von einem der Augenpost-Plakate klingt wie eine Selbstbeschreibung. Die Nachwuchslyrikerin Ulrike Sandig erklärt: "Augenpost ist im Prinzip eine Straßenzeitung, die in Form von Plakaten stattfindet. Die Plakate kleben wir alle ein bis zwei Monate in Leipzig auf Wände, Ampelpfosten oder Bauzäune. Es sind immer Gedichte, die mit Straße, mit Stadt, mit öffentlichem Raum zu tun haben."

    Verärgert reagiert kaum jemand, der an der Ampel von eine der Gedichte überrascht wird. Erstaunt oder amüsiert sind die meisten Leser, oder auch nachdenklich. Die Idee kam Initiatorin Marlen Pelny, als sie in Berlin lebte: "In der Zeit fehlte mir in der Straßen immer ein Plakat oder ein Flyer, der mich anhalten, mich nachdenken lässt." Die Musikerin überzeugte ihre Freundin Ulrike Sandig, die Religionswissenschaften studiert, und Dorit Horn, Studentin der Indologie und der Anglistik, von ihrer Idee. 14 Ausgaben der Straßenpost sind bislang an je 90 Orten in der Stadt erschienen, auch wenn das Plakatieren nicht gerade legal ist. Marlen Pelny: "Bislang hat uns die Stadt noch nie geschrieben oder uns angezeigt. Deshalb hoffen wir einfach, dass es unter Kunst läuft, Kunst im offenen Raum."