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Poker um Yahoo

Microhoo – so witzeln Beobachter - könne sich das neue, aus dem Zusammenschluss von Microsoft und Yahoo hervorgegangene Unternehmen nennen. Aber noch ist es nicht so weit, denn die Verhandlungen gestalten sich schwierig.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Markus Schuler |
    Manfred Kloiber: Angeblich sollen beide Seiten seit gestern wieder miteinander sprechen und verhandeln. Vergangenen Sonntag sah das anders aus: Yahoo hatte ein Ultimatum von Microsoft verstreichen lassen. Der Software-Konzern bietet umgerechnet rund 29 Milliarden Euro für das Internetunternehmen. Marcus Schuler, Sie haben die bisherige geplante Übernahme beobachtet, was ist der aktuelle Stand?

    Markus Schuler: Wie Sie bereits sagten. Beide Seiten sollen sich – erstmals nach drei Monaten – wieder am Verhandlungstisch gegenüber sitzen. Vorausgegangen war eine Woche, in der alles möglich schien: Vom völligen Rückzug Microsofts von seinem Angebot bis hin zur feindlichen Übernahme. Ein Kollege der BBC schrieb in seinem Weblog, dass sich beide Seiten doch endlich einigen mögen, solange könne die Internetwelt keinesfalls ihren Atem anhalten. Aber ernsthaft: Am Donnerstag noch soll Microsoft-Chef Steve Ballmer vor Mitarbeitern erklärt haben, er werde nur das für Yahoo bezahlen, was das Unternehmen auch tatsächlich wert sei und keinen Cent mehr. Nun sollen beide Seiten seit ein paar Stunden sehr intensiv miteinander sprechen, die Gespräche seien in einer sehr sensiblen Phase, melden übereinstimmend Nachrichtenagenturen und Internetdienste. Es ist davon die Rede, dass man sich eventuell bereits bis Montag handelseinig werden könnte. Solche Spekulationen sind aber mit entsprechender Vorsicht zu genießen.

    Kloiber: Microsoft bot bislang 31 Dollar für eine Yahoo-Aktie, nun deutet das Unternehmen an, um die 33 Dollar je Aktien bezahlen zu wollen.

    Markus Schuler: Wobei dieser Preis immer noch unter der Vorstellung von Yahoo liegt. Es fordert zwischen 35 und 37 Dollar je Aktie. Vermutlich wird man sich, wenn es am Wochenende nicht zu einem Abbruch der Übernahmeverhandlungen kommt, auf einen Preis von wahrscheinlich um die 35 Dollar einigen.

    Kloiber: Von außen betrachtet hat es den Anschein als ziere sich Yahoo. Will das Management des kalifornischen Unternehmens dadurch den Preis in die Höhe treiben?

    Schuler: Ja und Nein. Natürlich will das Management so viel Geld wie möglich herausholen und Yahoo möglichst teuer verkaufen. Und "Nein", weil bei einem Zusammenschluss natürlich zwei Firmenkulturen aufeinanderprallen. Yahoo gilt trotz seiner knapp 11.000 Mitarbeiter weltweit als junges Unternehmen mit kurzen Entscheidungswegen und flachen Hierarchien. Das Internet ist ein vergleichsweise junges Medium, mit dynamischen Wachstumsraten. Microsoft hat dieses junge Image nicht. Es hat fast achtmal so viele Mitarbeiter wie Yahoo und die entsprechenden Strukturen eines großen Konzerns. Und es ist im Internet alles andere als erfolgreich; es verdient sein Geld mit lokal installierten Anwendungen, während die Welt rund um Microsoft dezentral installierte Anwendungen irgendwo im Nirwana des Internets anpreist und das Geschäftsmodell von Microsoft infrage stellt.

    Kloiber: Hätte Microsoft nicht sozusagen "kurzen Prozess" machen können und eine so genannte feindliche Übernahme in die Wege leiten können?

    Schuler: Doch. Das ist nach wie vor eine Option für den Fall, dass sich beide Seiten am Wochenende nicht einigen können. Allerdings: Es ist eine schlechte Option: Feindliche Übernahmen lassen den, der übernehmen will, in der öffentlichen Wahrnehmung meist schlechter aussehen. Und Microsoft, das in der Vergangenheit auch des Öfteren mit den Kartellbehörden in den USA und Europa zu tun hatte, würde da sein Bild als großer, übermächtiger Konzern untermauern. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite sieht so aus, dass sich Yahoo für eine feindliche Übernahme längst gewappnet und Giftpillen vorbereitet hat. Sollte Microsoft die feindliche Übernahme starten und mehr als 15 Prozent der Aktien erringen, könnte Yahoo weitere Aktien ausgeben. Das Ganze würde vermutlich vor Gericht enden und sich dann über Monate hinziehen. In jedem Fall muss Microsoft aber befürchten, dass die besten Leute von Yahoo das Unternehmen verlassen werden. Egal, ob sich beide Seiten einigen oder es doch noch zu einer feindlichen Übernahme kommt. Aber auch hier hat das Yahoo-Management vorgesorgt: Im Februar hat es einen Plan verabschiedet, der für die Mitarbeiter bei einer Übernahme Abfindungen vorsieht, sowie die Möglichkeit, vorzeitig Aktienoptionen einlösen zu können.

    Kloiber: Andererseits könnte Yahoo durch eine bereits verabredete und erfolgreich getestete Partnerschaft mit Google Microsoft in die Zwickmühle nehmen...

    Schuler: Auch das, so heißt es gerüchteweise, sei ein Grund, weshalb Microsoft unbedingt Yahoo auf dem Wege der gemeinsamen Einigung übernehmen will. Yahoo plant, so hat es das Unternehmen durchblicken lassen, Google-Textanzeigen auf seinen Suchergebnis-Seiten einzubinden. Aus Kartellsicht vermutlich nicht realistisch. Sie sehen aber, da ist einerseits viel Psychologie mit im Spiel, aber ebenso ist nun Verhandlungsgeschick gefragt.

    Kloiber: Wir haben immer nur über die negativen Seiten geredet, was würde denn solch eine Übernahme an Vorteilen bringen?

    Schuler: Google würde vermutlich ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen. Ich denke, das ist das Wichtigste. Es hat – so schätzt man – einen weltweiten Marktanteil bei der Internetsuche von 77 Prozent. Yahoo kommt nach einer Studie von ComScore auf 16 Prozent, Microsoft gerade einmal vier Prozent. Yahoo ist mit der Foto-Community Flickr und seinem Anzeigen- und Suchmaschinengeschäft gut aufgestellt. Nur die beiden zusammen könnten ein Gegengewicht zu Google aufbauen. Microsoft könnte sein Service Know-how und seinen Entwickler-Stab einbringen, Yahoo das Anzeigengeschäft und das Know-how aus dem Internet und dem Web 2.0.