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Polarisierung vorprogrammiert

In der Berliner Columbia-Halle trafen sich die Vertreter von "Open Source" und "Freier Software" zur vierten "Wizards of Os"-Konferenz. "Information Freedom Rules" – "Die Regeln zur Informationsfreiheit" lautet dieses Jahr der Titel der Veranstaltung. Doch auch hier rückt das Geldverdienen mit freier Software immer mehr in den Mittelpunkt.

Von Mariann Unterluggauer |
    Seit Donnerstag treffen sich in Berlin in der Columbiahalle die Vertreter der Open Source und Free Software Gemeinde zur vierten Wizards of Os-Konferenz. "Information Freedom Rules" lautet dieses Jahr der Titel der Veranstaltung, bei der die T-Shirt Träger weniger wurden und das Geldverdienen in den Mittelpunkt gerückt ist. Lange Zeit herrschte in der Open Source und freien Software Bewegung die Gewissheit, dass man Methoden entwickelt hat, von denen andere etwas lernen können. Sandra Braman von der Universität Wisconsin ist da anderer Meinung. In ihrem Vortrag über Biotechnologie und Open Source macht sie darauf aufmerksam, dass es an der Zeit ist, dass auch die Open Source Bewegung wieder über ihren eigenen Tellerrand hinaussieht und etwas von anderen lernt. Zum Beispiel von den Erfahrungen in dem Bereich Biotechnologie. Dort ist es kein Widerspruch mehr, dass Daten zwar frei verfügbar sind, aber nicht jeder damit machen darf was er will. Mit dem Satz: Man darf zwar lesen, aber nicht denken, bringt sie das Problem auf den Punkt.

    "Eine Methode ist die Polarisierung der Diskussion. Sowohl Open Software wie auch die Biotechnologie streifen sehr viele politische, wirtschaftliche und ethische Fragen. Die Diskussionen darüber können sich in eine Richtung entwickeln, dass die eine Seite vor der anderen Angst bekommt. Die Erfahrung im Bereich Biotechnologie lehrt, dass damit die Diskussion gänzlich von der Bildfläche verschwinden kann. Was folgt sind Gesetze: Die Stammzellenforschung zum Beispiel wurde in manchen Ländern verboten. Wenn die Diskussion derart polarisiert wird, verliert am Ende jeder. Ich kann mir vorstellen, dass dasselbe auch bei Open Source eintreten kann. Auch hier geht es in letzter Zeit um einiges politischer zu: Regierungen, Firmen und Städte verpflichteten sich zur Einführung von Open Source Software. Das macht es zu einem politischen Thema und schafft die Möglichkeit, dass die Diskussion in dasselbe Eck gesteuert wird wie in der Biotechnologie."

    Eine weitere Einschränkung für den freien Fluss von Informationen wird durch die Tatsache geschaffen, dass keine Technik neutral ist: Sie kann sowohl für friedliche wie auch für kriegerische Zwecke verwendet werden. Dieses Faktum hat in der Biotechnologie bereits zu weitgehenden Einschränkungen geführt.

    "Wir sehen bereits, dass an den amerikanischen Universitäten Auflagen eingeführt werden, um manchen Studenten den Zugang zu Informationen zu verwehren. Studenten, die keine amerikanischen Staatsbürger sind, erhalten keinen Zugang zu bestimmten Studienrichtungen und Forschungsprojekten mehr, weil man befürchtet, dass sie die Informationen in ihren Heimatländern für kriegerische Zwecke verwenden könnten."

    In der Informationstechnik spricht man über die freie Modifizierung von Kode, in der Biologie vom veränderten Saatgut. Die Auswirkungen davon lassen sich nicht auf einen abgegrenzten Bereich beschränken und sie können auch weitere Kreise ziehen als einem lieb ist. Schmetterlinge, so Sara Braman von der Universität Wisconsin, haben heute Probleme bei der Nahrungssuche, weil sie sich von den Pollen mancher gentechnisch veränderten Pflanzen nicht mehr ernähren können.

    "In der Open Source Welt sehen wir die Überführung von offenen Kode in geschlossene Systeme. Das führt zu komplizierten Patentstreitigkeiten. Ich sehe hier auch vermehrt soziale Konflikte entstehen, in der Art, dass die Community sagt: Was hast du getan? Wie konntest du erlauben, dass dies passiert? Wir haben geglaubt, Sie sind ehrlich! Konflikte dieser Art werden in der Open Source Gemeinde zunehmen."

    Nicht ganz neu im Bereich Wissenschaft, aber für die Open Source Gemeinschaft ist die Erkenntnis, dass Freiheit nicht nur Kreativität erlaubt, sondern auch Überwachung fördert. Wikis, Weblogs, Plattformen, die mit dem Begriff "Soziale Software" zusammengefasst werden, sind auch für Sicherheitsorgane ein offenes Buch:

    "Wir wissen, dass die Blogosphäre sehr genau von jenen beobachtet wird, die Interesse haben, Individuen zu identifizieren, die vielleicht politische Ansichten vertreten, die die als bedenklich einstufen. Wenn man dies daran festmacht, was in einem Blog steht, dann werden die Menschen durch dieses Werkzeug zu Zielen von politischer Überwachung."